FOOTLIGHT PARADE (Lloyd Bacon, USA 1933, 1. & 5.7.) Ein Backstage-Musical aus dem Hause Warner, in dem der vor Ideen sprühende Musicalproduzent Chester Kent (James Cagney) von allen Seiten unter Druck gesetzt wird und so nicht einmal bemerkt, dass seine Sekretärin (Joan Blondell) in ihn verliebt ist. Einen besonderen Spaß macht sich FOOTLIGHT PARADE mit der Figur eines Zensors, der ständig lächerliche Beanstandungen hat, gleichzeitig aber nicht von einer jungen hübschen Frau lassen kann: "I'm showing Miss Rich what you can't do in Kalamazoo!" Der Wahnsinn der von Busby Berkeley choreografierten Tanznummern kulminierte in einem Wasserballett, das an exzentrischer Megalomanie nicht zu überbieten ist. Der Film, der im November 1933 in die amerikanischen Kinos kam, ist die reinste Verkörperung des Geistes des New Deal: Mit gemeinsamer Anstrengung lassen sich auch unmögliche Aufgaben lösen. Das Bild Roosevelts, das in der letzten Tanznummer enthüllt wird, macht unmissverständlich klar, für wen das Herz der Warner-Studios schlug.
CHRISTOPHER STRONG (Dorothy Arzner, USA 1933, 2. & 12.7.) Auf einer Party werden gesucht: ein Mann, der seiner Frau stets treu geblieben ist, und eine Frau, die noch keine Liebe erlebt hat. Als die beiden aufeinandertreffen, verlieben sie sich prompt – sie, die kühne Fliegerin, und er, der umsichtige Ehemann, Vater und Politiker. Die von Katharine Hepburn gespielte Cynthia Darrington ist eine selbstbewusste Frau, die Männerkleidung trägt (großartig die Szene, in der sie als Motte verkleidet auf ein Kostümfest geht), schnelle Autos fährt, mit ihrem Flugzeug Rekorde bricht und überhaupt eine selbstverständliche Unabhängigkeit ausstrahlt, die ihren Liebhaber Christopher erst fasziniert, ihm aber später unheimlich wird. Der Doppelmoral der Zeit kann sie nichts entgegen setzen, die Liebe wird ihr zum Verhängnis.
TORCH SINGER (Alexander Hall, George Somnes, USA 1933, 4. & 12.7.) Eine Frau, die allein ein Kind bekommt, es aus Not zur Adoption freigeben muss, Karriere als Sängerin macht und zum Schluss wieder mit ihrem Kind vereint wird – in rasantem Tempo bewegt sich TORCH SINGER zwischen hartem Realismus und spektakulärem Glamour, zwischen Drama und Komik, und gönnt seiner Heldin (eine glänzende Claudette Colbert) sogar ein Happy End. Als junge Sängerin Sally Trent bringt sie in einem Sozialkrankenhaus eine Tochter zur Welt und gibt sie schweren Herzens weg – nicht ohne ihr vorher einen wichtigen Ratschlag mitzugeben: Lass dich niemals von einem Mann ausnutzen! Jahre später nimmt Sallys Karriere an Fahrt auf und sie wird eine gefeierte Sängerin, die ein mondänes Leben führt, dabei aber zynisch geworden ist, im Alkohol versinkt und nicht mehr an die Liebe glaubt. Durch einen Zufall wird sie Märchentante einer Radiosendung für Kinder und erzählt allabendlich rauchend und trinkend neue improvisierte Geschichten – in der Hoffnung, so ihre Tochter wieder finden zu können.
ME AND MY GAL (Raoul Walsh, USA 1932, 3. & 19.7.) Der New Yorker Polizist Danny Dolan (Spencer Tracy) rettet einen Betrunkenen vor dem Ertrinken und wird daraufhin befördert. Er verliebt sich in Helen, smarte Kellnerin einer Hafenkneipe, in der er sich deswegen ständig aufhält. Helens frisch verheiratete Schwester Kate war früher mit einem Gangster liiert, der nun auf ihre Hilfe hofft. Die lose gestrickte Handlung ist allerdings nur Vorwand für ein dichtes Porträt des Arbeitermilieus der Lower East Side und für die scharfzüngigen Wortduelle zwischen Danny und Helen ("Haven't I seen you someplace?" – "Maybe, I've been someplace."). Eine wunderbare Referenz an Strange Interlude, einen MGM-Film desselben Jahres, findet sich ebenfalls. Danny erzählt Helen von einem Film, den er gesehen hat, "Strange Inner Tube oder so was", in dem die Gedanken der Personen zu hören sind, woraufhin auch im Gespräch zwischen Danny und Helen das in ihrem Kopf Vorgehende verbalisiert wird.
PICTURE SNATCHER (Lloyd Bacon, USA 1933, 3. & 19.7.) James Cagney spielt Danny Kean, der aus dem Gefängnis entlassen wird und beschließt, fortan ein ehrliches Leben zu führen. Seine Gangsterkumpel lässt er hinter sich und heuert bei einem Boulevardblatt als Reporter an. Zwar bringt er weder Vorkenntnisse noch besonderes Schreibtalent mit, ist dafür aber mit allen Wassern gewaschen, wenn es darum geht, Leuten Geheimnisse zu entlocken und hinter die schmutzigsten Geschichten zu kommen. Den größten Coup landet er, als er es schafft, einen Fotoapparat zu einer Hinrichtung ins Frauengefängnis einzuschmuggeln – was auf einem wahren Fall aus den 20er Jahren basierte. Der in zwei Wochen abgedrehte Film war ganz auf James Cagneys Star-Persönlichkeit des blitzschnellen Großstadt-Schlitzohrs zugeschnitten.
I'M NO ANGEL (Wesley Ruggles, USA 1933, 4. & 8.7.)Story, Screen Play and all Dialogue by Mae West: Entstanden sechs Monate nach ihrem Erfolg mit "She Done Him Wrong" baute Mae West mit I'M NO ANGEL ihren Erfolg mit ihrer typischen Rolle der männer- und sexliebenden Frau weiter aus. Sie spielt Tira, eine Tänzerin und Löwenbändigerin, der die Männer scharenweise zu Füßen liegen. Wieder ist Cary Grant derjenige, der sie wirklich interessiert, und als er sein Eheversprechen nicht hält, bringt sie ihn vor Gericht, wo sie in einer furiosen Vorstellung Anklage und Befragung der Zeugen gleich selbst übernimmt – "When I'm good, I'm very good. But when I'm bad, I'm better!"
MURDER AT THE VANITIES (Mitchell Leisen, USA 1934, 6. & 27.7.) Inspiriert von der Broadway-Revue "Earl Carroll's Vanities" des legendären Produzenten Earl Carroll, ist MURDER AT THE VANITIES eine Mischung von Murder Mystery und Backstage-Musical. Kurz bevor sich der Vorhang zur Premiere eines neuen Stückes öffnet, kommt es zum Mordversuch an der Leading Lady. Während die Polizisten sich schon an die Befragung der Anwesenden machen, interessiert sich der Manager nur für den Fortgang der Show. Das Spektakuläre an MURDER AT THE VANITIES aber sind die Shownummern. Neben einer Beschwörung von "Sweet Marihuana" glänzt Duke Ellington in "Ebony Rhapsody", in dem eine Jazzkapelle Franz Liszt am Schreiben seiner Rhapsodie zu hindern versucht und von diesem mit einem Maschinengewehr niedergemäht wird.
RED-HEADED WOMAN (Jack Conway, USA 1932, 7.7., Einführung: Marc Siegel & 27.7.) Anerkennung, Macht und Geld: Dies sind die Ziele der aus kleinen Verhältnissen stammenden Sekretärin Lil Andrews. Komplett scham- und skrupellos setzt sie ihre weiblichen Reize ein und verführt ihren verheirateten Chef so beharrlich, bis seine Ehe zerstört ist. Die Anerkennung durch die High Society kann sie dennoch nicht erringen. Die vulgäre und manipulative Lil, von Jean Harlow in einer hinreißenden Performance mit einem fröhlichen Sexappeal verkörpert, gleicht einer unwiderstehlichen Naturgewalt, die eine Spur der Zerstörung nach sich zieht. Im Laufe des Films wird sie sich weder läutern noch wird sie für ihr Verhalten bestraft – ein nach der Durchsetzung des Hays-Codes undenkbares Ende.
HEROES FOR SALE (William A. Wellman, USA 1933, 10.7., Einführung: Simon Rothöhler & 22.7.) Mit einer Kriegsverletzung, die ihn morphinabhängig gemacht hat, kehrt Tom Holmes (Richard Barthelmess) aus dem 1. Weltkrieg zurück. Die Tapferkeitsmedaille, die er verdient hätte, bekommt ein anderer, seinen Job verliert er wegen seiner Sucht. Verzweifelt versucht er, in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen. Was er sich aufbauen kann, wird er wieder verlieren. Am Schluss bleibt ihm nur noch der Marsch mit dem Heer der Arbeitslosen: "Jobless men, keep on walking. We can't take care of our own."
GOLD DIGGERS OF 1933 (Mervyn LeRoy, USA 1933, 13.7.) Die erste Tanznummer ist reines Wunschdenken: "We're in the money", singt das mit überdimensionierten Münzen bekleidete Chorus-Girl Ginger Rogers, bevor die Show ein jähes Ende nimmt. Der Schuldeneintreiber stoppt die Aufführung, noch bevor sie überhaupt begonnen hat: "The depression, dearie." Im Mittelpunkt stehen die drei Showgirls Polly (Ruby Keeler), Carol (Joan Blondell) und Trixie (Aline MacMahon), die inmitten der Depression alles tun, um wieder einen Job zu finden. Rettung naht in Form des aufstrebenden Songwriters Brad. Er unterstützt eine neue Show finanziell, bis seine aus dem Bostoner Geldadel stammende Familie seinen Kontakt mit der Showwelt und vor allem mit den Showgirls zu verhindern sucht. Im Gegensatz zu anderen Musicals, die ganz auf Eskapismus setzen, spricht GOLD DIGGERS OF 1933 die Zustände während der Depression offensiv an und untergräbt die opulenten Fantasienummern mit harter Realität. Die Schlussnummer "Remember My Forgotten Man" ist eine düstere Ode an das Schicksal der vergessenen und verarmten Veteranen des 1. Weltkriegs.
RED DUST (Victor Fleming, USA 1932, 15.7.) Dennis (Clark Gable) betreibt eine Kautschukplan-tage mitten im Dschungel in Indochina. Eines Tages taucht Vantine (Jean Harlow) auf, eine Prostituierte aus Saigon, die eine Weile untertauchen muss. Zwischen ihr und Dennis entspinnt sich gleich ein scharfzüngiger Schlagabtausch, der ohne große Umschweife in ein sexuelles Abenteuer mündet. Erst durch die Ankunft des neuen Ingenieurs Gary und seiner Frau Barbara, auf die Dennis ein Auge wirft, verkompliziert sich die Situation. RED DUST war enorm erfolgreich und zeigte in der Beziehung zwischen Vantine und Dennis ein neues Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen auf. Wie selbstverständlich Kolonialismus in den 30er Jahren hingegen war, davon zeugt die offen rassistische Darstellung der Einheimischen.
FEMALE (Michael Curtiz, USA 1933, 16.7.) Alison Drake (Ruth Chatterton) hat die Drake Motor Car Company von ihrem Vater geerbt und führt sie mit kühler Macht. Die Ehe hält sie für überflüssig: "Most women consider a man a household necessity. Myself, I'd rather have a canary." Stattdessen rühmt sie sich damit, Männer so zu behandeln, wie diese Frauen behandeln. Regelmäßig lädt sie gutaussehende Angestellte in ihr Haus (Frank Lloyd Wrights Ennis House) ein, um sie zu verführen. Wenn sie ihrer überdrüssig wird oder sie zu aufdringlich werden, lässt sie sie kurzerhand in die Filiale nach Montreal versetzen. Nur Jim Thorne (George Brent) lässt sich nicht auf ihr sonst so gut funktionierendes Spiel ein. Der vieldiskutierte Schluss des Films, der alles Vorhergehende konterkariert, lässt sich als ausgestellte Konzession an den Code lesen.
EMPLOYEES' ENTRANCE (Roy del Ruth, USA 1933, 16. & 18.7.) Warren William, ein heute vergessener Schauspieler, war in den frühen 30er Jahren einer der ganz großen Stars bei Warner. In EMPLYOEES' ENTRANCE spielt er Kurt Anderson, den despotischen Manager eines riesigen Warenhauses in Manhattan, dessen einziges Interesse der Profit ist. Wer seiner schnellen Art, Geschäfte zu führen, nicht folgen kann, wird ungeachtet langjähriger Verdienste umgehend gefeuert. Frauen dienen ihm lediglich zu Affären ("Oh it's you. I didn't know you with all your clothes on."), nähere Bindungen lehnt er ab. Auch Madeline (Loretta Young), die im Warenhaus einen Job zu ergattern hofft, bekommt dies zu spüren. Faszinierend ist die moralische Ambiguität des Films: Kurt Anderson ist ein Ekel, dem man für seine rücksichtslose Energie dennoch Anerkennung zollen muss – um während der Depression Arbeitsplätze zu erhalten, darf man nicht zimperlich sein.
THE PUBLIC ENEMY (William A. Wellman, USA 1931, 17.7.) Aufstieg und Fall zweier Gangster: Tom und Matt sind Freunde seit Kindertagen und verwandeln sich allmählich von kleinen Gelegenheitsdieben zu erfolgreichen Bootleggern. THE PUBLIC ENEMY war einer der großen Gangster-Filme des Jahres 1931, als das Versprechen des amerikanischen Traums längst schal geworden und finanzieller Erfolg nur noch durch Verbrechen möglich zu sein schien. Der Konflikt äußert sich auch in Toms Familie: Sein Bruder sucht den Aufstieg durch harte Arbeit und Unterricht an der Abendschule, während Tom den vermeintlich leichteren Weg des Verbrechens anpeilt. Sein Schicksal sollte ein Negativbeispiel sein – James Cagneys Darstellung von Tom Powers mit seiner ungebändigten, fieberhaften Energie und unterschwelligen Aggressivität, seiner Mischung aus Brutalität und Charme aber war unwiderstehlich und machte ihn umgehend zum Star. Die Szene, in der er seiner Freundin aus Wut eine halbe Grapefruit im Gesicht ausdrückt, schrieb Filmgeschichte.
HARD TO HANDLE (Mervyn LeRoy, USA 1933, 17.7.) James Cagney verkörpert Lefty Merrill, einen Hansdampf in allen Gassen, der mit grenzenloser Energie ein Geschäftsmodell – vom Tanzwettbewerb zur Schatzjagd zur Abnehm-Creme zur Grapefruit-Farm (ein Insider-Gag auf THE PUBLIC ENEMY) – nach dem anderen ausprobiert. Seine Gewitztheit wird nur noch überboten von der Durchtriebenheit der Mutter seiner Angebeteten Ruth, einer skrupellos aufstiegswilligen Frau, die alles tut, um ihre Tochter an den richtigen Mann zu binden. Ein Tanzwettbewerb zu Beginn – die letzten zwei Paare, darunter Ruth, tanzen seit 1412 Stunden ununterbrochen miteinander – endet damit, dass Lefty die Siegesprämie nicht auszahlen kann. Ruths Mutter verweigert Lefty daraufhin die Hochzeit mit ihrer Tochter und verschwindet, nicht ohne vorher die Einrichtung ihrer möblierten Mietwohnung zu verkaufen. Voll ätzendem Zynismus und rasanten Wortduellen lebt die Satire auf Methoden der Werbebranche ganz von James Cagneys und Ruth Donnellys atemlosem Witz.
NIGHT NURSE (William A. Wellman, USA 1931, 18.7.) Ein Plot, der in nur 70 Minuten Kindesmissbrauch, versuchten Mord, Alkoholismus, Bootlegger und Drogensucht unterbringt – zudem, ganz Pre-Code, jede Menge Szenen, in denen man den Krankenschwestern beim An- und Ausziehen ihrer Uniformen zusieht. Barbara Stanwyck ist Lora Hart, eine junge Krankenschwester, deren erster Job sie zu einem Privathaushalt mit zwei kleinen kranken Kindern führt. Dort kommt sie einem verschwörerischen Plan auf die Schliche: Der vor nichts zurückschreckende Chauffeur Nick (Clark Gable) plant die Kinder zu töten, um an ihr Erbe zu kommen. Die ständig feiernde und meist betrunkene Mutter ist ihm dabei kaum im Wege. Da sie vom behandelnden Arzt keine Hilfe bekommt, nimmt Lora mit Hilfe eines Bootleggers die Sache selbst in die Hand, wobei ihrer pragmatischen Moral immer wieder die offizielle, verlogene Ethik in die Quere kommt. In atemberaubender Geschwindigkeit entwickelt sich der mit frechen Dialogen und street smartness durchsetzte Film von der spritzigen Komödie zum zynischen Drama.
LITTLE CAESAR (Mervyn LeRoy, USA 1931, 20. & 26.7.) "Little Caesar" Rico Bandello (Edward G. Robinson, der durch die Rolle berühmt wurde) ist ein gänzlich unsentimentaler Gangster, dem es vor allem um soziale Anerkennung geht. "Be somebody", das ist Inbegriff des Erfolgs, und skrupellos und brutal macht er sich an die Erlangung dieses Ziels. Obwohl die Gewalt nicht offen dargestellt wird, sondern im Off stattfindet, war LITTLE CAESAR von einer genrebildenden Härte: der Slang der Straße, die Unerbittlichkeit Ricos, schließlich der Fall des Gangsters mit seinen berühmten letzten Worten: "Mother of Mercy! Is this the end of Rico?" LITTLE CAESAR, der im Januar 1931 in die Kinos kam, löste einen Boom des Genres aus. Während der Zeit der Depression wirkte der Gangster wie eine Parodie des amerikanischen Traums: Der Aufstieg für jedermann war nur zu haben, indem man die Regeln der Gesellschaft umging.
TWO SECONDS (Mervyn LeRoy, USA 1933, 20. & 26.7.) Der Erinnerungsflash eines zum Tode verurteilten Mörders auf dem elektrischen Stuhl: Der Bauarbeiter John Allen (Edward G. Robinson) heiratet unüberlegt eine Tanzhostess, die sich als üble Betrügerin herausstellt. Bei einem Streit mit seinem besten Freund kommt dieser zu Tode. Von Schuldgefühlen gebeutelt, verliert er seine Arbeit und versinkt im Alkohol, bis es zur Katastrophe kommt, die sein Leben endgültig zerstört. TWO SECONDS ist von einer beklemmenden Intensität, atemloser emotionaler Wucht und rauer Düsternis, die dem Protagonisten das ganze Elend der Depression aufzubürden scheinen.
I AM A FUGITIVE FROM A CHAIN GANG (Mervyn LeRoy, USA 1932, 21.7.) James Allen (Paul Muni) kommt aus dem 1. Weltkrieg nach Hause, wo sein altes Leben als Fabrikarbeiter keinen Reiz mehr auf ihn ausübt. Sein Ehrgeiz, beruflich voranzukommen, wird durch mangelnde Gelegenheit getrübt, und bald reist er in der Hoffnung auf Arbeit von Staat zu Staat. In einem Diner wird er gegen seinen Willen in einen Überfall verwickelt, gefangen genommen und zu zehn Jahren Strafarbeit in einer Kolonie von Kettenhäftlingen verurteilt. Es gelingt ihm zu fliehen und in Chicago ein neues Leben zu beginnen. Doch er wird verraten und wiederum dem grausamen Leben in der Chain Gang ausgesetzt. Basierend auf der gleichnamigen Autobiografie von Robert Elliot Burns prangert LeRoys Film in gnadenlosem, düsterem Realismus den inhumanen Strafvollzug in den Südstaaten der USA an.
WILD BOYS OF THE ROAD (William A. Wellman, USA 1933, 22. & 28.7.) Ein nüchternes, unerbittliches Dokument der sozialen Zustände während der Depression. Um keine Last für ihre arbeitslosen Eltern zu sein, machen sich die beiden Teenager Eddie und Tommy auf den Weg nach Chicago, wo sie Arbeit zu finden hoffen. Auf ihren Fahrten auf Güterzügen begegnen sie zahlreichen anderen Jugendlichen, stoßen aber in der Gesellschaft überall auf Ablehnung. An den Bahnhöfen wartet schon die Polizei, die sie vertreibt. Unter den Jugendlichen bildet sich eine solidarische Gemeinschaft, die gemeinsam der feindlichen Umwelt trotzt, sich in Baracken einrichtet, gemeinsam verteidigt und gegen die täglichen Zumutungen zur Wehr setzt. Das optimistische Ende, in dem ein verständnisvoller Richter vor dem Adler der "National Recovery Administration" Roosevelts den Jugendlichen Hilfe verspricht, wurde Regisseur Wellman von Warner aufgezwungen.
DR. JEKYLL AND MR. HYDE (Rouben Mamoulian, USA 1932, 23. & 30.7.) Rouben Mamoulian nahm in der wohl besten Verfilmung der Novelle von Robert Stevenson die damals bekannt gewordenen Thesen Freuds auf und erzählt die bekannte Geschichte einer doppelten Identität vorrangig als die einer erotischen Obsession. Dr. Jekyll ist ein respektabler Arzt, der eine Theorie zur Abspaltung der bösen von der guten Seite des Menschen entwickelt. Bei einem Selbstversuch verwandelt er sich in Mr. Hyde und bringt eine Prostituierte in seine Gewalt. Während Dr. Jekyll sich im Triebaufschub üben muss – der Vater seiner Verlobten verbietet eine schnelle Heirat –, setzt er sich als Mr. Hyde über die Normen der Gesellschaft hinweg. Seine Suggestionskraft bezieht der Film vor allem aus der subjektiven Kamera und den glänzenden Schauspielern Fredric March und Miriam Hopkins.
ISLAND OF LOST SOULS (Erle C. Kenton, USA 1932, 23. & 30.7.) Ein mad scientist (Charles Laughton) macht auf einer einsamen Insel diabolische Experimente und kreuzt Menschen und Tiere zu monströsen Kreaturen. Durch liturgisches Absingen des "Gesetzes" und Bela Lugosi als brutalem Aufseher werden sie unter hypnotischer Kontrolle gehalten und mit der Drohung des "Hauses der Schmerzen" diszipliniert. Der alptraumhafte Kosmos nach einem Roman von H.G. Wells bricht eine ganze Reihe von Tabus und war in mehreren Ländern verboten.
BLONDE CRAZY (Roy del Ruth, USA 1931, 24. & 29.7.) Einer der Höhepunkte der gemeinsamen Filme James Cagneys und Joan Blondells. Der Hotelpage Bert Roberts lernt die hübsche Ann Roberts kennen und verschafft ihr einen Job als Zimmermädchen im gleichen Hotel. So leicht lässt sie sich aber nicht rumkriegen: Seinen ersten Versuch eines Rendezvous' quittiert sie mit einer Ohrfeige. Für seine kleinen Betrügereien aber hat er in ihr eine ebenbürtige Gegenspielerin gefunden, und gemeinsam erleichtern sie diverse Herrschaften um ihre Habseligkeiten –, bis Ann einen Mann kennenlernt, den sie wirklich zu lieben glaubt.
THREE ON A MATCH (Mervyn LeRoy, USA 1932, 24. & 29.7.) Drei Mädchen in New York: Mary, Vivian und Ruth gehen miteinander zur Schule und könnten gegensätzlicher nicht sein. Jahre später – eine Montagesequenz visualisiert das Vergehen der Zeit – begegnen sie sich wieder. Mary (Joan Blondell) ist ein mäßig erfolgreiches Showgirl, Ruth (Bette Davis) Sekretärin und Vivian (Ann Dvorak) auf den ersten Blick die Glücklichste: Sie ist mit einem erfolgreichen Anwalt verheiratet und Mutter eines reizenden Jungen. Dennoch nagt die Langeweile an ihr. Als sich die Chance ergibt, ihr altes Leben hinter sich zu lassen, ergreift sie diese und gerät in eine gefährliche Abwärtsspirale aus Sex, Partys, Alkohol und Drogen. Ein schnelles, schmutziges Drama mit einer großartigen Ann Dvorak, die ein Jahr zuvor mit Scarface bekannt geworden war.
DESIGN FOR LIVING (Serenade zu dritt, Ernst Lubitsch, USA 1933, 25. & 31.7.) Die Werbezeichnerin Gilda (Miriam Hopkins) lernt auf einer Zugfahrt den Maler George (Gary Cooper) und den Dramatiker Tom (Fredric March) kennen. Da die Männer an ihr, und sie an beiden Männern Gefallen findet, beschließen sie, zu dritt zusammenzuleben – ohne Sex, versteht sich. Das funktioniert natürlich nicht wie geplant und Gilda heiratet aus Verzweiflung kurzerhand ihren langweiligen Chef. Aus dieser Ehe wird sie nach kurzer Zeit von Tom und George "befreit", und sie kehren zurück zum einzigen für sie richtigen Lebensmodell: der Beziehung zu dritt. Mit Eleganz, Intelligenz und stilistischer Brillanz präsentiert Lubitsch eine Lösung, die im heutigen Hollywood kaum vorstellbar ist. (al)
Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds.
Deutsche Untertitel: Mikesch Rohmer