THE WILD ONE (Laszlo Benedek, USA 1953 I 1. & 4.11.) Schirmmütze, Stiefel und Lederjacke sind die Insignien des Motorradgang-Anführers Johnny (stilbildend als melancholisch-rauer Bikerboy: Marlon Brando), der mit seinen 40 "Black Rebels" in eine kalifornische Kleinstadt einfällt. Nach Ankunft einer rivalisierenden Gang wird im Zuge der Bandenkämpfe das beschauliche Provinzleben restlos aufgerieben. Straßen werden besetzt, die örtliche Bar überrannt, das Gefängnis überfallen. Die aufgeschreckten Anwohner der Stadt formieren sich zu einer Bürgerwehr. Zur Beruhigung des Publikums stellte der Verleih dem Film eine Texttafel voran: "Dies ist eine schockierende Geschichte. In den meisten amerikanischen Städten könnte so etwas nie passieren …". SOMMAREN MED MONIKA (Die Zeit mit Monika, Ingmar Bergman, Schweden 1953, 2. & 3.11.) Bohrend, unnachgiebig, fordernd blickt Monika (Harriet Andersson) in die Kamera: der unbeschwerte Sommer mit Harry am Meer – fern von übergriffigen Eltern und einer erdrückenden Arbeitswelt – liegt fast ein Jahr zurück. Eine ungewollte Schwangerschaft, die Rückkehr in die Großstadt und die Gründung eines Hausstands mit Harry lassen Monika ein weiteres Mal ausbrechen. Leidenschaft, Freizügigkeit und Freiheitsanspruch münden in ein Aufbegehren gegen jegliche gesellschaftliche Erwartungshaltung, eine Haltung, der Truffauts junger Rebell in "Les 400 coups" seine Reverenz erweist. SEISHUN ZANKOKU MONOGATARI (Naked Youth, Nagisa Oshima, Japan 1960, 3. & 5.11) Rebellen vor und hinter der Kamera: In seinem zweiten Film setzt sich Nagisa Oshima, wichtigster Vertreter und gleichzeitig Enfant terrible der japanischen Nouvelle Vague, radikal, schrill und hart vom etablierten japanischen Kino ab. Gleichermaßen entziehen sich die Protagonisten des Films, der Student Kiyoshi und die Gymnasiastin Miyuki, den Eltern, der Polizei, der Tradition. Das junge Liebespaar verdient sein Geld zunächst mit kleinen Gaunereien, driftet aber bald in die Kriminalität ab. Roh und gewaltsam entladen sich die Gefühle, die Oshima voller Wucht und aus unmittelbarer Nähe auf die Cinemascope-Leinwand bannt. RUMBLE FISH (Francis Ford Coppola, USA 1983, 6. & 9.11.) Im Doppelpack mit seinem kurz zuvor entstandenen Film "The Outsiders" konzipiert, umkreist Coppola hier ein Brüderpaar: den jüngeren aggressiv-naiven Bandenanführer Rusty (Matt Dillon) und den melancholischen Motorcycle Boy (Mickey Rourke). Der unbestimmbare Schauplatz – irgendwo in Amerika – und der nicht festzumachende Zeitpunkt (eine irritierende Mischung von 50er-Jahre-Billardhallen und 80er-Jahre-Industriebrachen) bilden den adäquaten Rahmen für die entwurzelten Charaktere, die sich zunehmend selbstzerstörerisch in den Rollenstrukturen der Jugendkultur verfangen. Eine hochstilisierte, dunkel-zeitlose Auseinandersetzung mit der Gefühlswelt entfremdeter und verlorener Jugendlicher. HERBST DER GAMMLER (Peter Fleischmann, BRD 1967, 8.11.) Dokumentarische Bestandsaufnahme der gesellschaftlichen Strömungen in der BRD Mitte der 60er Jahre. In ausführlichen Interviews kommen die jugendlichen "Beats", wie sie sich nennen, zu Wort: Heimkinder, Schul- oder Ausbildungsabbrecher, die es in den starren Strukturen der Schulen und Betriebe nicht aushalten und von Freiheit träumen. Anfängliches vorsichtiges Verständnis weniger Passanten im Gespräch mit den von ihnen als "Gammler" titulierten Jugendlichen schlägt in anderen Situationen in unverhohlenen Hass um: Bald werden Rufe nach Gefängnis, Arbeitslager und Adolf Hitler laut – "Volkes Stimme" in der Bundesrepublik Deutschland kurz vor den 68er-Protesten. LOS OLVIDADOS (Die Vergessenen, Luis Buñuel, Mexiko 1950, 12. & 18.11.) Völlig desolat sind die Lebensumstände der Jugendbande um den aggressiven und heimtückischen Jaibo sowie den jüngeren Pedro, dessen überforderte Mutter seinem Bedürfnis nach Liebe und Zuwendung nicht entsprechen kann. Ihre Behausungen im tristen Vorstadtbezirk von Mexico City sind heruntergekommen, die menschlichen Beziehungen im besten Fall zerrüttet. Zum (all)täglichen Überlebenskampf gehören Diebstahl und Prügeleien bis hin zum Mord. Schonungslos und unerbittlich zeigt Buñuel die rohe Rebellion der jungen Generation – die neorealistisch beginnende und surrealistisch endende Vermessung eines Reichs des Bösen. NORRTULLSLIGAN (Weibliche Junggesellen, Per Lindberg, Schweden 1923, 13. & 24.11.) Pegg, Baby, Eva und Emmy sind die vier titelgebenden Junggesellinnen, die in Stockholm eine für die damalige Zeit höchst unkonventionelle Wohngemeinschaft bilden, sich gemeinsam in einer von Männern dominierten Welt zu behaupten versuchen und schließlich zum Streik aufrufen. Basierend auf einem Roman der Schriftstellerin und Journalistin Elin Wägner entwirft Per Lindberg eine gleichermaßen emanzipatorisch grundierte, vergnügliche Gesellschaftskomödie wie präzise Beschreibung der Lebensumstände der vier jungen Frauen. JAHRGANG 45 (Jürgen Böttcher, DDR 1966, 15. & 16.11.) Nach zwei Jahren Ehe haben sich die junge Li, die als Krankenschwerter auf der Säuglingsstation arbeitet, und der Automechaniker Al auseinandergelebt. Die Scheidung läuft. Einem diffusen Freiheitsdrang und der Sehnsucht nach einem anderen Leben folgend, driftet Al rastlos durch Ost-Berlin, sitzt in Musikkneipen, trifft seine Motorradkumpel, geht arbeiten, grenzt sich ab, fordert Raum. Eine Rebellion mit kleinem "r", dabei nicht minder ernst und nachdrücklich. "Zu wenig repräsentativ" und "das Abseitige heroisierend" waren nur zwei der Vorbehalte von staatlicher Seite, aufgrund derer der Film knapp 25 Jahre unter Verschluss lag und erst 1990 aufgeführt werden konnte. Vorfilm: BARFUSS UND OHNE HUT (Jürgen Böttcher, DDR 1964, 15. & 16.11.) Eine Art Vorstudie zu JAHRGANG 45: Impressionen von jungen Leuten im Sommer an der Ostsee – ein Film, der in seiner spielerischen Leichtigkeit als Provokation aufgefasst wurde. IF… (Lindsay Anderson, GB 1968, 17. & 18.11.) In acht Kapiteln zeigt Anderson zunehmend stilisiert und verfremdet die unhaltbaren Zustände an einer britischen Privatschule, in der militärischer Kommando-Ton, strenge Hierarchie, Drill und Sadismus an der Tagesordnung sind. Drei neue Schüler (darunter Malcolm McDowell als Mick Travis in seinem Filmdebüt) reagieren mit einem fantastisch-anarchischen Akt auf die dortigen Repressionen und entfachen eine blutige Revolte. L'EAU FROIDE (Cold Water, Olivier Assayas, F 1994, 19. & 23.11.) Irgendwo in der Pariser Banlieue, Anfang der 70er Jahre: Christine (Virginie Ledoyen) und Gilles, beide 16 Jahre, besuchen die gleiche Schule, leben als Scheidungskinder in ähnlich erschütterten Verhältnissen. Einzig ihre Liebe zueinander gibt ihnen Halt. Als Christine in eine geschlossene Anstalt eingewiesen wird und fliehen kann, setzt auch Gilles sich ab. Sie treffen sich in einem verlassenen Haus auf dem Land wieder, wo eine rauschende Party stattfindet, die das halbstündige Herzstück des Films ausmacht. Durchzogen von Songs der späten 60er und frühen 70er, umkreist von einer umherschweifenden Handkamera, kristallisiert sich das Lebensgefühl der Jugendlichen zwischen Aufbegehren und Orientierungslosigkeit, zwischen Einsamkeit und Verzweiflung. DIE HALBSTARKEN (Georg Tressler, BRD 1956, 20. & 22.11.) Welten prallen aufeinander: Ausgelassen tanzen Jugendliche in einer Espressobar Rock 'n' Roll, als plötzlich ein preußischer Marsch aus der Jukebox ertönt. Die jungen Tänzer sind außer sich und verlassen, die deutsche Militärkultur lautstark verhöhnend, das Tanzcafé. Mittendrin Freddy (der deutsche James Dean: Horst Buchholz), der aufsässige Anführer einer marodierenden Bande, mit der er ein Postauto zu überfallen plant, um endlich an das große Geld zu kommen. Tresslers Spielfilmdebüt entwirft einen jugendlichen Raum jenseits der beengten, kleinbürgerlichen Erwachsenenwelt. In Berlin on location gedreht, werden Straßenecken, Parks, zerbombte Industriegebiete oder Kellergewölbe zum Schauplatz einer Jugendkultur zur Zeit des Wirtschaftswunders. MALENKAJA VERA (Kleine Vera, Wassili Pitschul, UdSSR 1988, 21. & 25.11.) Ein langsamer Schwenk über graue Industriekomplexe, qualmende Schornsteine, triste Hochhäuser und verwahrloste Brachen eröffnet das Terrain, auf dem sich die junge Generation kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion in ständiger Konfronta-tion mit Eltern und Obrigkeit selbst zu finden versucht. Auch die 17-jährige Vera stemmt sich mit aller Kraft und drastischen Maßnahmen gegen die heimische Enge, den vorgezeichneten Weg als Telefonistin, gegen die staatliche Kontrolle. Als sie ihren Verlobten mit nach Hause bringt, eskaliert die Situation. Pitschuls atemloses Spielfilmdebüt bewegt sich zwischen Groteske und Tragödie, Hysterie und Ruhe und wirft einen schonungslosen Blick auf eine leere Zukunft. I PUGNI IN TASCA (Faust in der Tasche, Marco Bellocchio, Italien 1965, 28. & 30.11.) Ein furioses Debüt und nichts weniger als ein Frontalangriff auf die italienische Nachkriegsgesellschaft. Fern der offiziellen Filmindustrie entstanden und mit einfachsten Mitteln realisiert, wird hier die Familie als Keimzelle sozialer und gesellschaftlicher Missstände seziert. Eine verwitwete Mutter lebt mit ihren seelisch wie körperlich versehrten vier Kindern in einer großbürgerlichen Villa. Narzissmus, Trägheit und Melancholie bestimmen ihr Leben. Alessandros (Lou Castel) Versuch, die erdrückenden Strukturen aufzubrechen, nimmt grotesk zerstörerische Formen an. THE GRADUATE (Die Reifeprüfung, Mike Nichols, USA 1967, 26. & 27.11.) Dem 20-jährigen Ben (Dustin Hoffman) fehlt nach einem glänzenden College-Abschluss der Antrieb, wenn nicht die Überzeugung, sich auf die für ihn vorhergesehene Karriere als Geschäftsmann vorzubereiten. Das Bermudadreieck von Lethargie, untergründiger Verweigerungshaltung und Unselbständigkeit sind weder Bens beruflichem Fortkommen förderlich, noch seinem Verhältnis mit der verheirateten elterlichen Freundin Mrs. Robinson (Anne Bancroft). Als er sich in ihre Tochter Elaine verliebt, katapultieren die entstehenden Turbulenzen den von Hause aus gutbürgerlichen Ben zwischenzeitlich in die Rolle des "accidental rebels" inklusive rasantem Showdown sowie mehrdeutigem Ende zu den Tönen von Simon & Garfunkels "Hello darkness, my old friend …". PUTJOWKA W SHISN (Der Weg ins Leben, Nikolai Ekk, UdSSR 1931, 29.11.) Früher Tonfilm aus dem Hause Meshrabpom, der berühmten deutsch-sowjetischen Filmkooperative. Historischer Hintergrund sind die sog. "Besprisorni" (zu dt.: Verwahrlosten), sieben Millionen minderjähriger Waisenkinder, die Anfang der 20er Jahre in der Folge von Bürgerkrieg und Hungersnöten durch die Sowjetunion irrten. Eine Gruppe solch junger Obdachloser – gespielt von Laiendarstellern – zieht in Ekks Erfolgsfilm (in Ost und West) polternd und räubernd durch Moskau. Der parteitreue Erzieher Sergejew nimmt sich der Truppe an und versucht sie in einem Umerziehungslager trotz zahlreicher Rückschläge an das Ideal des arbeitsamen, disziplinierten und sportlichen Sowjetmenschen heranzuführen. (mg)