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NEOBYTSCHAJNYJE PRKLJUTSCHENIJA MISTERA WESTA W STRANE BOLSCHEWIKOW (Die seltsamen Abenteuer des Mr. West im Land der Bolschewiki, Lew Kuleschow, UdSSR 1924, 1. & 8.9., am Klavier: Eunice Martins) In dieser frühen Variante des "Red Western"-Genres reist der naive Amerikaner Mr. West in Begleitung eines Cowboys (Boris Barnet) in die junge Sowjetunion, um dort Geschäfte zu machen. Auf unbekanntem Territorium warten böse Überraschungen und vermeintlich wilde Kerle auf ihn, die sich als Bolschewiken ausgeben. Mit den klassenkämpferischen und revolutionspathetischen Filmen der 20er Jahre hatte Kuleschows überdrehte Satire wenig gemeinsam und wurde in der UdSSR deshalb umgehend als "formalistisch" gebrandmarkt.

GERMANIA ANNO ZERO (Deutschland im Jahre Null, Roberto Rossellini, Italien/D 1948, 2. & 6.9.) Der italienische Neorealismus gilt als einschneidende Erneuerungsbewegung der Filmgeschichte, ein ungeschminktes Kino als Gegenentwurf zu Propaganda und Unterhaltung und nicht zuletzt als Ausdruck der politischen Stunde Null. Keine Stunde Null sah Rossellini indes in Deutschland: Er zeigt das zerstörte Berlin und die Befindlichkeit der Deutschen nach Kriegsende. Auch wenn der Krieg beendet ist, wirkt das barbarische Nazi-Gedankengut weiter: so im blassen, blonden Edmund und seinem früheren Lehrer, der ihn anstiftet, seinen kranken Vater zu vergiften.

ES (Ulrich Schamoni, BRD 1966, 3. & 7.9.) "Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen." Nichts weniger als einen neuen deutschen Film zu schaffen, reklamierten die 26 Unterzeichner des Oberhausener Manifests 1962. Ungestüm, vehement, konfrontativ forderten sie Produktionsmittel und bezogen (film)politisch Stellung. Die ersten abendfüllenden Spielfilme im Geiste des Oberhausener Manifests – vielfältig, experimentierfreudig, mit scharfem Blick auf Deutschland, seine Gesellschaft und die bundesrepublikanische Politik – entstanden Mitte der 60er Jahre. So auch Schamonis ES, mit geringem Budget und kleinstmöglichem Team realisiert. Temporeich und ungezwungen kreist der Film um ein junges Paar, das unverheiratet (1965!) in Berlin lebt. Als sie schwanger wird und das Kind heimlich abtreibt, gerät das vermeintlich unbürgerliche Paar in eine Krise.

SOUS LES TOITS DE PARIS (Unter den Dächern von Paris, René Clair, F 1930, 4. & 14.9.) Wie viele Regisseure der späten 20er Jahre sah auch René Clair den damals aufkommenden Tonfilm als drohende Gefahr und die Tonfilmtechnik als Auslöser einer Krise, wenn nicht als Ende der Filmkunst. Trotz seiner anfänglichen Vorbehalte schuf er mit seinem Film über den Alltag der "kleinen Leute" in Paris ein großartiges "Ton-Gemälde", in dem er Ton und Bild in kontrapunktische Beziehung setzte. Chansons und Geräusche lehnen sich gegen jeden vordergründigen Realismus auf, wie der Straßensänger Albert gegen seinen Freund Louis, der versucht, ihm seine Freundin, die schöne Pola, auszuspannen.

LA NOIRE DE (Black Girl, Ousmane Sembène, Senegal 1966, 9. & 15.9.) Als Pionier des Kinos der Subsahara hat der senegalesische Regisseur Sembène Generationen von Filmemachern des afrikanischen Kontinents geprägt. Sein Spielfilmdebüt LA NOIRE DE gilt als erster schwarzafrikanischer Langfilm überhaupt. Die Parabel auf den Neokolonialismus zeigt die junge Diouana (Mbissine T. Diop), die aus Dakar ins französische Antibes reist, um hier im Haushalt eines französischen Ehepaars zu arbeiten. Von ihren Arbeitgebern hemmungslos ausgenutzt und gedemütigt, setzt sie ein verzweifeltes wie radikales Zeichen.

BOROM SARRET (Ousmane Sembène, Senegal 1963, 9. & 15.9.) Ein Tag in Dakar und im Leben eines Pferdekarren-Taxisfahrers, dessen ärmliches Fuhrwerk von einem Polizisten beschlagnahmt wird. Seiner Existenzgrundlage beraubt, kehrt er zu seiner Frau zurück, die sich ihrerseits aufmacht, Geld für das Abendessen zu verdienen. Unsentimental und in neorealistischer Manier zeigt Sembène in diesem Kurzfilm ein urbanes Dakar und einen Protagonisten zwischen Tradition und postkolonialer Moderne.

SHOAH (Claude Lanzmann, F 1974–85, 10. & 11.9.) Lanzmanns "filmische Geschichte des Holocausts" (CL) entzieht sich allen Genrezuweisungen und Kategorisierungsversuchen. Wie kein zweites Werk der Filmgeschichte nähert sich der Film ganz ohne Archivmaterial oder Kommentarstimme dem, was ein Protagonist des Films noch zu Beginn mit den Worten umschreibt: "Das kann man nicht erzählen; das übersteigt jede mögliche Darstellung." Doch Lanzmann insistiert, beharrlich bringt er Zeugen des Massenmords an den europäischen Juden zum Sprechen, interviewt sowohl Überlebende der Vernichtungslager als auch Täter. Präzise fügt Lanzmann Bilder und Töne zu einem vielschichtigen Erinnerungsbild und ermöglicht damit eine Vergegenwärtigung der Vergangenheit im Jetzt.

DIE 1000 AUGEN DES DR. MABUSE (Fritz Lang, BRD 1960, 13. & 16.9.) Knapp 40 Jahre nach seinem ersten Mabuse-Film greift Lang in seiner letzten Regiearbeit das Thema des allgegenwärtigen Verbrechers erneut auf. Wahnsinnig und machtbesessen trachtet Mabuse einmal mehr danach, die Welt ins Chaos zu stürzen. Schaltzentrale seiner Macht ist ein von den Nazis erbautes Luxushotel, in dem jedes Zimmer von Kameras beobachtet wird. Lang versetzt seinen Weimarer Kinomythos in die Nachkriegszeit, treibt das Erbe des Nationalsozialismus aus dem Untergrund verborgener Kontrollräume hervor und lässt die 1000 Augen des Titels als ornamentale Formen an der Oberfläche sichtbar werden.

HUNG SIK LEUNG DJE CHING (Das Rote Frauenbatallion, Regie-Kollektiv, China 1970, 17. & 26.9.) Sechs Filme entstanden während der chinesischen Kulturrevolution, so auch DAS ROTE FRAUENBATALLION, das gleichzeitig Beispiel kommunistischen Kitsches und beunruhigendes Zeugnis einer der radikalsten staatlich verordneten gesellschaftlichen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts ist. Das Revolutionsmusical spielt im Jahre 1930 auf der Insel Hainan, wo die revolutionären Truppen ein aus Frauen bestehendes Bataillon ausbilden. Eine junge Dienstmagd schließt sich dem Bataillon an und überwindet ihre kleinbürgerliche Herkunft.

DAS KANINCHEN BIN ICH (Kurt Maetzig, DDR 1965, 18. & 21.9.) Einer der zwölf sogenannten "Verbotsfilme", die kurz nach Fertigstellung vom 11. Plenum des Zentralkomitees der SED aufgrund ihrer "dem Sozialismus fremden, schäd-lichen Tendenzen und Auffassungen" (Honecker) verboten wurden. Das Verbot großer Teile der Spielfilmproduktion des DEFA-Jahrgangs 1964/
65 wirkte als künstlerischer Aderlass und markierte den Wiederbeginn einer repressiven Kulturpolitik der SED. Basierend auf Manfred Bielers gleichnamigem Roman kreist Maetzigs DAS KANINCHEN BIN ICH um die junge Maria, die ihren Studienplatz verliert, als ihr Bruder aufgrund "staatsgefährdender Hetze" zu einer Haftstrafe verurteilt wird. In einer Kneipe kellnernd lernt sie den Richter ihres Bruders kennen und beginnt eine Affäre mit ihm.

CHRONIQUE D#UN ÉTÉ (Chronik eines Sommers, Jean Rouch, Edgar Morin, F 1960, 19. & 22.9.) Ausgehend von der Frage nach dem Glück etablierten Rouch und Morin 1960 eine neue dokumentarische Form: Das „cinéma vérité“ nimmt mit dieser schwerelosen und zugleich tiefgründigen Untersuchung der Befindlichkeiten Pariser Passanten kurz vor Ausbruch des Algerienkriegs seinen Anfang und wirkt bis in das dokumentarische Schaffen unserer Zeit fort. 40 Jahre später entsteht in China einem ähnlichen Prinzip folgend BEIJING DE FENG HEN DA (There Is a Strong Wind in Beijing, Ju An Qi, China 2000, 19. & 22.9.). Diesmal steht die Frage nach dem "Wind" in Beijing im Mittelpunkt, dessen Freiheitsbedeutung in China eine lange Geschichte hat.

KILLER OF SHEEP(Charles Burnett, USA 1977, 20. & 23.9.) UCLA, Mitte/Ende der 70er Jahre: An der US-amerikanischen Filmhochschule studieren afroamerikanische Filmemacher, die jenseits des weißen Hollywoods, aber auch der Blaxploitation-Filme nach neuen Bildern suchen, um afroamerikanische Lebenswelten darzustellen. Burnett ist als Kameramann und Regisseur zentrale Figur der sog. "L.A. Rebellion". Sein Debütfilm zeigt Vignetten aus dem Leben des sensiblen Träumers Stan, der mit Frau und Kind in Los Angeles lebt und dessen Job im Schlachthof ihm mehr und mehr zusetzt. Augenblicke einfacher Freuden, ein Tanz mit seiner Frau oder eine Tasse Kaffee lassen Stan für kurze Zeit sein düsteres Leben vergessen.

WANDA (Barbara Loden, USA 1970, 29. & 30.9.) Hollywood in der Krise: Mitte der 60er Jahre stoßen die großen Studio-Produktionen auf Unverständnis und Desinteresse vor allem beim jungen Publikum, dessen Realität von Protestbewegungen und Popkultur geprägt ist. In dieser Zeit meldet sich eine neue Generation amerikanischer Filmemacher zu Wort, experimentiert mit Erzähl- und Darstellungsformen und produziert außerhalb des Studiosystems. Zum erweiterten Kreis der sog. New-Hollywood-Regisseurinnen gehört auch Barbara Loden, deren erster und einziger Film WANDA als eine Art "Anti-Bonnie-und-Clyde" bezeichnet wird. Wanda (Barbara Loden) kehrt einem tristen Kohlebergbaugebiet inkl. ihrem frisch geschiedenen Mann und Kindern den Rücken, um sich einem Kleinkriminellen anzuschließen und mit ihm eine Bank auszurauben. (mg)

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