SAJAT NOVA (Die Farbe des Granatapfels, Sergej Paradshanow, UdSSR 1968, 1., 2. & 3.11.) In einer Reihe von mal surrealistischen, mal liebevoll-ironischen, immer opulent-exzessiven Tableaux vivants zeigt der Bildvirtuose Paradshanow Stationen aus dem Leben des armenischen Lyrikers, Dichters, Komponisten und Sängers Arathin Sayadin, der im 18. Jahrhundert zunächst an einem Königshofe lebte, später als fahrender Sänger durch die Lande zog, schließlich ermordet und zum Märtyrer wurde. Weniger Biografisches steht im Mittelpunkt als das poetische Universum des Dichters, welches Paradshanow in magische bewegte Stillleben, sorgfältige Kompo-sitionen aus Kleidern, Teppichen, Büchern, Blumen, Tieren und Menschen übersetzt. Wir zeigen die 2014 von der Cineteca di Bologna/
L'Immagine Ritrovata sowie dem Film Foundation's World Cinema Project restaurierte Kopie. PSYCHO (Alfred Hitchcock, USA 1960, 3. & 8.11.) Kaum ein anderes Maler-Œuvre hat ein vergleichbares Echo im Film gefunden wie das von Edward Hopper. Auch bei Hitchcock finden sich zahlreiche Hopper-Allusionen, so auch in PSYCHO, der verschiedentlich als sein "hoppereskester" Film beschrieben wird. Hitchcocks Stadtpanoramen und seine Art, die Protagonisten des Films – vor allem den Motelbesitzer Norman Bates (Anthony Perkins) und die flüchtige Diebin Marion Crane (Janet Leigh) – in Räumen zu positionieren, lassen an Hoppers Bildkompositionen denken. Unübersehbar zitiert Hitchcock mit Bates' Wohnhaus Hoppers berühmtes Bild "House by the Railroad" (1925). Drohend-übermächtig und gleichzeitig einsam aus der Welt gefallen ragt es in Bild und Film in die Szenerie und überschattet in PSYCHO das Motel, in dem es zu der wohl berühmtesten Duschszene der Filmgeschichte kommt. SHIRLEY – VISIONS OF REALITY (Gustav Deutsch, Österreich 2013, 4. & 10.11.) "In Momentaufnahmen aus dem Leben der fiktiven Person Shirley, einer Schauspielerin, verbindet der Film 13 Gemälde Edward Hoppers zu einer faszinierenden Synthese von Malerei und Film, persönlicher und politischer Geschichte. Die Stationen aus Shirleys beruflichem und privatem Leben in den 30er bis 60er Jahren sind jeweils genau datiert. Es handelt sich immer um den 28./29. August eines Jahres an unterschiedlichen Orten wie Paris, New York, Cape Cod. Eine höchst elegante 'Animation' der besonderen Art, die sich im Übergang von Einzelbild zum Film die den Hopper'schen Gemälden scheinbar inhärente filmisch-narrative Qualität zunutze macht." (Anna Hoffmann) MY DARLING CLEMENTINE (John Ford, USA 1946, 4. & 12.11.) Frederic Remington gehört zu
den bekanntesten amerikanischen Malern von Wildwest-Sujets. Seine Reiterszenen, Militärformationen, Lagerfeuersituationen oder Landschaftspanoramen haben Anfang des 20. Jahrhunderts das Bild des Wilden Westens geprägt und finden sich auch in den Filmen von John Ford wieder. So z.B. in MY DARLING CLEMENTINE, Fords großem mytho-poetischen Western, in dem der Viehtreiber Wyatt Earp (Henry Fonda) eine Sheriffstelle in der Wüstenstadt Tombstone annimmt, um seinen getöteten Bruder zu rächen. Mit Hilfe des lokalen Arztes Doc Holliday kommt er den Mördern seines Bruders auf die Spur. Jenseits des unausweichlichen Showdowns bleibt vor allem Fords Beschreibung alltäglicher Szenen in Erinnerung, beim Friseur, im Saloon und beim Tanz. GOYA (Konrad Wolf, DDR 1971, 5. & 11.11.) Basierend auf dem Roman von Lion Feuchtwanger zeigt Konrad Wolf den spanischen Maler als Mann des Widerspruchs, als zerrissenen Künstler – oszillierend zwischen Königstreue und Karriere auf der einen, Kritik an Kirche und Staat auf der anderen Seite. Jenseits der literarischen Adaption liefert Wolf in seinem opulenten Historienfilm eine weitere Übersetzungs- bzw. Integrationsleistung: Mit fast 80 Gemälden, Bildern und Zeichnungen von Goya durchwirkt Wolf seine farbenprächtige Künstlerbiografie, die sich vom ausstatterischen Superlativ immer mehr auf die Figur des einsamen und zweifelnden Goya konzentriert und spätestens hier zur Gegenwartsparabel wird. DIE STRASSE (Karl Grune, D 1923, 13. & 18.11., am Klavier: Eunice Martins) Im schlichten Filmtitel steckt nicht nur der Hinweis auf Handlungs- bzw. Ausgangspunkt dieses Kleinbürgerdramas um einen Provinzler, der sich auf den großstädtischen Straßen hoffnungslos im Dickicht von Kriminalität und Prostitution verfängt. Der Titel verweist auch auf eine malerische Inspirationsquelle: Ernst Ludwig Kirchners berühmte expressionistische Straßenszenen-Werkreihe, auf deren Motivik, Komposition und Darstellung Regisseur Grune sowie die Filmarchitekten Karl Görge und Ludwig Meidner bei der Gestaltung der Straßenschluchten und Interieurs zurückgegriffen haben. CARAVAGGIO (Derek Jarman, GB 1986, 14. & 19.11.) Doppelte Hommage sowohl an Caravaggio (1571–1610) als auch an das von ihm zur Meisterschaft gebrachte Chiaroscuro, eine dramatisierende Hell-Dunkel-Akzentuierung. Jarman greift für die Darstellung des zerrissenen Lebens des Barockmalers immer wieder auf dieses Stilmittel zurück und beleuchtet jeweils nur Teile der Szenerie. Auf diese Weise wird Caravaggios Dreiecksbeziehung zu einem Dieb und einer Prostituierten sowie sein Leben in der Welt seiner reichen Förderer ins Licht gesetzt. UNE PARTIE DE CAMPAGNE (Eine Landpartie, Jean Renoir, F 1936, 15. & 24.11.) 60 Jahre liegen zwischen den impressionistischen Bildern von Auguste Renoir und dem Film seines Sohnes Jean, der die Schaukel, den Fluss, die Ruderer und die Spaziergänger in den Gemälden seines Vaters in Bewegung setzt. Die luftige, befreite Atmosphäre der malerischen Vorlage wendet Renoir Jr. ins Melancholische: Ein Sommerausflug en famille wird zum Mahnmal einer verlorenen Liebe. Vorfilm: LA PETITE MARCHANDE D’ALLUMETTES (Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern, Jean Renoir, F 1928). Drei Kurzfilme von Jürgen Böttcher (16. & 25.11.): VENUS NACH GIORGIONE (DDR 1981), DIE FRAU AM KLAVICHORD (DDR 1981), KURZER BESUCH BEI HERMANN GLÖCKNER (DDR 1985) Unter dem Arbeitstitel "Verwandlung" realisierte Böttcher Anfang der 80er Jahre drei Übermalungen von Kunstpostkarten vor laufender Kamera. Verwandelt werden Werke verehrter Meister: von Paulus Potter (1625–54), Giorgione (ca. 1477–1510) und Emanuel de Witte (um 1617–92). Böttcher überlagert die Bilder mit seinem eigenen Schaffensprozess, spielt mit Formen, verfremdet, akzentuiert, assoziiert und lässt so Vergangenheit und Gegenwart ineinander aufgehen. Dokument eines anderen Schaffensprozesses ist auch Böttchers filmische Reverenz an Hermann Glöckner, einen der wichtigsten Akteure der bildenden Kunst der DDR. DER AMERIKANISCHE FREUND (Wim Wenders, BRD/F 1977, 21., 26. & 29.11.) "Ein schwerer amerikanischer Kunstband war lange mein Standardwerk in Sachen Edward Hopper. Das Buch hat unter verschiedenen Umzügen gelitten, vor allem aber unter den Dreharbeiten zu DER AMERIKANISCHE FREUND, als mein Kameramann Robby Müller und ich so von Hopper begeistert waren, dass wir die Bilder immer dabeihatten und sie unsere Vor-Bilder für viele Einstellungen des Filmes waren. Schließlich haben wir einige Abbildungen sogar aus dem Buch herausgetrennt und sie in Hotelzimmern und Produk-tionsbüros an die Wände gepinnt. Nachträglich wurden diese Seiten dann zwar wieder in das Buch zurückgeklebt, aber die vielen Reißzweckenlöcher zeugen immer noch von dem Missbrauch." (WW) Wenders Hopper-Reverenz kreist um den Bilderfälscher Tom Ripley (Dennis Hopper), der einen unheilbar kranken Gestalter von Bilderrahmen (Bruno Ganz) überredet, zwei Auftragsmorde auszuführen. PASSION (Jean-Luc Godard, F 1982, 22. & 28.11.) Gemälde-Re-enactment im Filmstudio: Regisseur Jerzy (Jerzy Radziwiłowicz) inszeniert mit größtmöglichem Aufwand klassische Bilder von Rembrandt, Ingres, Goya und Delacroix. Produktionsschwierigkeiten, der Arbeitskampf einer jungen Angestellten (Isabelle Huppert) und eine Affäre mit der Hotelbesitzerin Hanna (Hanna Schygulla) lenken Jerzy zusehends von seinen filmischen Untersuchungen der Kunstgeschichte, von Kompositionen und Licht ab. Eine episodenhafte Bilder- und Zitatencollage über den künstlerischen Schaffensprozess in Malerei und Film. ACCATTONE(Pier Paolo Pasolini, I 1961, 27. & 30.11.) Die "borgate", die tristen römischen Vorstadtlandschaften, sind Schauplatz in Pasolinis aufsehenerregendem Filmdebüt. Das dortige Leben und seine Bewohner hatte Pasolini in seiner ersten Zeit in Rom Anfang der 50er Jahre kennengelernt, er fühlte sich ihnen zeitlebens verbunden. Hier lebt Vittorio (Franco Citti), der sich selbst "Accattone" (Schmarotzer, Bettler) nennt und sich mit Diebstählen, Gaunereien und Zuhälterei kaum über Wasser halten kann. Seine Frau hat ihn verlassen, seine Freundin, die für ihn anschaffen gegangen ist, sitzt im Gefängnis. Als er sich in die junge Stella verliebt, versucht er – erfolglos –, sein Leben zu ändern. Von der Polizei verfolgt, verunglückt er und stirbt. Mit Laiendarstellern und vor dem Hintergrund einer kargen, neorealistisch anmutenden Vorstadtwüste entwickelt Pasolini eine eindringliche Passionsgeschichte, deren tragische Ausweglosigkeit er mit strengen, geradezu sakralen, an italienische Maler der Frührenaissance erinnernden Bildkompositionen rahmt. (mg)