THE FORBIDDEN ROOM (Guy Maddin, Evan Johnson, CDN 2014, 2., 3. & 9.6.) Für sein Seances-Internetprojekt wählte Maddin eine so spektakuläre wie überzeugende Methode der Annäherung an das übergroße Spektrum verlorener Werke aus der Zeit des frühen Kinos: Inspiriert vom Geist der verlorenen Filme entwarf er jeweils eigene Kurz-Versionen diverser Titel. THE FORBIDDEN ROOM hat sich unmittelbar aus der Arbeit am Seances-Projekt entwickelt: Entstanden ist ein fantastisch-entfesselter Handlungsreigen, ausgehend von realen oder imaginierten Erinnerungen an verschollene Filme. Eine viragierte, alle Zeichen der Bildzersetzung tragende, anarchische Hommage an den frühen Film.
METROPOLIS (Fritz Lang, D 1927, mit der Musik von Gottfried Huppertz, 3. & 5.6.) Jahrzehntelang existierte Langs früher Science-Fiction nur als Torso: Bereits kurz nach der Uraufführung wurde der Film rabiat getrimmt, die gekürzten Szenen verschwanden. Über 80 Jahre später tauchte im Archiv des argentinischen Filmmuseums in Buenos Aires eine Fassung von METROPOLIS auf, die der Urfassung sehr nahe kommt und eine neue Betrachtung des Klassikers um die Zukunftsstadt Metropolis erlaubt, in der versklavte Arbeitermassen in einer lichtlosen Unterstadt gegen die sich in Luxus ergehende Gesellschaft in der Oberstadt aufbegehren.
GHASHIRAM KOTWAL (K. Hariharan, Mani Kaul, Indien 1977, 4. & 8.6.) Seit dem ersten Jahr seines Bestehens hat das Forum deutsch untertitelte Kopien der Forumsfilme hergestellt. Mittlerweile zeigt sich, dass einige dieser Filme nur in diesen deutsch untertitelten Fassungen im Arsenal überlebt haben, darunter Ghashiram Kotwal. Eine digitalisierte und restaurierte Fassung des Films konnte vor kurzem an das indische Filmarchiv in Pune übergeben werden. Die filmische Umsetzung eines Bühnenstücks beschreibt die Herrschaft der Peshwas in Westindien im ausgehenden 18. Jahrhundert, einer Zeit, die sowohl von Intrigen und Dekadenz als auch vom Einfall der britischen Kolonisatoren beherrscht war.
LES PLAGES D'AGNÈS (Die Strände von Agnès, Agnès Varda, F 2008, 6. & 11.6.) Buchstäblich im Rückwärtsgang unternimmt Agnès Varda eine assoziative Reise durch ihr Leben. Leitmotiv sind die Strände und das Meer, die ihr Leben geprägt haben, aber auch Ausschnitte aus zahlreichen ihrer Filme. Darunter befinden sich kurze Passagen ihrer unsichtbaren "fiction documentaire" Nausicaa von 1970, die aufgrund ihrer Kritik an der damaligen griechischen Militärdiktatur bis heute nicht zur Aufführung gelangt ist und als verloren gelten muss. In einer kurzen Szene sieht man den blutjungen Gérard Depardieu als bärtigen Hippie mit Hut in einer lebhaften Diskussion mit einer Studentin.
THE PLEASURE GARDEN (Alfred Hitchcock, GB 1925, 20. & 27.6., am Klavier: Eunice Martins) "Save the Hitchcock Nine" lautete der Spendenaufruf des BFI, um Geld für die Rekonstruktion der neun noch existierenden Stummfilme Hitchcocks zu sammeln. Für die Arbeit an Hitchcocks Debüt wurde auf fünf unterschiedliche Versionen zurückgegriffen, ca. 20 Minuten an neuem Material wurden zu Tage gefördert. Ausgangspunkt ist "The Pleasure Garden", ein Vaudeville-Theater, wo Beine geschwungen und Blicke geworfen werden, Verbindungen entstehen, aber auch Melodram und Mord ihren Ursprung nehmen.
JAHRGANG 45 (Jürgen Böttcher, DDR 1966/90, 10. & 18.6.) Böttchers einziger Spielfilm gehört zu den zwölf DEFA-Filmen der Jahre 1965/66, die nach dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED verboten wurden. Von Seiten des Ministeriums hieß es u.a.: "JAHRGANG 45 ist die Heroisierung der Abseitigen!", worauf der Film 25 Jahre im Giftschrank landete. Die vermeintlich "Abseitigen" sind der Automechaniker Al und die Krankenschwester Li, die in einer winzigen Altbauwohnung in Berlin, Prenzlauer Berg leben und deren Beziehung nach zwei Jahren Ehe in einer Krise steckt. Ratlos und rastlos sind beide von einer undefinierbaren Sehnsucht nach einem anderen Leben getrieben, deren Erfüllung die sie umgebende Gesellschaft nicht zuläßt.
KURUTTA IPPEIJI (Eine Seite des Wahnsinns, Teinosuke Kinugasa, Japan 1926, 12. & 21.6.) Von den tausenden Filmen, die in den 10er und 20er Jahren in Japan gedreht wurden, ist nur ein erschreckend geringer Prozentsatz erhalten. Erdbeben und Feuer haben ganze Archivbestände ausgelöscht, so auch Kinugasas Meisterwerk des frühen experimentellen Spielfilms. So glaubte man zumindest – bis der Regisseur Anfang der 70er an naheliegendem Ort Material seines Films entdeckte: beim Aufräumen seines eigenen Archivs! Ohne Zwischentitel und in einer radikalen Bildsprache erzählt Kinugasa die Geschichte einer Frau, die im Wahn ihr Kind umbringt und daraufhin in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen wird. Ihr Mann folgt ihr, um sie zu befreien.
OKTJABR (Oktober, Sergej Eisenstein, UdSSR 1927, 13. & 19.6.) Eisensteins kühn-experimentelle Darstellung der Oktoberrevolution von 1917, entstanden an Originalschauplätzen und mit Veteranen der historischen Ereignisse, wurde nach der Uraufführung prompt mit dem berüchtigten Formalismus-Vorwurf belegt und verschwand aus den Kinos. Über die folgenden Jahrzehnte kursierte eine von Eisenstein selbst hergestellte, umgeschnittene Exportfassung, die ihrerseits in den verschiedenen Ländern weiter verändert wurde. Die vorliegende Restaurierung von 2012 kombiniert Fassungen aus München, Berlin, Amsterdam und Moskau. Eine Wiederentdeckung ist auch die rekonstruierte Musik von Edmund Meisel, die mit starker Rhythmisierung und geräuschhafter Klanglichkeit seinerzeit ebenfalls umstritten war.
TOUCH OF EVIL (Orson Welles, USA 1958, 7. & 11.6.) 58 Seiten umfasste das Memorandum, das Welles an Universal Pictures schickte, nachdem er den von ihm nicht autorisierten Umschnitt seines Films samt Kürzungen gesehen hatte. Universal sah indes keinen Anlass, den Einspruch des Regisseurs zu berücksichtigen und brachte Touch of Evil in der von Welles scharf kritisierten Form in die Kinos. Diese Fassung war bis in die 90er Jahre im Einsatz, bis Cutter Walter Murch sich auf der Basis des Welles’schen Memos an die Rekonstruktion des legendären späten Film noir machte. Mittelpunkt des komplexen Thrillers ist ein Mordfall in einer Kleinstadt an der mexikanischen Grenze, der zu einem tödlichen Duell zwischen einem jungen mexikanischen Rauschgiftfahnder und einem alten amerikanischen Polizeichef wird.
HAMLET (Svend Gade, Heinz Schall, D 1921, 25. & 30.6., am Klavier: Eunice Martins) Asta Nielsen, Schauspielerin, Filmautorin, Produzentin, gilt als erster Kinostar der Filmgeschichte und Filmkünstlerin von internationaler Bedeutung, die zudem eine völlig neuartige Schauspielästhetik, basierend auf großer physischer Präsenz, entwickelt hat. Im Zuge der verstärkten Auseinandersetzung mit Asta Nielsen wurden in den letzten Jahren neue Fassungen von Filmen oder Fragmente verschollener Filme mit Asta Nielsen entdeckt und restauriert. So auch HAMLET, von dem 2005 eine viragierte, getonte und schablonenkolorierte Nitratkopie auftauchte. Die neue Fassung zeigt eine herausragende Asta Nielsen in der Rolle des Hamlet. ISTORIJA ASI KLJATSCHINOI, KOTORAJA LJUBILA, DA NE WYSCHLA SAMUSH (Die Geschichte Assja Kljatschinas, die liebte, aber nicht heiratete, Andrej Michalkow-Kontschalowski, UdSSR 1967, 26. & 29.6.) Das ländliche Russland in den 60er Jahren: Die lebenslustige Assja steht schwanger zwischen zwei Männern und entscheidet sich schließlich für sich selbst. Eine Hommage an das einfache Leben, den Alltag und dessen Details, an die Individualität, die sich über die Zwänge des Kollektivs hinwegsetzt. Die Darstellung des ungeschönten und unheroischen Landlebens und eines neuen Typs Frau überforderte die staatlichen Zensoren, die den Film kurz nach seiner Uraufführung in die sowjetischen Archive verbannten. (mg)
METROPOLIS (Fritz Lang, D 1927, mit der Musik von Gottfried Huppertz, 3. & 5.6.) Jahrzehntelang existierte Langs früher Science-Fiction nur als Torso: Bereits kurz nach der Uraufführung wurde der Film rabiat getrimmt, die gekürzten Szenen verschwanden. Über 80 Jahre später tauchte im Archiv des argentinischen Filmmuseums in Buenos Aires eine Fassung von METROPOLIS auf, die der Urfassung sehr nahe kommt und eine neue Betrachtung des Klassikers um die Zukunftsstadt Metropolis erlaubt, in der versklavte Arbeitermassen in einer lichtlosen Unterstadt gegen die sich in Luxus ergehende Gesellschaft in der Oberstadt aufbegehren.
GHASHIRAM KOTWAL (K. Hariharan, Mani Kaul, Indien 1977, 4. & 8.6.) Seit dem ersten Jahr seines Bestehens hat das Forum deutsch untertitelte Kopien der Forumsfilme hergestellt. Mittlerweile zeigt sich, dass einige dieser Filme nur in diesen deutsch untertitelten Fassungen im Arsenal überlebt haben, darunter Ghashiram Kotwal. Eine digitalisierte und restaurierte Fassung des Films konnte vor kurzem an das indische Filmarchiv in Pune übergeben werden. Die filmische Umsetzung eines Bühnenstücks beschreibt die Herrschaft der Peshwas in Westindien im ausgehenden 18. Jahrhundert, einer Zeit, die sowohl von Intrigen und Dekadenz als auch vom Einfall der britischen Kolonisatoren beherrscht war.
LES PLAGES D'AGNÈS (Die Strände von Agnès, Agnès Varda, F 2008, 6. & 11.6.) Buchstäblich im Rückwärtsgang unternimmt Agnès Varda eine assoziative Reise durch ihr Leben. Leitmotiv sind die Strände und das Meer, die ihr Leben geprägt haben, aber auch Ausschnitte aus zahlreichen ihrer Filme. Darunter befinden sich kurze Passagen ihrer unsichtbaren "fiction documentaire" Nausicaa von 1970, die aufgrund ihrer Kritik an der damaligen griechischen Militärdiktatur bis heute nicht zur Aufführung gelangt ist und als verloren gelten muss. In einer kurzen Szene sieht man den blutjungen Gérard Depardieu als bärtigen Hippie mit Hut in einer lebhaften Diskussion mit einer Studentin.
THE PLEASURE GARDEN (Alfred Hitchcock, GB 1925, 20. & 27.6., am Klavier: Eunice Martins) "Save the Hitchcock Nine" lautete der Spendenaufruf des BFI, um Geld für die Rekonstruktion der neun noch existierenden Stummfilme Hitchcocks zu sammeln. Für die Arbeit an Hitchcocks Debüt wurde auf fünf unterschiedliche Versionen zurückgegriffen, ca. 20 Minuten an neuem Material wurden zu Tage gefördert. Ausgangspunkt ist "The Pleasure Garden", ein Vaudeville-Theater, wo Beine geschwungen und Blicke geworfen werden, Verbindungen entstehen, aber auch Melodram und Mord ihren Ursprung nehmen.
JAHRGANG 45 (Jürgen Böttcher, DDR 1966/90, 10. & 18.6.) Böttchers einziger Spielfilm gehört zu den zwölf DEFA-Filmen der Jahre 1965/66, die nach dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED verboten wurden. Von Seiten des Ministeriums hieß es u.a.: "JAHRGANG 45 ist die Heroisierung der Abseitigen!", worauf der Film 25 Jahre im Giftschrank landete. Die vermeintlich "Abseitigen" sind der Automechaniker Al und die Krankenschwester Li, die in einer winzigen Altbauwohnung in Berlin, Prenzlauer Berg leben und deren Beziehung nach zwei Jahren Ehe in einer Krise steckt. Ratlos und rastlos sind beide von einer undefinierbaren Sehnsucht nach einem anderen Leben getrieben, deren Erfüllung die sie umgebende Gesellschaft nicht zuläßt.
KURUTTA IPPEIJI (Eine Seite des Wahnsinns, Teinosuke Kinugasa, Japan 1926, 12. & 21.6.) Von den tausenden Filmen, die in den 10er und 20er Jahren in Japan gedreht wurden, ist nur ein erschreckend geringer Prozentsatz erhalten. Erdbeben und Feuer haben ganze Archivbestände ausgelöscht, so auch Kinugasas Meisterwerk des frühen experimentellen Spielfilms. So glaubte man zumindest – bis der Regisseur Anfang der 70er an naheliegendem Ort Material seines Films entdeckte: beim Aufräumen seines eigenen Archivs! Ohne Zwischentitel und in einer radikalen Bildsprache erzählt Kinugasa die Geschichte einer Frau, die im Wahn ihr Kind umbringt und daraufhin in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen wird. Ihr Mann folgt ihr, um sie zu befreien.
OKTJABR (Oktober, Sergej Eisenstein, UdSSR 1927, 13. & 19.6.) Eisensteins kühn-experimentelle Darstellung der Oktoberrevolution von 1917, entstanden an Originalschauplätzen und mit Veteranen der historischen Ereignisse, wurde nach der Uraufführung prompt mit dem berüchtigten Formalismus-Vorwurf belegt und verschwand aus den Kinos. Über die folgenden Jahrzehnte kursierte eine von Eisenstein selbst hergestellte, umgeschnittene Exportfassung, die ihrerseits in den verschiedenen Ländern weiter verändert wurde. Die vorliegende Restaurierung von 2012 kombiniert Fassungen aus München, Berlin, Amsterdam und Moskau. Eine Wiederentdeckung ist auch die rekonstruierte Musik von Edmund Meisel, die mit starker Rhythmisierung und geräuschhafter Klanglichkeit seinerzeit ebenfalls umstritten war.
TOUCH OF EVIL (Orson Welles, USA 1958, 7. & 11.6.) 58 Seiten umfasste das Memorandum, das Welles an Universal Pictures schickte, nachdem er den von ihm nicht autorisierten Umschnitt seines Films samt Kürzungen gesehen hatte. Universal sah indes keinen Anlass, den Einspruch des Regisseurs zu berücksichtigen und brachte Touch of Evil in der von Welles scharf kritisierten Form in die Kinos. Diese Fassung war bis in die 90er Jahre im Einsatz, bis Cutter Walter Murch sich auf der Basis des Welles’schen Memos an die Rekonstruktion des legendären späten Film noir machte. Mittelpunkt des komplexen Thrillers ist ein Mordfall in einer Kleinstadt an der mexikanischen Grenze, der zu einem tödlichen Duell zwischen einem jungen mexikanischen Rauschgiftfahnder und einem alten amerikanischen Polizeichef wird.
HAMLET (Svend Gade, Heinz Schall, D 1921, 25. & 30.6., am Klavier: Eunice Martins) Asta Nielsen, Schauspielerin, Filmautorin, Produzentin, gilt als erster Kinostar der Filmgeschichte und Filmkünstlerin von internationaler Bedeutung, die zudem eine völlig neuartige Schauspielästhetik, basierend auf großer physischer Präsenz, entwickelt hat. Im Zuge der verstärkten Auseinandersetzung mit Asta Nielsen wurden in den letzten Jahren neue Fassungen von Filmen oder Fragmente verschollener Filme mit Asta Nielsen entdeckt und restauriert. So auch HAMLET, von dem 2005 eine viragierte, getonte und schablonenkolorierte Nitratkopie auftauchte. Die neue Fassung zeigt eine herausragende Asta Nielsen in der Rolle des Hamlet. ISTORIJA ASI KLJATSCHINOI, KOTORAJA LJUBILA, DA NE WYSCHLA SAMUSH (Die Geschichte Assja Kljatschinas, die liebte, aber nicht heiratete, Andrej Michalkow-Kontschalowski, UdSSR 1967, 26. & 29.6.) Das ländliche Russland in den 60er Jahren: Die lebenslustige Assja steht schwanger zwischen zwei Männern und entscheidet sich schließlich für sich selbst. Eine Hommage an das einfache Leben, den Alltag und dessen Details, an die Individualität, die sich über die Zwänge des Kollektivs hinwegsetzt. Die Darstellung des ungeschönten und unheroischen Landlebens und eines neuen Typs Frau überforderte die staatlichen Zensoren, die den Film kurz nach seiner Uraufführung in die sowjetischen Archive verbannten. (mg)