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Kidlat Tahimiks Filme sind nicht nur "Botschaften aus der Dritten Welt", als welche DER PARFÜMIERTE ALPTRAUM seinerzeit gefeiert wurde, sondern Produkte und Spiegel einer bis ins Private hinein globalisierten Welt, freilich bevor der Begriff "Globalisierung" in aller Munde war. Wenn im ALPTRAUM durch Parallelmontage die Konstruktion eines bayrischen Zwiebelturms mit dem Bau eines Jeepney-Busses verglichen wird, oder wenn in Tahimiks zweitem Film TURUMBA (RP 1981, 4. & 12.3.) ein philippinischer Weiler zum Sweatshop wird, in dem der "Olympia-Waldi" (das Maskottchen der Olympischen Sommerspiele von München 1972) im Akkord produziert wird, so wird hier eine lange schon stattfindende Hybridisierung filmisch dargestellt.

War hier gerade zweimal von Bayern die Rede? 1972 kam Kidlat Tahimik nach einer abgebrochenen Karriere bei der Entwicklungshilfeorganisation OSZE nach München, um sich während der Olympischen Sommerspiele als Souvenirverkäufer das Startkapital für ein Künstlerleben zu verdienen. Nachdem er seine zukünftige Frau kennengelernt hatte, wurde er für einige Jahre zum Wahlbayern. Für eine Weile lebten sie in einer Kommune im Münchner Umland, wo Tahimik einige Filmstudenten kennenlernte. Diese stellten ihn ihrem Lehrer Werner Herzog vor, der Tahimik spontan eine Nebenrolle in seinem Kaspar-Hauser-Film Jeder für sich und Gott gegen alle (1974) anbot. Dass Tahimik dem deutschen Kinopublikum somit erstmals als Nasenpfeife spielender "Indio"-Häuptling begegnete, gehört zu den vielen Merkwürdigkeiten dieser bayrischen Geschichte, die er zur Einführung von TURUMBA am 4.3. selber erzählen wird.

Womöglich sollte man Tahimiks Frühwerk sogar als eine Facette des Neuen Deutschen Films rezipieren. Denn bevor er mit seiner Familie auf die Philippinen zurückkehrte, drehte er in Oberbayern seinen zweiten Film WHO INVENTED THE YOYO? WHO INVENTED THE MOON BUGGY? (RP/BRD 1978/82, 2. & 14.3.), den er jedoch erst nach TURUMBA fertigstellte. Der YOYO-Film ist von derselben Spiel- und Bastelfreude geprägt wie der PARFÜMIERTE ALPTRAUM und erzählt nun von einem Filipino in Lederhosen, der immer noch auf den Mond reisen will und der auf dem bayrischen Bauernhof auch die Hardware dafür zur Hand hat: eine Zink-Badewanne, ein ausgedientes Futtersilo, ein Huhn für die Tierversuche und genug Zwiebeln für Biogas. WHO INVENTED THE YOYO? gehört zu den sträflich übersehenen Schätzen der Filmgeschichte. Vielleicht kommt diese Deutschlandpremiere aber noch nicht zu spät, um uns davon zu überzeugen, dass der erste Mann auf dem Mond eine Frau war.

Seine nächsten beiden Filme, TURUMBA und YAN KI MADE IN HONGKONG (HK/CH 1980, 3.3.), profitierten von schweizerischer Entwicklungshilfe. In OLYMPISCHES GOLD (RP 1981, 3.3.), der TV-Fassung von TURUMBA, zuletzt ausgestrahlt im Oktober 1981, präsentiert Tahimik dem verdutzten Publikum gleich zum Auftakt sein "Bambusmikrofon" als eine Metapher für die Kulturproduktion im globalen Süden, die seither immer wieder in seinem Werk auftaucht. YAN KI endet mit einem chaplinesken Epilog, in dem Tahimik als emsiger Hosenschneider unter den Produkten seiner Akkordarbeit begraben wird. In beiden Filmen gerät die zwischen Groteske und Betroffenheit springende Filmsprache Tahimiks in einen unfreiwillig komischen Kontrast zu den deutschen Synchronstimmen.

1984 begann Tahimik mit dem essayistischen Langzeitprojekt WHY IS YELLOW AT THE MIDDLE OF THE RAINBOW? (RP 1984–1994, 5. & 17.3.). Wie konnte ein derart vielschichtiges Zeitbild der 80er Jahre, der Marcos-Diktatur auf den Philippinen, des Kalten Kriegs und der Globalisierung hierzulande so völlig übersehen werden? Der Film hat eine ähnlich ausgedehnte Entstehungsgeschichte wie BALIKBAYAN #1, wobei die Stadien des Prozesses durch die politischen Ereignisse markiert wurden – das Attentat auf den Oppositionellen Benito Aquino, die "gelbe Revolution" gegen die Marcos-Diktatur, den Abzug des US-Militärs von den Philippinen –, aber auch von Tornados und Stromausfällen und den Dramen und Epiphanien in Kidlats Familie auf ihren Reisen zwischen Arizona und Ingolstadt. Unter dem Titel "I Am Furious (Yellow)" wurde der Film in einer Frühfassung schon einmal Mitte der 80er Jahre gezeigt, dann jedoch wieder zum Work-in-progress erklärt, nachdem sich die in Präsidentin Corazon Aquino gesetzten Hoffnungen nicht erfüllten und die Menschen wieder auf die Straße gingen.

Der eine ganze Epoche umspannende Yellow-Film gibt den Anlass, um am 5.3. mit Kidlat Tahimik zentralen Motiven seines Œuvres in kürzeren Arbeiten nachzugehen, die parallel oder etwas später entstanden. TAKEDERA MON AMOUR (RP/J, 5.3.) war nicht nur der erste von mehreren "japanischen Filmen" Tahimiks, sondern auch sein erster "Tagebuch-Film". Er selbst beschrieb ihn so: "It is a diary of the bamboo connection between the crazy family of a Filipino filmmaker and the conservative family of a Buddhist priest in Japan". Auch TAKEDERA brauchte sieben Jahre Entstehungszeit (1982–1989) und Tahimik wechselte zwischendurch von 16 mm auf Video, was den Film auch zu einer Reflexion über die medialen Bedingungen seiner Arbeit werden lässt.

Auch das anschließende Kurzfilmprogramm widmet sich den Japan-Referenzen in Tahimiks Filmen und seiner eigenwilligen Form des Videotagebuchs. Dabei folgen OUR FILM-GRIMAGE TO GUIMARAS (RP/J 2006), BUBONG. ROOFS OF THE WORLD UNITE! (RP/J 2006), SOME MORE RICE (RP/J 2000) und JAPANESE SUMMERS OF FILIPINO FUNDOSHI (RP/J 1996, alle am 5.3.) der Chronologie rückwärts in die Vergangenheit: von einem "Heilritual" an der von einer Ölhavarie betroffenen Insel Guimaras, über eine kleine Philosophie der Dächer der Welt, eine Hommage an einen japanischen Reisbauern hin zu einem halbstündigen Essayfilm, der etwa in der Mitte des Gesamtwerks entstand und in dem sich dessen Charakteristika bündeln. In JAPANESE SUMMERS entdeckt Kidlat Tahimik an seinen eigenen Hüften ein Band, das Japan und die Philippinen verbindet: den Lendenschurz – japanisch "fundoshi", in Kidlats Heimat "bahag". Wie Weberschiffchen flitzen Tahimiks Assoziationen hin und her, verflechten Reisebegegnungen und Kunstaktionen, die Pobacken seiner Söhne, die Beine Marilyn Monroes, eine Bambusbrücke und die Hiroshima-Bombe zu einem erstaunlich soliden Patchwork.

Der Sonntag, 6.3., steht im Zeichen des neuen Films BALIKBAYAN #1. Die Figur des Sklaven, der seinen Herrn überrundet, ist nicht nur der Geist, der diesen Film über 40 Jahre am Leben hielt. Sie kursiert auch wie ein Gerücht durch andere Filme Tahimiks, die unterdessen entstanden. MEMORIES OF OVERDEVELOPMENT (RP 1984, 6.3.), begonnen 1980, hieß die mit einfachen, aber fabelhaften Requisiten gedrehte erste Rumpffassung, die schließlich gänzlich in den neuen Film eingegangen ist. In den beiden Video Diaries ORBIT 50: LETTERS TO MY 3 SONS (RP 1992) und CELEBRATING THE YEAR 2021, TODAY (RP 1995) sowie dem einstündigen dokumentarischen Essay BANAL KAHOY (RP/J 2003, alle 6.3.) kommen viele wiederkehrende Motive von Tahimiks Filmen zur Geltung: der staunende Blick auf die eigene Familie, die Idee der Kreisläufe und des Recycling, die Sympathie für die japanische Kultur und nicht zuletzt die Wertschätzung der Ifugao, eines Bergvolks der Kordilleren mit einer langen Geschichte des Widerstands. Der Schamane und Holzschnitzer Lopez, dem wir in seinen Filmen immer wieder begegnen und dessen Artefakte Kidlat Tahimik gerne zu den Filmvorführungen mitbringt, steht aber womöglich weniger für zeitlose indigene Weisheit, sondern ist ein Verbündeter in einem ständig sich wandelnden Kampf.

Kontextfilme: Philippinisches Kino und entferntere Verwandte

Auch wenn sich Kidlat Tahimik als filmischer Autodidakt und Selbstversorger versteht, sind seine Filme eingebunden in die heimlichen Absprachen und Wahlverwandtschaften, die es zwischen Filmen immer gibt. Einigen solchen Bezügen geht eine Auswahl an Kontextfilmen nach, wobei "Kontext" beim idiosynkratischen Gesamtwerk Tahimiks ein weiter Begriff bleiben muss.
Allein fünfmal gibt es die seltene Gelegenheit, sich mit Schlüsselfiguren des philippinischen Kinos bekannt zu machen, die Tahimik vorausgingen, oder – im Fall von Ishmael Bernal und Lino Brocka – seine  Zeitgenossen waren. Ein Höhepunkt dieser kleinen "Retro in der Retro" ist sicher Manuel Condes GENGHIS KHAN (RP 1950, 13.3.). Wenn man von diesem auf sein Gesamtwerk schließen kann, muss Conde einer der großen Meister des philippinischen Kinos gewesen sein – aber leider sind die meisten seiner Filme verschollen. Mit einem winzigen Budget gelingt es ihm hier, die Geschichte des mongolischen Führers in einem Stil zu erzählen, der an Dreyers "Passion de Jeanne d'Arc", Eisensteins Mexiko-Fragment oder Orson Welles’ Shakespeare-Verfilmungen erinnert. Gezeigt wird die für das Film Development Council of the Philippines jüngst restaurierte Fassung, die 2015 das Herzstück des philippinischen Pavillons auf der Biennale in Venedig war.

GILIW KO (RP 1939, 19.3.) ist vermutlich der älteste, heute noch existente Film aus den Philippinen – ein Schatz, der sich nur als DVD-Kopie erhalten hat. Antonio ist Dirigent eines Jazz-Orchesters in Manila. Bei einem Besuch auf der Hacienda seiner Familie entdeckt er das Gesangstalent seiner Stiefschwester und überzeugt sie, in Manila ihr Glück als Sängerin zu versuchen. Das Bambus-Radio, an dem ein Arbeiter auf der Hacienda in seiner Freizeit baut, und das Bambus-Orchester, das zur Hochzeit aufspielt, verweisen auf Metaphern wie die Bambus-Kamera, mit denen Kidlat Tahimik vier Jahrzehnte später in seinen Filmen operiert.

Die philippinische Kolonialgeschichte, in der die USA 1898 die Spanier als Kolonialherren ablösten, brachte eigentümliche Ambivalenzen im Kino hervor. Wenn GILIW KO die von den Spaniern geerbte Plantagenwirtschaft als das "Eigene" gegen Jazz und städtisches Nightlife in Anschlag bringt, so spielt auch Lamberto Avellana in A PORTRAIT OF THE ARTIST AS FILIPINO (RP 1965, 19.3.) das spanische Erbe gegen die als amerikanisch kodierten Laster der Geldgier und des Opportunismus aus. Der Film basiert auf einem erfolgreichen Theaterstück von Nick Joaquin, in dem ein prominenter, in die Jahre gekommener Maler sich in seinem Atelier in der Altstadt von Manila verbarrikadiert – gehegt von zwei unverheirateten Töchtern und belagert von Erbschleichern und Geldmachern. Der Stil des Films wäre mit dem Titel einer Kurzgeschichtensammlung Joaquins gut bezeichnet: Tropical Gothic. Gezeigt wird die von L'Immagine Ritrovata in Bologna restaurierte Fassung.

An gleicher Stelle restauriert wurde auch MANILA IN THE CLAWS OF LIGHT (RP 1975, 18.3.), das neorealistische Großstadtmelodram, das Lino Brocka international bekannt machte. Ein junger "Provinciano" kommt auf der Suche nach seiner verschwundenen Freundin in die Großstadt Manila, wo er sich mit Gelegenheitsjobs und Prostitution durchschlagen muss. Die Zeitgenossen Kidlat Tahimik und Lino Brocka markieren zwei extreme Pole des unabhängigen philippinischen Films, wenn auch beide ihre kreative Energie aus der Rebellion gegen die herrschende Ungerechtigkeit schöpfen.

Den großzügigen und offenen Genius Brockas hat Christian Blackwood in seinem Porträt SIGNED: LINO BROCKA (USA 1987, 18.3.) kongenial eingefangen. Man sieht Brocka bei Dreharbeiten zu einem der kommerziellen Auftragsfilme, mit denen er sich seine sozialkritischen Werke finanzierte. In langen Interviewpassagen spricht er darüber, wie er nach dem Krieg auf den Philippinen aufwuchs, über seinen Weg zum Film, seine Homosexualität und seine politische Arbeit, die ihn während der Marcos-Diktatur kurzzeitig ins Gefängnis brachte.

"Es gibt keine Wunder! Wir machen die Wunder selbst!" ruft Elsa in der Schlussszene von HIMALA (RP 1982, 12.3.) all denen zu, die an sie und ihre Heilkräfte geglaubt hatten. Ishmael Bernals wütende Parabel über ein philippinisches Dorf, das sich in einen Wallfahrtsort verwandelt, ist einer der großen Klassiker des philippinischen Kinos. Man denkt an die ketzerischen Filme von Pasolini und Arabal. HIMALA war in den Philippinen einer der erfolgreichsten Filme der 80er Jahre und zugleich der erste philippinische Film, der im Wettbewerb der Berlinale lief.

Die Nähe von Pathos und Pathologie, die Bernal in Szene setzt, mag auch Werner Schroeter angezogen haben, als er DER LACHENDE STERN (BRD/RP 1983, 15.3.) drehte, eine essayistische Annäherung an die Philippinen in der Endphase der Marcos-Diktatur. Eine Fülle von historisch hoch interessantem Material, zum Teil selbst gedreht, zum Teil found footage, montiert Schroeter zum Porträt einer schizophrenen Gesellschaft. Der Film steht im spannungsreichen Kontrast zu Kidlat Tahimiks offenen und improvisierten Filmkonstruktionen aus der selben Ära.

Zu den wenigen Filmemachern, denen Kidlat Tahimik in seinen Filmen eine direkte Hommage erweist, gehört der japanische Ausnahmeregisseur Shinsuke Ogawa. Bekannt wurde er durch seine Dokumentationen der politischen Kämpfe der 60er und 70er Jahre, legendär durch einen Zyklus von Langzeitdokumentationen über ein Dorf im Zao-Gebirge, in dem er die Spuren der gesamten Geschichte Japans vorfand: von frühgeschichtlichen Schalentieren über die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs bis hin zum Nachkrieg-Wirtschaftswunder. Wir zeigen DAS DÖRFCHEN FURUYASHIKI (J 1983, 10.3.), das erste dieser entschleunigten Filmabenteuer.

Mit Mohammed Ousfour und Djibril Diop Mambéty wird Tahimik in die Gesellschaft zweier Filmemacher des afrikanischen Kontinents gerückt, die wohl von ihm so wenig wussten wie er von ihnen. Ousfour gilt als der erste Marokkaner, der einen Film in Marokko gedreht hat, eine Tarzan-Verfilmung auf 8 mm, uraufgeführt 1941 in einem Innenhof in Casablanca. Seine Leidenschaft für das Kino trieb ihn zu den aberwitzigsten filmischen Wagnissen und des Öfteren in den Ruin. Zu den wenigen noch verfügbaren Filmen Ousfours gehört LE FILS MAUDIT (MA 1958, 11.3.), eine noch vom Freigeist der Stummfilmzeit beseelte Geschichte über einen jungen Mann aus nachlässigem Elternhaus, der unweigerlich auf kriminelle Abwege gerät.
Der 1998 verstorbene Mambéty ist für viele der wichtigste Filmemacher des afrikanischen Kontinents, was freilich nichts daran ändert, dass auch er zu Lebzeiten ein Randgänger blieb. Vor allem seine beiden ersten Filme, CONTRAS' CITY (Senegal 1969) und BADOU BOY (Senegal 1970, beide 11.3.), lassen an Kidlat Tahimiks Frühwerk denken. Beide Filmemacher bewundern die Cleverness der Kinder, lieben bunte, klapperige Sammeltaxis und himmeln ihre Idole an, um sie umso besser verspotten zu können. "Oh süßes Frankreich, du verträgst wohl die Sonne nicht?" Während CONTRAS' CITYeine brillante, expres-sionistische De/Montage der postkolonialen Stadt ist, kann man BADOU BOY als eine Sinfonie Dakars beschreiben, inszeniert als Spießrutenlauf im Rhythmus des Funk. 

Weit weg von Dakar, aber zur gleichen Zeit, drehte Hans-Jürgen Syberberg SAN DOMINGO (BRD 1970, 16.3.), einen Spielfilm über eine anarchistische Landkommune in Bayern. Während der Titel zu Recht an Kleist denken lässt, schießen einem in den ersten Einstellungen kurz Wagner und der Märchenkönig Ludwig in den Sinn, wenn ein blonder Eros aus Palmwedeln auftaucht. Dann entpuppt sich die Szenerie jedoch als das Münchner Palmenhaus und der Soundtrack von Amon Düül II setzt ein. In den Credits werden "die Rocker aus der Münchner Vorstadt" und "die Mitglieder der Roten Zelle Germanistik" angekündigt und man ahnt, wo es hingeht – und kommt doch aus dem Staunen darüber nicht heraus, was hier alles zusammenkommt, sich küsst, prügelt, entführt und erpresst. Gedreht von Kameramann Christian Blackwood, der auch mit SIGNED: LINO BROCKA im Programm vertreten ist, ist der Film eine Zeitreise in das Bayern, in dem auch Kidlat Tahimik Anfang der 70er Jahre gelebt hat.

Gleiches Jahr, auch auf dem Land, aber ganz woanders: 1971 nutzten Jonas und Adolfas Mekas die Einladung zu einem Filmfestival in Moskau, um erstmals seit ihrer Flucht vor den deutschen Besatzern wieder das Dorf ihrer Kindheit in Litauen zu besuchen. Beide haben darüber einen Film gedreht, wir zeigen hier Jonas Mekas' REMINISCENCES FROM A JOURNEY TO LITHUANIA (USA 1971, 14.3.), nicht nur, weil er wie die Filme Kidlat Tahimiks vom Exil, vom Reisen und Zurückkommen handelt, sondern weil er auch in seiner dem Zufall offenen Form und seinem unverwüstlichen Humor Tahimiks Travelogues verwandt ist. Und nicht zuletzt führt auch Mekas’ Reise nach Deutschland, getrieben allerdings von den Erinnerungen an die Zwangsarbeit und das vierjährige Überleben in den Lagern für "displaced persons".

Der älteste Kontextfilm, der das assoziative Universum Kidlat Tahimiks bebildern hilft, ist Raymond Bernards Stummfilmklassiker LE MIRACLE DES LOUPS (F 1924, 7.3.). Warum das? Als Kidlat Tahimik 1977 den PARFÜMIERTEN ALPTRAUM ans Forum schickte, schlug er vor, im Beiprogramm einen Film zu zeigen, den die Cinémathèque française aufbewahre (Brief von Henri Langlois lag bei), und in dem Georgette Baudry eine Schlüsselrolle spiele. Georgette Baudry betrieb in Tahimiks ALPTRAUM (wie auch im realen Leben) einen Eierstand auf einem Pariser Wochenmarkt. In Bernards schon damals mit Griffith verglichenem Epos war aber gerade sie es, die das titelgebende „Wunder der Wölfe“ ermöglichte. Denn nicht der weibliche Star Yvonne Sergyl, sondern ihr Double Georgette Baudry ging in der auch heute noch atemberaubenden Schlüsselszene mit den Wölfen auf Tuchfühlung. Mit 40-jähriger Verspätung soll Kidlat Tahimiks Wunsch in Erfüllung gehen, ihr mit LE MIRACLE DES LOUPS eine Hommage zu erweisen.

Kosmos und Alptraum: Die Filme von Kidlat Tahimik wurde ermöglicht durch eine Förderung des Hauptstadtkulturfonds und zusätzlich unterstützt vom Goethe-Institut Manila. Das Programm wird kuratiert von Tilman Baumgärtel und Tobias Hering. Teil des Projekts ist ein öffentliches Werkstattgespräch mit Kidlat Tahimik in der unabhängigen Filmschule filmArche am 9. März (www.filmarche.de). (tb/th)

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