EINSCHLAFGESCHICHTEN (BRD 1976/77, 24.9.) Im Zentrum der für Kindersendungen des Fernsehens entstandenen kurzen EINSCHLAFGESCHICHTEN stehen zwei Mädchen (Farockis Töchter), die die Zeit vor dem Einschlafen mit Imaginiertem füllen. EIN BILD VON SARAH SCHUMANN (1978, 24.9.) zeigt die Entstehung eines Bildes der Malerin Sarah Schumann, an dem sie neun Wochen gearbeitet hat. Der Film entstand für die TV-Reihe "Kunstgeschichten" des WDR. DAS GROSSE VERBINdUNGSROHR (Hörspiel, 1976, 24.9.) ergab sich aus der Recherche zu ZWISCHEN ZWEI KRIEGEN (1978). In einer Montage aus Originalzitaten wird die Entwicklung des Verbindungsrohrs erzählt, das in den 20er Jahren erfunden wurde, um die in der Stahlerzeugung freiwerdende Energie wieder dem Produktionsprozess zuzuführen – eine Methode, die sich auch auf Farockis eigene Arbeitsweise anwenden ließe. INDUSTRIE UND FOTOGRAFIE (1979, 24.9.) ergab sich ebenfalls aus der Arbeit an ZWISCHEN ZWEI KRIEGEN und verwendet dabei entstandene Fotos und Aufnahmen zu einer Reflexion über Bild und Repräsentation und den Gebrauchswert von privaten und gewerblichen Bildern. ZWISCHEN ZWEI KRIEGEN (1978, 26.9.) Farockis vielleicht wichtigstem Film der 70er Jahre geht eine sechsjährige Entstehungsgeschichte voraus. Die Entwicklung der Schwerindustrie von 1917 bis 1933 und die ökonomischen Ursachen des Faschismus werden darin ebenso untersucht wie die Arbeitsbedingungen des Filmemachers selbst. SINGLE. EINE SCHALLPLATTE WIRD PRODUZIERT (1979, 28.9.) Farocki beobachtet und dokumentiert die Einspielung eines dreiminütigen Popsongs in einem Plattenstudio. Sein Interesse an Arbeitsprozessen richtet sich auch auf die Kulturindustrie, in der Musikproduktion als arbeitsteiliger Prozess verstanden wird. ZUR ANSICHT: PETER WEISS (1979, 28.9.) "Am 17. und 18.6. 1979 waren wir in Stockholm bei Peter Weiss zu Besuch. Wir sprachen mit ihm über die Arbeit an seinem Buch "Die Ästhetik des Widerstands". Weiss hat unvorstellbare Materialforschung gemacht, das Leben einer Person, die als Modell dient, bis ins Kleinste studiert und, was für ihn sehr wichtig ist, fast immer den Schauplatz der Handlung aufgesucht. Der Film gibt eine Vorstellung von dieser Arbeit." (HaF) DER GESCHMACK DES LEBENS (1979, 30.9.) Impressionen eines Berliner Sommers, flüchtige, absichtslose Skizzen des Alltags. "Zweieinhalb Monate lief ich mit der Kamera herum und ein paar Bilder habe ich zu diesem Film zusammengestellt." (HaF) STADTBILD (1981, 30.9.) Farocki erkundet in dem Fernsehbeitrag das Verhältnis von alter und neuer Architektur in der deutschen Nachkriegszeit. Er zeigt Fotografien der Architektur Berlins, befragt Architektur- und Stadthistoriker, Fotografen und Schriftsteller. Nebeneinander: Ein Lexikon filmischer Ausdrücke Die drei ersten Programme von "Nebeneinander" rekonstruieren einige der Interessen Farockis in den 70er Jahren. Sie stellen besonders die Auseinandersetzung mit künstlerischer und literarischer Arbeit ins Zentrum. Zudem zeigen sie, wie regelmäßig Farocki Arbeiten mit dem WDR realisieren konnte; vor allem mit der Filmredaktion und Redakteuren wie Werner Dütsch, aber auch mit anderen Abteilungen des Senders. Berlin, 1978/79: Zweimal Westberlin, zweite Hälfte der 70er Jahre. Ein geduldiger Blick auf den Arbeitsprozess der Malerin Sarah Schumann, die ihre Bilder Schicht für Schicht komponiert. Die Künstlerin und Musikerin Michaela Melián (FSK), die EIN BILD VON SARAH SCHUMANN (1978) vor einigen Jahren wiederentdeckte, stellt den Film gemeinsam mit der Malerin vor. Dazu: Blicke aus dem Fenster, beiläufige und alltägliche Blicke auf einen Berliner Sommer, Szenen im Park – DER GESCHMACK DES LEBENS (1979). (16.9., zu Gast: Sarah Schumann und Michaela Melián) Die Arbeit der Autorschaft: ERZÄHLEN (1975), in einem ersten Exposé als "filmessai" bezeichnet, ist gemeinsam mit der Filmemacherin Ingemo Engström entstanden. Der Film, der gemeinsam mit zwei Beiträgen Farockis zum Kinderfernsehen gezeigt wird, verfolgt zwei Forschende, gespielt von Engström und Farocki, die nach einer Form für ihre Recherchearbeiten suchen und dabei – unterstützt von Hanns Zischler – über die Strukturen des Erzählens nachdenken. (16.9., zu Gast: Hanns Zischler und Ingemo Engström) Farocki/Weiss: Farocki war fasziniert und beeindruckt von Peter Weiss' Buch "Die Ästhetik des Widerstands". Nach dem Erscheinen des zweiten Bandes des Romans besuchte er den Schriftsteller für ein langes Gespräch in Stockholm. Die Sendung ZUR ANSICHT: PETER WEISS (1979) konnte dank der Recherchen von Carles Guerra vor einigen Jahren aus dem Archiv des WDR geholt werden. Sie wird gemeinsam mit einem Video-Gespräch gezeigt, das der katalanische Kurator 2011 mit Farocki über Peter Weiss führte. (17.9., zu Gast: Carles Guerra) Überwachen und beraten: Das Gespräch HORST GROTHUS. UNTERNEHMENSBERATER (1975), für den WDR-Hörfunk realisiert, macht deutlich, wie früh Farocki sich für Fragen der Arbeitsorganisation und ihrer Optimierung interessierte. Die Vermessung der Arbeitswege und Quantifizierung der Prozesse, die Farocki mit dem Autor von „Motiviert, engagiert, produktiv“ (1972) und "Die totale vorbeugende Instandhaltung" (1974) diskutiert, wird fast 40 Jahre später in EIN NEUES PRODUKT (2012), der Arbeitsbeobachtung des Quickborner Teams, erneut eine wichtige Rolle spielen. (19.9. zu Gast: Nina Möntmann und Sabeth Buchmann) Bilderschatz (1): Schon in den 70er Jahren stellte sich Farocki eine "Bilderbibliothek" vor, die wie eine öffentliche Bücherei organisiert sein und dokumentarisches Material als "visuelle Ausdrücke" bereitstellen sollte. In den 90er Jahren kam Farocki auf diese Idee zurück und widmete ihr drei Filme. Ausgehend von einem der ersten Topoi des Kinos, dem Fabriktor, verfolgte er in ARBEITER VERLASSEN DIE FABRIK (1995) Variationen des Motivs durch die Filmgeschichte. Gemeinsam mit Medienwissenschaftlern suchte er in der Folge nach hermeneutischen oder technisch-algorithmischen Verfahren, Bilder zu sortieren und adressieren. Zusammen mit DER AUSDRUCK DER HÄNDE (1997) bildet Arbeiter verlassen die Fabrik zwei Einträge in einem fiktiven Wörterbuch filmischer Ausdrücke. Jörg Becker arbeitete an beiden Filmen eng mit Farocki zusammen und hat die Recherche und Beschreibung filmischer Topoi seitdem in Texten weitergeführt. (20.9., zu Gast: Michael Baute und Jörg Becker) Bilderschatz (2): GEFÄNGNISBILDER (2000) ist ein weiterer Baustein in einem solchen Archiv, das sich "filmischen Ausdrücken" und ihrer Ikonografie, Ökonomie und Politik widmen würde. Beide früheren Filme finden sich hier wieder: Das Gefängnistor erinnert an das Fabriktor, und innerhalb der Haftanstalten werden die Insassen in handwerklichen Arbeiten diszipliniert, die sie moralisch bessern sollen. Farocki war angetan vom Buch "Corpi e luogh", das die Filme Pier Paolo Pasolinis in ähnlicher Weise wie eine "Bildbank" nutzt und nach Motiven organisiert und eine Unzahl von Bildern aus seinen Filmen nach Kriterien von Ähnlichkeit und Differenz organisiert. Benedikt Reichenbach, der 2014 das Buch "Harun Farocki: Diagrams" konzipierte, hat "Corpi e Luoghi" neu herausgegeben und spricht über Farocki, Pasolini und das diagrammatische Bild (20.9., zu Gast: Volker Pantenburg und Benedikt Reichenbach). Farocki/Müller: Anfang der 80er Jahre publizierte Farocki ein ausführliches Gespräch mit Heiner Müller in der Zeitschrift „Filmkritik“. Kaum bekannt ist, dass unter dem Titel OST – WEST 1981 ein Teil dieses Gesprächs in der Fernsehsendung "Kino '81" ausgestrahlt wurde. Noch weniger bekannt ist die TV-Fassung der Inszenierung von Müllers Stück DIE SCHLACHT. SZENEN AUS DEUTSCHLAND (1976), die Farocki gemeinsam mit Hanns Zischler im gleichen Jahr in Basel auf die Theaterbühne brachte. Um die Konstellation Farocki/Müller und darüber hinaus Farockis kontinuierliches Interesse für die Entwicklungen in der DDR zu diskutieren, werden beide Filme zusammen mit DIE HAMLETMASCHINE (1978), einer gemeinsamen Hörfunkproduktion Müllers und Farockis vorgestellt. (23.9., zu Gast: Thomas Heise und Jan Ralske) Gebaute Räume: Nicht erst in seinem Porträt des Architekturbüros Sauerbruch/Hutton (2013) zeigte sich Farocki interessiert daran, wie gebauter Raum und filmisches Bild aufeinander einwirken und einander verändern. STADTBILD (1981) und INDUSTRIE UND FOTOGRAFIE (1979) beleuchten das Verhältnis städtischer und industrieller Bauten zu ihrer Darstellung im fotografischen Bild. (27.9., zu Gast: Wilfried Kühn) Alphabetisierung des Blicks: Als Aufforderung und Appell, Bilder genau zu lesen und ihrer phrasenhaften Verwendung zu misstrauen, lassen sich fast alle Filme Farockis auffassen. Das WDR-Sendeformat "Telekritik" (Redaktion: Angelika Wittlich) hatte den expliziten Auftrag, Fernsehkritik im Medium selbst zu formulieren. In DIE ARBEIT MIT BILDERN. EINE TELEKRITIK (1974) untersucht Farocki existierende Features und die "Drückebergerei vor der Wirklichkeit" (Farocki), die in ihnen praktiziert wird. In ÜBER SONG OF CEYLON VON BASIL WRIGHT (1975) wird der britische Film von 1934 zum Beispielfall gelingender dokumentarischer Praxis. Genaues Hinschauen auf Details als wirkungsvolle Maßnahme zur Alphabetisierung des Blicks. (29.9., zu Gast: Michael Baute und Stefan Pethke) (al/vp) "Harun Farocki: Nacheinander/Nebeneinander" wird im Oktober und November fortgesetzt. Das Programm ist Teil der Harun Farocki Retrospektive, eines Projekts des Neuen Berliner Kunstvereins (n.b.k.) in Kooperation mit dem Arsenal – Institut für Film und Videokunst, dem Harun Farocki Institut, der Harun Farocki GbR, dem silent green Kulturquartier, dem Verlag der Buchhandlung Walther König, Savvy Contemporary und dem Haus der Kulturen der Welt im Rahmen der Berlin Art Week, gefördert von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa.