BUSHIDO MUZAN (The Tragedy of Bushido, Eitaro Morikawa, Japan 1960, 1. & 2.7.) Der ambitionierte Historienfilm nimmt sich im Kontext der zahlreichen städtisch-modernen Gegenwartsdramen, die Ende der 50er und zu Beginn der 60er Jahre vom japanischen Studio Shochiku produziert wurden, zunächst wie ein Solitär aus. Doch auch in historischen Kostümen und zeittypischen Settings – mit großem Augenmerk in Szene gesetzt – sehen sich die jugendlichen Rebellen im Spannungsfeld von gesellschaftlicher Erwartung und individuellem Freiheitsdenken. Hier ist es der 16-jährige Iori, der nach dem Tod seines Feudalherren den strengen Regeln des Clans folgend, einen rituellen Selbstmord begehen soll. MEDEA (Pier Paolo Pasolini, I/F/BRD 1969, 3. & 9.7.) In seiner Neubewertung der Medea-Tragödie ergreift Pasolini unverkennbar Partei für die titelgebende Königspriesterin (Maria Callas), die Jason das Goldene Vlies übereignet, mit ihm flieht, zehn Jahre später jedoch als Hexe verbannt wird und, verzweifelt über Jasons Hochzeit mit einer Königstochter, erst ihre Nebenbuhlerin, dann ihre Kinder und schließlich sich selbst umbringt. Medeas mythische und Jasons oberflächliche, säkularisierte Welt stehen sich gegenüber – beide geprägt von Dante Ferretti, der für MEDEA seine erste alleinverantwortliche Arbeit als PD übernahm. LOST HORIZON (Frank Capra, USA 1937, 4. & 8.7.) Eine Gruppe Westler kommt nach einem Flugzeugabsturz im Himalaja-Gebiet in ein abgelegenes Tal namens Shangri-La, wo eine kleine Gemeinschaft ein scheinbar vollständig harmonisches Leben führt. Production Designer Stephen Goosson nahm sich die moderne, funktionale Architektur Europas und Nordamerikas zum Vorbild und schuf schmucklose kubische weiße Gebäude, die sinnbildlich für Friedfertigkeit, Menschlichkeit und Zeitlosigkeit stehen. ALPHAVILLE, UNE ÉTRANGE AVENTURE DE LEMMY CAUTION (Jean-Luc Godard, F/I 1965, 7. & 24.7.) Aufnahmen realer Pariser Stadtlandschaften werden zu Zukunftswelten, Alltagsgegenstände zu fremd anmutenden, futuristischen Objekten: In einer Mischung aus Film noir und Science-Fiction skizziert Godard das Phantasma einer Zukunft, gerahmt vom Voice-over des Privatdetektivs Lemmy Caution (Eddie Constantine), der von seinen Erfahrungen in Alphaville berichtet, einer Stadt, die von Professor Braun und dem alles umfassenden Computersystem "Alpha 60" beherrscht wird. Auf der Suche nach einem vermissten Agenten erhält Caution Unterstützung von Brauns Tochter Natascha (Anna Karina). PLAYTIME (Jacques Tati, F/I 1967, 5. & 11.7.) Flughafengebäude, Bürohochhäuser, Wohnungen, ein Restaurant – alles (vermeintlich) aus Glas, Chrom, Stahl und Beton, makellos und sauber. Die schöne, neue Welt, in der Jacques Tati alias Monsieur Hulot die Tücken des Fortschritts und der Gleichförmigkeit kennenlernt, wurde mit enormen finanziellen Mitteln in einer Kulissenstadt erschaffen, die in der Nähe von Paris aufgebaut wurde. Dem gigantomanischen Design entspricht die exzessive Ton-"Kulisse", die die sterile Welt kommentiert, ihre Risse aufzeigt und ad absurdum führt. DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM(Paul Wegener, D 1920, 12. & 16. 7., am Klavier: Eunice Martins) Wegeners Verfilmung der alten jüdischen Legende um die menschenähnliche Lehmgestalt gehört zu den erfolgreichsten Filmen seiner Zeit. Die schwere, raumgreifende Gestalt des maskenhaften Golems (Paul Wegener) – die dem Expressionismus ebenso wie der romantischen Schauerliteratur verwandt ist – fügt sich nahtlos in Hans Poelzigs massiv-flächige Evokation des mittelalterlichen Prager Ghettos, in dem ein Rabbi versucht, ein drohendes Unheil mit der Hilfe einer von ihm geschaffenen Menschmaschine abzuwenden. THE APARTMENT (Billy Wilder, USA 1960, 15. & 17.7.) Von Billy Wilder mit leichter Hand inszenierte Satire auf Geschäftsmoral und Duckmäusertum. Der kleine Büroangestellte Baxter (Jack Lemmon) arbeitet in einer großen Versicherungsgesellschaft. Als sich einige verheiratete Vorgesetzte für seine Wohnung interessieren, um sich dort unbeobachtet mit ihren Geliebten zu treffen, willigt er ein, weil er sich dadurch eine bessere Stelle erhofft. Für das Production Design – vom riesigen Großraumbüro bis hin zu Lemmons verkramter Junggesellenbude – zeichnete der gebürtige Ungar Alexandre Trauner verantwortlich, dessen Karriere in den 30er Jahren in Frankreich begann. QUAI DES BRUMES(Hafen im Nebel, Marcel Carné, F 1938, 19. & 21.7.) Als Deserteur der französischen Kolonialarmee auf der Flucht vor der Polizei lernt Jean (Jean Gabin) in der nebligen Hafenstadt Le Havre die junge Nelly (Michèle Morgan) kennen und lieben. Zwei Tage und eine Nacht bleiben den beiden für ihr keimendes Glück, das sich jäh ins Gegenteil wendet, als Nellys früherer Geliebter von ihrem Vormund umgebracht wird. Ein nebelverhangener Hafen, regennasse Gassen und schummrige Innenräume bilden den Hintergrund dieses melancholisch-fatalistischen Werks des sog. "poetischen Realismus", einer Strömung im französischen Kino, die sowohl mit den Namen Marcel Carné und Jacques Prévert als auch mit dem des Production Designers von QUAI DES BRUMES, Alexandre Trauner, verbunden ist. LES ENFANTS DU PARADIS (Kinder des Olymp, Marcel Carné, F 1945 | 14. & 22.7.) Boulevard du Crime: Wiege des französischen Jahrmarktstheaters im 19. Jahrhundert und erster Handlungsort von Carnés gleichnishaftem Gesamtbild vom Leben als Theater und vom Theater als Lebensbühne. Hier treffen im Jahre 1835 eine Vielzahl von Figuren aufeinander, darunter die schöne Garance (Arletty), der extrovertierte Schauspieler Frédérick Lemaître (Pierre Brasseur) und sein Gegenpart, der virtuose Pantomime Baptiste (Jean-Louis Barrault). Liebesbeziehungen, Enttäuschungen und Schicksalsschläge verbinden und trennen die fünf Protagonisten und verweben sich zu einem kunstvollen Diskurs über Kunst und Wirklichkeit, Theater und Leben. Nicht weniger kunstvoll sind Trauners beeindruckende Bauten, Kulissen und Szenerien: der Boulevard mit seinen umliegenden Theatern, Schaubuden und Verkaufsständen – entstanden in den letzten Kriegsmonaten in einem Studio in Nizza. VISKNINGAR OCH ROP (Schreie und Flüstern, Ingmar Bergman, S 1972 | 23. & 28.7.) Vier Frauen in Weiß in einem in Rot ausgekleideten Schloss: eine traumähnlich-unwirkliche Ausstattung für ein Psychodram um die unheilbar an Krebs erkrankte Agnes (Harriet Andersson), die – im elterlichen Gutshaus von einer Krankenschwester aufopferungsvoll gepflegt – Besuch von ihren Schwestern Karin (Ingrid Thulin) und Maria (Liv Ullmann) erhält. Der Todeskampf der Schwester wird für alle Beteiligten zum Spiegel ihrer ungelebten Leben und der eigenen Isoliertheit. UGETSU MONOGATARI (Erzählungen unter dem Regenmond, Kenji Mizoguchi, Japan 1953, 24. & 30.7.) Ein Dorf inmitten eines von Kriegswirren umtobten Gebietes im späten 16. Jahrhundert: Der Töpfer Genjuro und sein Schwager Tobei wollen in dieser Situation ihr Glück machen. Genjuro möchte seine Töpfereien auf dem Markt der Stadt verkaufen und so viel Geld verdienen, Tobei als Samurai zu Ruhm und Ehre kommen. Wunschträume, Fantasien und Geistergestalten leiten zunächst ihren Weg, kriegerische Gewalt, unter der vor allem ihre Frauen leiden, und menschlicher Verlust konfrontieren sie bald mit der Realität. Als Maler und zeitweiliger Theater-Bühnenbildner gestaltete Mizoguchi beide Welten, die fantastischen Szenerien wie auch die "realen" Schauplätze, mit größtmöglicher Perfektion und historischer Präzision. THE AGE OF INNOCENCE (Zeit der Unschuld, Martin Scorsese, USA 1993 | 25. & 29.7.) New York um 1870. Kurz vor seiner Hochzeit mit einer Frau aus vornehmer Familie (Winona Ryder) verliebt sich ein junger -Anwalt (Daniel Day-Lewis) in deren unkonventionelle Cousine (Michelle Pfeiffer). Die Liebe scheitert an den rigiden gesellschaftlichen Konven-tionen der Zeit. Scorsese, Kameramann Michael Ballhaus und PD Dante Ferretti durchwirken die Edith-Wharton-Verfilmung mit Reverenzen an Max Ophüls' optische Bildgestaltung in "Lola Montez" oder Luchino Viscontis überbordende Scope-Bilderwelten. SENSO(Sehnsucht, Luchino Visconti, Italien 1954, 31.7. & 2.8.) Viscontis erster Farbfilm, aber auch der erste einer Reihe von opulenten Melodramen, mit denen der italienische Regisseur die Geschichte Italiens im 19. Jahrhundert gleichzeitig opernhaft-ausstattungsreich aber auch distanziert und reflexiv beleuchtet. Im Mittelpunkt steht die Gräfin Livia Serpieri (Alida Valli), die sich in Venedig vor dem Hintergrund der Befreiungskämpfe gegen die österreichischen Besatzer 1866 in einen österreichischen Leutnant (Farley Granger) verliebt. Das Chaos des Krieges bedingt das Chaos der Gefühle, das für Livia im Wahnsinn endet. IN THE MOOD FOR LOVE (Wong Kar-wai, HK/F/Thailand 2000, 1. & 5.8.) Die vergangene Welt Hongkongs der 60er Jahre ist in gelbe, rote, grüne Schatten gehüllt. Die komplexe Farbdramaturgie grundiert den Abgesang auf eine Ära und die Geschichte einer versagten Liebe zwischen zwei Nachbarn (grandios: Maggie Cheung und Tony Leung), die erkennen, dass ihre Ehepartner sie betrügen. In ihrer Verzweiflung beginnen sie eine zaghafte Beziehung. Die zögerlich agierenden Protagonisten und die entsprechend bedächtige narrative Entwicklung lassen die ausdrucksvolle Ausstattung des Films in den Vordergrund treten. SOLO SUNNY (Konrad Wolf, DDR 1978–80, 4. & 7.8.) Zahlreiche Fotografien und Skizzen zeugen von Alfred Hirschmeiers umfangreicher Motivsuche durch den Prenzlauer Berg Ende der 70er Jahre. Reale Orte, Alltäglichkeit, Spuren der Zeit sollten den Film durchziehen und die unmittelbare, gegenwärtige Geschichte rahmen: die der Sängerin Sunny (Renate Krößner), die mit ihrer Band durch die Provinz tingelt und versucht, ihre Selbstbestimmung und künstlerische Freiheit zu bewahren und nicht bereit ist, ihre Träume kampflos aufzugeben. Aufbauend auf realen Schauplätzen und Figuren gelingt es Wolf/Kohlhaase/Hirschmeier, Stimmung und Atmosphäre Ostberlins sowie das Lebensgefühl der dort lebenden Menschen darzustellen – und sie ins Kino zu locken: Innerhalb weniger Wochen sahen über eine halbe Million DDR-Bürger den Film. CABARET (Bob Fosse, USA 1972, 6. & 8.8.) Berlin 1931: Die umschwärmte Varieté-Tänzerin Sally Bowles (Lizza Minnelli), Star des Kit-Kat-Clubs, in dem sie allabendlich auftritt, träumt von einer Karriere als "richtige" Schauspielerin. In ihrer heruntergekommenen Pension lernt sie den englischen Studenten Brian Roberts (Michael York) kennen und beginnt eine Beziehung mit ihm. Je mehr sich die politische Lage zuspitzt, desto mehr gerät ihre Beziehung unter Druck. Gedreht wurde in Berlin und den Münchner Bavaria-Studios. Die Ausstattung der Nachtclubs und die Aufnahmen der Stadt Berlin kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten leitete Rolf Zehetbauer, der Chefarchitekt der Bavaria. AMADEUS(Miloš Forman, USA 1984, 9. & 13.8.) Als Chronik eines angekündigten Mordes inszeniert Forman die letzten zehn Lebensjahre des österreichischen Komponisten und Pop-Stars des späten 18. Jahrhunderts Wolfgang Amadeus Mozart. Aus der Beicht-Perspektive seines Rivalen Salieri in nur sporadisch unterbrochenen Rückblenden aufgefächert, tritt allmählich dessen Masterplan zur Vernichtung des anarchischen und vergnügungssüchtigen Musik-Genies zu Tage. Ein Opern-Thriller, der exzessiv in prunkvollen Dekors und Farben (die für das Szenenbild verantwortlichen Patrizia von Brandenstein und Karel Cerný wurden mit einem Oscar ausgezeichnet), aber auch in Musik und Gesang schwelgt. AN AMERICAN IN PARIS (Vincente Minnelli, USA 1951, 10. & 14.8.) Minnellis Paris-Musical ist ein überbordender, kunsthistorischer Zitatenschatz (Production Design: Cedric Gibbons und Preston Ames) und adäquater Lebensraum für den Protagonisten des Films: einen amerikanischen Ex-GI (Gene Kelly), der sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Paris als Maler niederlässt und sich in eine junge Französin (Leslie Caron) verliebt. Höhepunkt des Films ist eine 16-minütige Tanzszene, in der die beiden durch eine Reihe von nachgestellten Bildern tanzen. SMOKING (Alain Resnais, F/Italien/CH 1993, 11. & 15.8.) & NO SMOKING (Alain Resnais, F/Italien/CH 1993, 12. & 16.8.) Zwei Filme, die in beliebiger Reihenfolge gesehen werden können, zwei Schauspieler (herausragend: Sabine Azéma und Pierre Arditi) plus ein Erzähler, jeweils sechs Geschichtsstränge und insgesamt 18 Rollen. Basierend auf einer Komödie des britischen Theaterautors Alan Ayckbourn und ausgehend von der Frage, ob Celia Teasdale, die gärtnernde Ehefrau des Schuldirektors Toby Teasdale, eine Zigarette rauchen soll oder nicht, präsentiert Resnais amüsante Episoden aus dem englischen Provinzleben, die um das oft vergebliche Streben nach Glück und Erfolg, das Gefangensein in Rollen und Zwängen, aber auch um Chancen zum Ausbruch kreisen. Ein in toto im Studio aufgenommener Film, der die Künstlichkeit und Theaterhaftigkeit seiner Kulissen bewusst ausspielt. PIROSMANI (Georgi Schengelaja, UdSSR 1969, 17. & 20.8.) Poetisch verdichtete und in Fragmenten erzählte Lebensgeschichte des naiven Malers Niko Pirosmanaschwili (1862–1918), der unter dem Namen Pirosmani bekannt wurde. Der Einzelgänger versucht sich in verschiedenen Berufen und scheitert doch immer wieder, flieht vor seiner eigenen Hochzeit, beginnt als Gebrauchs- und Wandmaler zu arbeiten, lässt sich ausbeuten und erniedrigen. Die Struktur, aber auch den Look des Films entwickelt Schengelaja aus den Bildern und der Ästhetik Pirosmanis: flächige Tableaus, die die Räume beinahe zweidimensional wirken lassen, lange Einstellungen und stilisierte Genrebilder. GRAND BUDAPEST HOTEL (Wes Anderson, GB/D/USA 2014, 18. & 19.8.) In einer Mischung aus bonbonfarbenem Hotelfilm, transportmittelreichem Roadmovie und verschachteltem Thriller folgt der Film den Abenteuern des Grand-Budapest-Hotel-Besitzers Zéro Moustafa, der 1932 als Page unter dem mit allen Wassern gewaschenem Concierge Gustave H. seine Zeit im Hotel beginnt. Als Madame D., ein regelmäßiger Hotelgast und Gustave H. überaus zugetan, diesem ein unbezahlbares Gemälde vererbt, beginnt eine Vielzahl von Komplikationen: Intrigen, Verfolgungsjagden, Gefängnisausbrüche, politische Verbrechen und ein Klosteraufenthalt. So kunstvoll und fabulierfreudig vier unterschiedliche Zeitebenen miteinander verbunden werden, so spielerisch, überbordend und zitatreich entfacht GRAND BUDAPEST HOTEL ein veritables Ausstattungsfeuerwerk. DOGVILLE(Lars von Trier, Dänemark/Schweden/F 2003, 19. & 31.8.) Eine nackte Bühne, eine stilisierte Theaterkulisse – lediglich mit Kreidestrichen auf den Boden gezeichnete Umrisse und vereinzelte Requisiten markieren den Raum von DOGVILLE. Eine Behauptung, eine Modellwelt und Versuchsanordnung, in der Lars von Trier ein Lehrstück in neun Akten entfaltet. Grace (Nicole Kidman) ist auf der Flucht und findet in der Kleinstadt Dogville in den Rocky Mountains Unterschlupf. Die Haltung der Bewohner ihr gegenüber ändert sich im Lauf der Zeit: Die Duldung ihrer Anwesenheit zu Beginn des Films weicht offener Erniedrigung und Ausbeutung. Durch das radikale Entblättern aller Kulissen wird der Illusionscharakter des Kinos sichtbar gemacht und die Täuschung des Zuschauers offengelegt. SEDMIKRÁSKY (Tausendschönchen, Věra Chytilová, ČSSR 1966, 21. & 29.8.) Zwei gelangweilte, unzertrennliche Mädchen, Marie I und Marie II, beschließen angesichts der moralischen Verdorbenheit der Welt selbst daran teilzuhaben. Sie lassen sich von Männern zum Essen einladen und machen sich dann aus dem Staub, veranstalten ein Festmahl mit aus Illustrierten ausgeschnittenen Bratenstücken, stecken Papiergirlanden in Brand und verwüsten ein in einem Saal aufgebautes üppiges kaltes Büffet: ein anarchistisches, ausschweifendes Zerstörungsfest wider alle Normen – spielerisch, ideen- und detailreich ausgestattet von Karel Lier sowie der Künstlerin und Kostümbildnerin Ester Krumbachová. OLLE HENRY (Ulrich Weiß, DDR 1983, 22. & 25.8.) Die Tragigroteske zeigt ein Berlin der unmittelbaren Nachkriegszeit und den ehemaligen Profiboxer Henry (Michael Gwisdek), der – vom Krieg aus der Bahn geworfen – nun nicht mehr zuschlagen kann. Weiß zeigt eine Nachkriegsgesellschaft und -szenerie ohne alles Aufbaupathos, deren Außenseiter im wahrsten Sinne aufs Abstellgleis geschoben werden. Hier – in einem ausrangierten Waggon, symbolträchtig gestaltet von Hans Poppe – versucht die Barfrau Xenia, Olle Henry für ein Comeback aufzubauen. DORIAN GRAY IM SPIEGEL DER BOULEVARDPRESSE (Ulrike Ottinger, BRD 1984, 23. & 26.8.) "Der Titel entspricht in der Komplexität seiner Bedeutung dem Film. Die naheliegende Assoziation ist die zu Dorian Gray, also die literarische; zum anderen der Narzissmus, das Dandytum, Fin de Siècle. Im Spiegel der Boulevardpresse – zu Prousts Zeiten bereits als Gesellschaftsnachrichten bekannt – habe ich als Beispiel genommen, um über eine neue Form von Machtausübung zu sprechen, über die spezifischen Möglichkeiten eines Medienkonzerns." (U.O.) Genannte Elemente, nebst fantastischem Bühnenrahmen, finden sich ebenfalls als Inspirationsquelle der Ausstattung – zwischen coolem Dandytum und schillerndem Pressekonzern, dessen Chefin, Dr. Mabuse (Delphine Seyrig) sich mit dem androgynen Dorian Gray (Veruschka von Lehndorff) einen Menschen erschafft, der vollkommen von ihr abhängig ist. AELITA (Jakow Protasanow, UdSSR 1924, 27. & 28.8., am Klavier: Eunice Martins) Eine kubistisch-expressionistische Science-Fiction-Satire über eine Mars-Expedition: Der junge russische Ingenieur, der an Plänen für ein bemanntes Mars-Raumschiff arbeitet, flüchtet sich in Tagträumen zum Mars. Dort verliebt er sich in die Mars-Königin Aelita, befreit Sklavenheere, entfacht eine Revolution und gründet eine Sowjetrepublik. Alexandra Exter, die die Kostüme und das Dekor entwarf, erbaute eine anti-illusionistische Welt und schuf Kostüme mit ausdrucksstarken Formen. Moskau und der Mars wurden bewusst gegensätzlich gestaltet. Während das zeitgenössische Moskau realistisch und nüchtern gezeigt wird, verkörpert die Architektur auf dem Mars eine modernistische Zukunftsvision.