PERSONA (Ingmar Bergman, Schweden 1966, 1. & 11.1.) Die Schauspielerin Elisabeth und ihre Krankenschwester Alma haben sich auf eine Insel zurückgezogen, um dem psychisch bedingten Sprachverlust von Elisabeth mit Pflege und Erholung zu begegnen. Isoliert von der Umwelt entwickelt sich zwischen den beiden eine Beziehung gegenseitiger Abhängigkeit bis hin zur Verschmelzung der Identitäten. Aufnahmen von Gesichtern und Körpern als Spiegel der Seelenzustände kulminieren in der Ineinanderblendung der beiden. IN EINEM JAHR MIT 13 MONDEN (Rainer Werner Fassbinder, BRD 1978, 3. & 7.1.) Einen Körper als vernarbten Kampfplatz des Lebens entwirft RWF in der oft als sein persönlichstes Film-melodram bezeichneten Geschichte des/der Transsexuellen Elwira/Erwin, die/der nach einer düsteren Kindheit im Kloster und glücklosen Erwachsenenzeit als Metzger in Casablanca eine Geschlechtsumwandlung vom Mann zur Frau vornehmen lässt. 19 Szenen oder besser gesagt Leidensstationen konstituieren die letzten fünf Lebenstage der/s Protagonistin/en, 19 Fragmente des Unglücks, der Zurückweisung, der Krise, die sich in einen zunehmend versehrten Körper einschreiben. RAGING BULL (Wie ein wilder Stier, USA 1980, 4. & 14.1.) Das Leben ist ein Kampf und der Körper ein Instrument, ihn zu führen: Jake LaMotta (Robert De Niro) dekliniert sein Credo innerhalb und außerhalb des Boxrings und gerät damit auf eine selbstzerstörerische Talfahrt vom aggressiven Jungboxer zum abgehalfterten "Entertainer", der nacheinander seine Frau, seinen Bruder und schließlich seine Boxkämpfe verliert. Basierend auf der Autobiografie eines Mittelgewichtsboxers entwickelt Scorsese ein in hartes Schwarzweiß gefasstes Psychogramm eines Mannes, dessen "Physiogramm" De Niro in einer drastischen darstellerischen Tour de Force ausleuchtet. FREAKS (Tod Browning, USA 1932, 5. & 8.1.) Kleinwüchsige, siamesische Zwillinge, lebende Torsi – Brownings Horrormelodram kreist um eine verschworene Gruppe physisch Beeinträchtigter, die als Jahrmarksattraktionen ausgestellt und von ihren "normalgestaltigen" Zirkuskollegen ausgenutzt und betrogen werden. Als skandalös empfand das zeitgenössische Publikum, wie unumwunden die körperliche Versehrtheit der "Freaks" dargestellt, ihr Alltagsleben, ihre Sehnsucht nach Liebe und Leidenschaft inszeniert wurden – kurz nach der Premiere begann eine 30-jährige Zensurgeschichte des Films. DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM (Paul Wegener, Carl Boese, D 1920, 10. & 15.1., am Klavier: Eunice Martins) Wegeners Verfilmung der alten jüdischen Legende um die menschenähnliche Lehmgestalt gehört zu den erfolgreichsten Filmen der 1910er und 1920er Jahre. Seine Verkörperung der raumgreifenden, schweren Gestalt von verhaltener Energie, langsamen Gesten und maskenhafter Mimik ist in Darstellung wie Konstruktion dem Expressionismus ebenso wie der romantischen Schauerliteratur verwandt und erscheint heute als eine frühe Vision der mittlerweile gängigen Mensch-Maschine. BEAU TRAVAIL (Claire Denis, F 1999, 12. & 18.1.) Schöne Arbeit – der Titel dieses Dramas um einen heimatlos gewordenen Legionär verweist auf die leitmotivisch wiederkehrenden Bilder der Arbeit der Fremdenlegionäre an ihren Körpern: In einer Mischung aus Drill und Eleganz absolvieren sie ihr Training – einsame Fremdkörper in der afrikanischen Wüstenlandschaft, gefangen in ihrem eigenen Leben. GOSHOGAOKA (Sharon Lockhart, USA 1997, 20. & 25.1.) In sechs jeweils zehnminütigen Einstellungen durchläuft ein japanisches Mädchen-Basketballteam verschiedene Trainingsabläufe und -einheiten. Es entsteht eine präzise Studie des Zusammenklangs der Stimmen und Körperbewegungen der jungen Frauen, eine veritable Choreografie, die eigenen Rhythmen und Gesetzen folgt. Eine strukturalistische (De-)Konstruktion der Körperbewegungen, in der die Aktion in ihrer ruhigen Gleichmäßigkeit scheinbar zum völligen Stillstand gerinnt und die einzelnen Sportlerinnen im kollektiven Ganzen aufgehen. A WOMAN UNDER THE INFLUENCE (John Cassavetes, USA 1974, 21. & 28.1.) Gena Rowlands ist die Frau unter Einfluss – in einer darstellerischen Tour de Force von irritierender Körperlichkeit kanalisiert sie neurotische Schübe, aufgestaute Aggressionen und erdrückende mütterliche Fürsorge. Sie lacht und weint, zittert und schreit, Spuren des keimenden Wahnsinns bestimmen jede ihre Bewegungen. Ihre nervöse Aufgewühltheit überträgt sich nicht nur auf ihr filmisches Umfeld, sondern auf den anwesenden Zuschauer, der zweieinhalb Stunden später als "spectator under the influence" den Kinosaal verlässt. 42ND STREET (Lloyd Bacon, USA 1933, 23. & 24.1.) Ein Heer von Tänzerinnen und ein 90-Mann-Orchester gehörten zur Minimal-Ausstattung des Choreografen Busby Berkeley, des Revolutionärs des US-Musicals der 30er Jahre. So auch in 42ND STREET, in dessen Mittelpunkt ein Vamp, ein cholerischer Regisseur und eine junge Tänzerin stehen. Der wirkliche Star des Films indes ist Berkeleys corps de ballet: ein homogener Tanzkörper, der einzig in den spektakulär ornamentalen Formationen existiert. HIROSHIMA MON AMOUR (Alain Resnais, F/Japan 1959, 29. & 31.1.) Ineinander verschlungene Körper in der Dunkelheit – Resnais kontrastiert die berühmten anfänglichen Bilderblitze großer Intimität und Nähe mit gleißend-hellen Bilderfolgen über Hiroshima, mit Bildern zerstörter Körper, verschwundener Menschen. In der Folge schreiben sich die Dokumente der Katastrophe des Atombombenabwurfs gleich-sam in die Körper der Liebenden ein, setzen sie scheinbar nachträglich der damaligen Zerstörung aus. Für seine Reflexion über die Erinnerung (und das Vergessen) wählte Resnais eine mosaikhafte Rückblendenstruktur, die die Liebesgeschichte einer Französin und eines Japaners in Hiroshima, Ausschnitte ihrer jeweiligen Lebensgeschichten nach Kriegsende und dokumentarische Aufnahmen Hiroshimas miteinander verwebt. (mg)