BLOW-UP (Michelangelo Antonioni, GB/I 1966, 2. & 4.6.) Models und Mode, das London der Swinging Sixties und die Mod- & Beat-Kultur der 60er Jahre (auf die die Distributionsstrategie des Films ausgerichtet wurde) bilden das Fadenkreuz, in dem sich Antonionis erster außerhalb Italiens gedrehter Film bewegt. Qua Beruf ist Modefotograf Thomas (David Hemmings) Teil dieser mode- und stilbewussten Szene. Er arrangiert, choreografiert und fixiert ihren schönen Schein, versucht ihm gleichzeitig jedoch auch zu entkommen. Auf der Suche nach neuen Motiven meint er Zeuge eines Mordes geworden zu sein. Im Zuge seiner Recherche verschwimmen Realität und Imagination, die vermeintlichen fotografischen Beweisstücke gerinnen zur Projektion.
FREAK ORLANDO (Ulrike Ottinger, BRD 1981, 3. & 9.6.) Einen Bogen von der mythologischen Vorzeit bis ins 20. Jahrhundert schlägt Ulrike Ottinger in ihrem "kleinen Welttheater" in fünf Episoden, das vom Leben und Sterben der Freaks, Abnormen und Außenseiter erzählt, von Irrtümern, Inkompetenz, Machthunger, Angst, Wahnsinn, Grausamkeit und Alltag. Die episodische Zeit- und Weltreise, angeführt von Orlando (Magdalena Montezuma) als Wanderin durch die Jahrhunderte und Delphine Seyrig in unterschiedlichsten Rollen (von der Lebensbaumgöttin zum siamesischen Zwilling), beginnt mit einem Ausverkauf der Mythen in einem Kaufhaus und endet auf einem "Festival des Hässlichen". Ottingers fantastische, ungeheuer detailreiche Bildcollagen werden nicht zuletzt von den außergewöhnlichen, von der Regisseurin in Zusammenarbeit mit Jorge Jara entworfenen Kostümen geprägt, die das Gezeigte ironisch kommentieren, opulent unterwandern oder zuspitzen.
SOME LIKE IT HOT (Billy Wilder, USA 1959, 7. & 11.6.) Ein unfreiwilliges Zusammentreffen mit schießwütigen Mafiagangstern im Chicago der späten 20er Jahre lässt die draufgängerischen Jazzmusiker Joe (Tony Curtis) und Jerry (Jack Lemmon) beherzt zu Frauenkleidern greifen und sich von einer Frauencombo auf dem Weg nach Florida anheuern. Was als rasante Gangsterstory beginnt, wird unversehens zu einer nicht weniger temporeichen, dabei rasend komischen und exzessiven Travestie, bei der Kleider, Rollen und Geschlechter mehrfach getauscht, Perspektiven gewechselt und Verwandlungen vollzogen werden. Zugige Röcke, kneifende Badeanzüge, abgerissene BHs und mörderische Pumps – konfrontiert mit den Herausforderungen der Damenbekleidung der späten 20er sowie der hinreißend romantisch-naiven Sängerin Sugar (Marilyn Monroe) keimt bei Joe alias Josephine und Jerry aka Daphne bald Mitgefühl und Verständnis für die "andere Hälfte".
THE COOK, THE THIEF, HIS WIFE AND HER LOVER (Peter Greenaway, F/GB 1989, 8. & 19.6.) Greenaways radikal-düsteres Kammerspiel kreist um Albert Spica (Michael Gambon), einen gewalttätigen und sadistischen Gangster, der jeden Abend in einem Gourmet-Restaurant Hof hält. Alles andere als ein Feinschmecker, geht es ihm vor allem um Machtdarstellung, reihenweise terrorisiert er seine Umwelt. Als er die heimliche Affäre seiner Frau (Helen Mirren) entdeckt, rächt er sich grausam an seinem Nebenbuhler. Diese lässt diesen letzten Mord nicht ungesühnt. Die von Jean Paul Gaultier entworfenen Kostüme (seine erste Kinoarbeit) – von elegant unterkühlt bis exzessiv überladen – fügen sich nahtlos in die sorgfältig komponierten, jeweils in unterschiedlichen Farben gehaltenen und opulent ausgestatteten Hauptschauplätze in und um das Restaurant ein.
ZAPATAS BANDE (Urban Gad, D 1913, 10. & 15.6., am Klavier: Eunice Martins) DAS LIEBES-ABC (Magnus Stifter, D 1916, 10. & 15.6., am Klavier: Eunice Martins) Asta Nielsen – Schauspielerin, Filmautorin, Produzentin – gilt als erster Kinostar der Filmgeschichte und Filmkünstlerin von größter internationaler Bedeutung. Nachdrücklich begleitete sie die unterschiedlichsten Bereiche der Filmproduktion, so auch die Herstellung der Filmkostüme, die sie nicht selten selbst gestaltete, so höchstwahrscheinlich auch für ZAPATAS BANDE und DAS LIEBES-ABC, in denen sie jeweils fulminante Hosen-Rollen spielt. In ZAPATAS BANDE wird ein Filmteam nach Italien geschickt, um dort ein "Zigeunerdrama" in möglichst "echter" Umgebung zu filmen. Zur selben Zeit macht eine veritable Räuberbande die Gegend unsicher. Während die Schauspieler drehen, bemächtigen die Räuber sich ihrer Zivilkleider und kommen so unbemerkt über die Grenze. Die Schauspieler werden im Gegenzug für die richtigen Räuber gehalten und von der Polizei festgenommen. DAS LIEBES-ABC soll einem schüchternen jungen Mann Liebesmanieren vermitteln. "Ein Lustspiel, mit wenig Logik und vielen Verwandlungen, zugeschnitten auf Asta Nielsen, ihre Augen, ihren Mund, ihre charakteristisch-schlanke Gestalt." (Vossische Zeitung)
CLEOPATRA JONES (Jack Starrett, USA 1973, 18. & 23.6.) "She's 6 feet 2 inches of Dynamite … And the Hottest Super Agent Ever!", warb Warner Bros. für die atemberaubend eingekleidete schwarze Superheldin, von Kopf bis Fuß ausgestattet vom einflussreichen Ethno- und Hippie-Designer Giorgio di Sant'Angelo. Ex-Model Tamara Dobson spielt die CIA-Agentin Cleopatra Jones, die eine Bande von Drogenschmugglern unter der Führung der skrupellosen "Mommy" bekämpft. Als eine Art weiblicher James Bond in High Heels und als larger-than-life afro-american female super hero präsentiert sich Cleopatra Jones auf der Höhe der Zeit: emanzipiert, intelligent, attraktiv, unabhängig, hip und so selbst- wie modebewusst.
AMBAWI SURAMIS TSICHISA (Die Legende der Festung Surami, Sergej Paradjanov, Dodo Abashidze, Georgien 1985, 20. & 24.6.) Fantastische Bilderwelten eröffnen sich dem Betrachter in den streng kadrierten, dabei überaus prunkvoll gestalteten Tableaus, mit denen der armenische Regisseur eine archaische georgische Legende erzählt: Um persische Überfälle abzuwehren, versuchen die Bewohner einer entlegenen Bergregion eine Festung zu errichten. Einer Prophezeiung zufolge kann der Bau erst dann erfolgreich abgeschlossen werden, wenn ein junger Krieger sich lebend einmauern lässt. Der gerade zum Islam konvertierte Surab ist zu diesem Opfer bereit. Paradjanovs vorletzter Film entstand nach 15-jährigem Berufsverbot und langer Gefängnisstrafe. Der überreiche Bilderreigen wird von unzähligen Stoffbahnen, Teppichen, Tieren und Kunstobjekten bevölkert, in deren Mittelpunkt Paradjanov die Figuren seines Films agieren lässt. In ihren prächtigen Uniformen, kunstvoll verzierten Kleidern und spielerisch-überdrehten Kostümen verschmelzen (kunst)geschichtliche Einflüsse, Legende und Fantasie.
NORMAL LOVE (Jack Smith, USA 1963, 21.6.) Perlschnüre, wallende Tücher in üppigen Farben, Wunderkerzen, Räucherstäbchen, das Porträt einer Hollywood-Göttin – vor diesem Stillleben-Altar liegt ausgestreckt der Underground-Superstar Mario Montez im Meerjungfrauen-Dress – fulminanter Auftakt der überbordenden Performance-Fantasy-Extravaganza in ländlichem Setting, an der u.a. auch Angus MacLise, Beverly Grant, Francis Francine, Tony Conrad, Tiny Tim, John Vaccaro, Diane Di Prima und Andy Warhol mitwirkten. Von Smith nie vollendet, existiert NORMAL LOVE mittlerweile als restaurierte Version, die auch als opulentes "Kostüm-Epos" gesehen werden kann, voller juwelenbesetzter Roben, Spitzentücher und bunter Bänder – eine visionäre Aneignung, Huldigung und Beschwörung des Exzesses.
TOP HAT (Mark Sandrich, USA 1935, 27. & 29.6.) Ginger Rogers' fließende Roben und ausladende Röcke, selbst Fred Astaires formeller Frack und Zylinder scheinen einzig für tänzerische Bewegung geschneidert zu sein, sich erst in Bewegung und komplexen Choreografien in ihrer umfassenden Eleganz zu zeigen. Chef-Costumier von TOP HAT wie diverser anderer Musicals war Bernard Newman, der wesentlichen Anteil am eleganten Gesamteindruck und letztlich am großen Erfolg dieser Liebes- und Verwechslungsfarce hatte. TOP HAT gilt allgemein als Höhepunkt der Zusammenarbeit zwischen Astaire und Rogers, deren so perfekte wie einfallsreiche Gesangs- und Tanznummern um eine Annäherung mit Hindernissen zwischen London und Venedig kreisen. Als Dritter mit von der Partie ist wie so oft Edward Everett Horton mit einigen seiner besten Szenen.
DAS WEISSE BAND (Michael Haneke, D/A/F/I 2009, 22. & 30.6.) Sommer 1913: In einem protestantischen Dorf im Nordosten Deutschlands ereignen sich rätselhafte Gewalttaten: Das Pferd des Arztes stürzt über einen gespannten Draht, eine Arbeiterin kommt in einem Sägewerk zu Tode, ein Kind des Gutsherren wird entführt, eine Scheune geht in Flammen auf, ein behinderter Junge wird misshandelt. Die aus Berlin angereiste Polizei kann sich keinen Reim auf die Serie der Ereignisse machen, einzig der Dorflehrer erahnt, wer die Drahtzieher hinter den brutalen Vorkommnissen sein könnten. Klar, konzentriert und scharf entwirft Haneke einen gespenstischen Mikrokosmos am Vorabend des 1. Weltkriegs – eine enge Welt, in der Strenge und Unnachgiebigkeit regieren, Autorität und Disziplin, Abhängigkeit und Angst. Die vielbeschworene Tugend, Moral und Sittsamkeit der Bevölkerung finden in den schmucklosen, schmalen Linien der Kleidung, den hochgeschlossenen Kleidern und Jacken, den gestärkten Kragen und Schürzen eine visuell treffende wie historisch eingebettete stoffliche Materialisierung, für die die Kostümbildnerin Moidele Bickel mehrfach ausgezeichnet wurde.
BLACK CAESAR (Larry Cohen, USA 1973, 25. & 28.6.) Tommy Gibbs arbeitet sich vom shoe shine boy zum Auftragskiller der Mafia empor, um Stück für Stück selbst die Herrschaft über die Unterwelt von Harlem zu übernehmen. Ein Blaxploitation-Film als Brecht'sches Volksstück, in dem Klassen- wie Rassenverhältnisse so analytisch präzise wie packend durchgearbeitet werden. BLACK CAESAR machte den früheren Footballer Fred Williamson zum Superstar des Genres. Der Titel nimmt Anleihen beim Gangsterfilmklassiker "Little Caesar" (1931); ein weiterer Bezugspunkt war Coppolas im Jahr zuvor in die Kinos gekommener "The Godfather". Um auf dessen Erfolgswelle mitzuschwimmen, wurde BLACK CAESAR in Deutschland unter dem Verleihtitel "Godfather of Harlem" ins Kino gebracht. Der Soundtrack ist vom "Godfather of Soul", James Brown.
L'ANNÉE DERNIÈRE À MARIENBAD (Letztes Jahr in Marienbad, Alain Resnais, F/I 1961, 26. & 30.6.) Man könnte denken, dass Lagerfeld mit der Schau seiner Frühjahr/Sommer-2011-Kollektion einem wichtigen Klassiker des französischen Films seine Reverenz erweisen wollte: Dekor, Musik, Farb(Schwarzweiß)- und Formgebung standen ganz im Zeichen von Resnais' filmischem nouveau roman. Lagerfelds Hommage galt über den Film hinaus jedoch in erster Linie der Modeschöpferin Coco Chanel, die die Kostüme der Hauptdarstellerin des Films, Delphine Seyrig, entworfen hatte. Ihre Entwürfe umfassen klare, strenge Roben ebenso wie verspielte romantische, mit Federn, Tüll und wallenden Stoffen operierende Kleider, die ihre Entsprechung sowohl in der Architektur des Filmschauplatzes, einem prächtigen Barockschloss, der Erstarrung der Figuren als auch in der labyrinthischen Struktur des Films finden. (mg)