MNJE DWADZAT LJET (Ich bin zwanzig Jahre alt, UdSSR 1965, 1.5., zu Gast: Marlen Chuzijew) Chuzijews bekanntester Film, das Porträt der jungen Generation Anfang der 60er Jahre, gilt als Meilenstein der sowjetischen Kinematografie, als Schlüsselwerk einer Epoche und "Zentralmassiv des Tauwetter-Kinos" (Olaf Möller). Im Mittelpunkt stehen Sergej und seine Freunde Nikolaj und Slawa, ihr Leben und Lieben, ihre Suche nach Sinn und Selbstbestimmung sowie die Auseinandersetzung mit der Elterngeneration, die Chuzijew in Form einer imaginären Begegnung zwischen Sergej und seinem gefallenen Vater, einem jungen Soldaten des Zweiten Weltkriegs, zuspitzt. Die atemberaubende filmische Annäherung an die Lebenswirklichkeit der jungen Erwachsenen in Moskau fiel bei Chruschtschow in Ungnade; der Film konnte erst nach Kürzungen und Umarbeitungen in den Kinos gezeigt werden. Das neuartige, freimütig-dynamische Bild einer Stadt, einer Generation, einer Zeit trat trotz Zensurmaßnahmen deutlich zutage – damals wie heute: Sternstunden des Kinos.
BYL MESJAZ MAJ (Es war im Monat Mai, UdSSR 1970, 2.5., zu Gast: Marlen Chuzijew) 25 Jahre nach Kriegsende greift Chuzijew die unmittelbare Nachkriegszeit auf, verlagert dabei den Schauplatz nach Deutschland: Wenige Tage nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Truppen wird eine Gruppe sowjetischer Soldaten auf einem Bauernhof einquartiert, an dem der Krieg quasi spurlos vorüber-gegangen zu sein scheint. Das vermeintlich friedliche Bild wird gespenstisch ausgehöhlt, als die Rotarmisten in befreiten Konzentrationslagern mit dem Ausmaß des Nazi-Terrors konfrontiert werden. Ein im Kontext der sowjetischen Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg ungewöhnlicher, beeindruckender Antikriegsfilm, gerahmt von dokumentarischen Aufnahmen der letzten Kriegstage in und um Berlin sowie der KZs Sachsenhausen und Buchenwald.
WESNA NA SARETSCHNOI ULIZE (Frühling in der Saretschnaja-Straße, Marlen Chuzijew, Felix Mironer, UdSSR 1956, 3.5.) Kaum mit dem Studium fertig, wird der jungen Lehrerin Tanja eine Stelle an einer Arbeiter-Abendschule in einer Industriestadt zugewiesen. Die erste Begegnung mit ihren Schülern ist ernüchternd: So rebellisch sie der jungen Lehrerin begegnen, so gleichgültig stehen sie den Lerninhalten gegenüber. Sascha, seines Zeichens bester Stahlgießer des Werkes, gehört zu den besonders ungehobelten Schülern, bis er sich in Tanja verliebt und sie hinter seinen Grobheiten Feingefühl und Aufrichtigkeit entdeckt. Gewaltige Industrieanlagen bilden den Hintergrund dieser doppelten Annäherung zweier junger Menschen, deren persönlicher "Frühling" die gesellschaftliche und politische Aufbruchstimmung nach den Entbehrungen des Zweiten Weltkriegs und dem Ende von Stalins totalitärer Herrschaft spiegelt.
DWA FJODORA (Die beiden Fjodors, UdSSR 1958, 4.5.) Kurz nach Kriegsende auf dem Weg in seine Heimatstadt trifft der demobilisierte Soldat Fjodor (Wassili Schukschin in seiner ersten großen Rolle) auf einen Namensvetter: den verwaisten und obdachlosen kleinen Fjodor. Aus der Zufallsbekanntschaft entwickelt sich die Variation einer vorsichtigen Vater-Sohn-Beziehung, die ins Wanken gerät, als der große Fjodor die junge Natascha kennenlernt. In seiner ersten alleinigen Regiearbeit lotet Chuzijew mit präzisem Blick die unmittelbare Nachkriegszeit aus: Umfassende Zerstörung und tiefe Versehrtheit allenthalben bilden den Ausgangspunkt eines beginnenden Wiederaufbaus und des Tastens nach neuen, individuellen Strukturen und Bindungen.
IJULSKI DOSHD (Juliregen, UdSSR 1966, 5.5.) Als Fortführung von ICH BIN ZWANZIG JAHRE ALT nimmt Chuzijew in JULIREGEN erneut die jungen Erwachsenen Moskaus ins Blickfeld. Nach dem vorsichtigen Aufbruch in ICH BIN ZWANZIG JAHRE ALT überwiegen in JULIREGEN ein halbes Jahrzehnt später gegen Ende der Tauwetter-Periode Skepsis, Entfremdung, Enttäuschung und Melancholie. So auch im Leben der 27-jährigen Lena, die die Differenzen zwischen sich und ihrem zukünftigen Ehemann nicht mehr ausblenden kann und sich schließlich von ihrem Verlobten und damit ihrer vertrauten Umgebung trennt. Mit einer Serie von Tableaus, Vignetten kleiner Ereignisse, Streifzügen durch Moskau beschreibt Chuzijew die Krise einer jungen Frau.
POSLESLOWIJE (Das Nachwort, UdSSR 1983, 6.5.) Szenenwechsel bei Chuzijew, von außen nach innen – thematisch kreist der Film indes um das vertraute Sujet der Auseinandersetzung zwischen den Generationen, zwischen Eltern und Kindern. Stellvertretend stehen sich in DAS NACHWORT Schwiegersohn und Schwiegervater gegenüber, der in Moskau eigentlich seine Tochter besuchen will. Da sich diese auf Dienstreise befindet, beginnt ein Annäherungsprozess zwischen dem begeistert, interessiert und geradezu rastlos an allem Anteil nehmenden Schwiegervater und dem irritiert bis verständnislosen Schwiegersohn. "Das Ergebnis: ein meister-haftes Kammerspiel zwischen Telefon- und Schreibmaschinenterror, klaustrophobisch, explosiv und reich an umstürzlerischem Potenzial. Zudem ein Kommentar zum Leben unter Breschnew." (Barbara Wurm)
BESKONETSCHNOST (Infinitas, UdSSR 1991, 7.5.) Ein Ausverkauf im wahrsten Sinne des Wortes steht am Anfang von Chuzijews ultimativem Abschiedswerk. Quasi versehentlich wechselt das Wohnungsmobiliar des 50-jährigen Protagonisten Wladimir Iwanowitsch seinen Besitzer. "Befreit" von seinen Besitztümern, beginnt für Wladimir eine Zeitreise zunächst in seine eigene Vergangenheit, später in die seiner Vorfahren. Begleitet von einem kaum halb so alten Alter Ego, trifft Wladimir auf ehemalige Weggefährten, begibt sich von Moskau aus aufs Land, an wichtige Schauplätze seines Lebens. Die Krise des Protagonisten fällt mit dem Umbruch seines Landes zusammen. INFINITAS geht indes weit über eine zeitgeschichtliche Betrachtung hinaus und wird zu einem nachdenklichen, suggestiven "transzendentalen Übergangsritus in ein anderes Universum". (Barbara Wurm) (mg/bw)
BYL MESJAZ MAJ (Es war im Monat Mai, UdSSR 1970, 2.5., zu Gast: Marlen Chuzijew) 25 Jahre nach Kriegsende greift Chuzijew die unmittelbare Nachkriegszeit auf, verlagert dabei den Schauplatz nach Deutschland: Wenige Tage nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Truppen wird eine Gruppe sowjetischer Soldaten auf einem Bauernhof einquartiert, an dem der Krieg quasi spurlos vorüber-gegangen zu sein scheint. Das vermeintlich friedliche Bild wird gespenstisch ausgehöhlt, als die Rotarmisten in befreiten Konzentrationslagern mit dem Ausmaß des Nazi-Terrors konfrontiert werden. Ein im Kontext der sowjetischen Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg ungewöhnlicher, beeindruckender Antikriegsfilm, gerahmt von dokumentarischen Aufnahmen der letzten Kriegstage in und um Berlin sowie der KZs Sachsenhausen und Buchenwald.
WESNA NA SARETSCHNOI ULIZE (Frühling in der Saretschnaja-Straße, Marlen Chuzijew, Felix Mironer, UdSSR 1956, 3.5.) Kaum mit dem Studium fertig, wird der jungen Lehrerin Tanja eine Stelle an einer Arbeiter-Abendschule in einer Industriestadt zugewiesen. Die erste Begegnung mit ihren Schülern ist ernüchternd: So rebellisch sie der jungen Lehrerin begegnen, so gleichgültig stehen sie den Lerninhalten gegenüber. Sascha, seines Zeichens bester Stahlgießer des Werkes, gehört zu den besonders ungehobelten Schülern, bis er sich in Tanja verliebt und sie hinter seinen Grobheiten Feingefühl und Aufrichtigkeit entdeckt. Gewaltige Industrieanlagen bilden den Hintergrund dieser doppelten Annäherung zweier junger Menschen, deren persönlicher "Frühling" die gesellschaftliche und politische Aufbruchstimmung nach den Entbehrungen des Zweiten Weltkriegs und dem Ende von Stalins totalitärer Herrschaft spiegelt.
DWA FJODORA (Die beiden Fjodors, UdSSR 1958, 4.5.) Kurz nach Kriegsende auf dem Weg in seine Heimatstadt trifft der demobilisierte Soldat Fjodor (Wassili Schukschin in seiner ersten großen Rolle) auf einen Namensvetter: den verwaisten und obdachlosen kleinen Fjodor. Aus der Zufallsbekanntschaft entwickelt sich die Variation einer vorsichtigen Vater-Sohn-Beziehung, die ins Wanken gerät, als der große Fjodor die junge Natascha kennenlernt. In seiner ersten alleinigen Regiearbeit lotet Chuzijew mit präzisem Blick die unmittelbare Nachkriegszeit aus: Umfassende Zerstörung und tiefe Versehrtheit allenthalben bilden den Ausgangspunkt eines beginnenden Wiederaufbaus und des Tastens nach neuen, individuellen Strukturen und Bindungen.
IJULSKI DOSHD (Juliregen, UdSSR 1966, 5.5.) Als Fortführung von ICH BIN ZWANZIG JAHRE ALT nimmt Chuzijew in JULIREGEN erneut die jungen Erwachsenen Moskaus ins Blickfeld. Nach dem vorsichtigen Aufbruch in ICH BIN ZWANZIG JAHRE ALT überwiegen in JULIREGEN ein halbes Jahrzehnt später gegen Ende der Tauwetter-Periode Skepsis, Entfremdung, Enttäuschung und Melancholie. So auch im Leben der 27-jährigen Lena, die die Differenzen zwischen sich und ihrem zukünftigen Ehemann nicht mehr ausblenden kann und sich schließlich von ihrem Verlobten und damit ihrer vertrauten Umgebung trennt. Mit einer Serie von Tableaus, Vignetten kleiner Ereignisse, Streifzügen durch Moskau beschreibt Chuzijew die Krise einer jungen Frau.
POSLESLOWIJE (Das Nachwort, UdSSR 1983, 6.5.) Szenenwechsel bei Chuzijew, von außen nach innen – thematisch kreist der Film indes um das vertraute Sujet der Auseinandersetzung zwischen den Generationen, zwischen Eltern und Kindern. Stellvertretend stehen sich in DAS NACHWORT Schwiegersohn und Schwiegervater gegenüber, der in Moskau eigentlich seine Tochter besuchen will. Da sich diese auf Dienstreise befindet, beginnt ein Annäherungsprozess zwischen dem begeistert, interessiert und geradezu rastlos an allem Anteil nehmenden Schwiegervater und dem irritiert bis verständnislosen Schwiegersohn. "Das Ergebnis: ein meister-haftes Kammerspiel zwischen Telefon- und Schreibmaschinenterror, klaustrophobisch, explosiv und reich an umstürzlerischem Potenzial. Zudem ein Kommentar zum Leben unter Breschnew." (Barbara Wurm)
BESKONETSCHNOST (Infinitas, UdSSR 1991, 7.5.) Ein Ausverkauf im wahrsten Sinne des Wortes steht am Anfang von Chuzijews ultimativem Abschiedswerk. Quasi versehentlich wechselt das Wohnungsmobiliar des 50-jährigen Protagonisten Wladimir Iwanowitsch seinen Besitzer. "Befreit" von seinen Besitztümern, beginnt für Wladimir eine Zeitreise zunächst in seine eigene Vergangenheit, später in die seiner Vorfahren. Begleitet von einem kaum halb so alten Alter Ego, trifft Wladimir auf ehemalige Weggefährten, begibt sich von Moskau aus aufs Land, an wichtige Schauplätze seines Lebens. Die Krise des Protagonisten fällt mit dem Umbruch seines Landes zusammen. INFINITAS geht indes weit über eine zeitgeschichtliche Betrachtung hinaus und wird zu einem nachdenklichen, suggestiven "transzendentalen Übergangsritus in ein anderes Universum". (Barbara Wurm) (mg/bw)