LA GRANDE BELLEZZA (Paolo Sorrentino, I/F 2013, 1. & 3.3.) Der römische Society-Reporter Jeb Gambardella steht kurz vor seinem 65. Geburtstag, den er als rauschendes Fest begehen will. Ermüdet und zynisch analysiert er die Oberflächlichkeit einer Welt, von der er selbst Teil ist. Ein barockes Gesellschaftsporträt, das sich in melancholisch-schwelgerischer Träumerei ganz der Schönheit Roms ergibt.
IL GATTOPARDO (Der Leopard, Luchino Visconti, F/I 1963, 2. & 16.3.) 1860 erobert Giuseppe Garibaldi Sizilien und bedroht die Macht der Aristokratie. Die Zeit des Risorgimento, der Gründung des italienischen Nationalstaats, ist mit dem Niedergang des Adels und dem Aufstieg des Bürgertums verbunden. Don Fabrizio (Burt Lancaster), der Fürst von Salina, weiß, dass die Entwicklung nicht aufzuhalten ist, und konstatiert sie mit einer leichten Melancholie und Müdigkeit. Sein Neffe Tancredi (Alain Delon) nutzt die Gunst der Stunde und heiratet Angelica Sedara (Claudia Cardinale), die Tochter eines neureichen Bürgermeisters. Sein Leitspruch ist, dass sich alles verändern muss, wenn alles so bleiben soll, wie es ist. Die epische Verfilmung des gleichnamigen Romans von Giuseppe Tomasi di Lampedusa inszenierte Visconti als ein rauschendes Fest der Sinne, das in einer 40-minütigen Ballszene kulminiert.
HOLY MOTORS (Leos Carax, F/D 2012, 4. & 7.3.) Monsieur Oscar (Denis Lavant) lässt sich von seiner Chauffeurin (Edith Scob) in einer Stretchlimousine quer durch Paris kutschieren, um seinem Beruf, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, nachzukommen. Ein Mann mit variabler Identität: Industrieboss, Auftragskiller, Bettler und Monster. Auf dem Dach des verlassenen Kaufhauses "La Samaritaine" singt ihm Eva (Kylie Minogue) mit Blick auf den Pont Neuf und die Lichter der nächtlichen Stadt ein sehnsuchtsvolles Lied. Eine Tages- und Nachtreise durch Paris, ein fulminanter Bilderrausch – und, nicht zuletzt, ein Film über das Kino: von der Serienfotografie Mareys bis hin zum digitalen Motion-Capture-Verfahren.
NUIT DE CHIEN (Diese Nacht, Werner Schroeter, F/D/Portugal 2008, 5. & 8.3.) Eine Stadt, irgendwo im Süden, im doppelten Belagerungszustand – von außen nähern sich feindliche Truppen und im Inneren traut keiner mehr dem anderen. In dieses düster-apokalyptische Setting kommt Ossorio (Pascal Greggory), um am Ende "dieser Nacht" gemeinsam mit seiner Geliebten zu fliehen. Traumwandlerisch, bild- und tongewaltig, mit großer pathetischer Geste, die Werner Schroeter wie kein anderer beherrschte, entwarf er eine Parabel über den Zustand der Welt am Rande eines vergehenden Zeitalters.
HEAVEN’S GATE (Michael Cimino, USA 1980, 6. & 9.3.) ist ein hypnotisierendes, opulentes Epos über die letzte Phase der Besiedlung des amerikanischen Westens. Basierend auf historisch verbürgten Ereignissen in Johnson County, Wyoming, um 1890, entwirft er das Stimmungsbild einer Epoche. Mit einer immensen Liebe zum Detail wird eine historische Kulisse rekonstruiert, aus der heraus sich die Geschehnisse entwickeln. Eine Gruppe von alteingesessenen Viehbesitzern fürchtet durch die nachziehenden Einwanderer um ihre Privilegien und ihren Reichtum. Zunächst mit Mitteln des Gesetzes, dann aber zunehmend gewalttätiger versuchen sie, die neuen Siedler zu vertreiben, bis die Konflikte eskalieren. Eine Parabel über Recht und Moral. Wir zeigen die restaurierte Langfassung des Films in einer neuwertigen 35-mm-Kopie.
SEDMIKRÁSKY (Tausendschönchen, Věra Chytilová, ČSSR 1966, 10. & 23.3.) Zwei gelangweilte, unzertrennliche Mädchen, Marie I und Marie II, beschließen angesichts der moralischen Verdorbenheit der Welt selbst ein "pervertiertes" Leben zu führen. Sie lassen sich von Männern zum Essen einladen und machen sich dann aus dem Staub, sie veranstalten ein Festmahl mit aus Illustrierten ausgeschnittenen Bratenstücken, stecken Papiergirlanden in Brand und verwüsten ein in einem Saal aufgebautes üppiges kaltes Büffet: ein anarchistisches, ausschweifendes Zerstörungsfest wider alle Normen.
Ein Programm mit drei Filmen des legendären Underground-Regisseurs Jack Smith, der spektakuläre Fantasiewelten zwischen Camp und Experiment schuf. FLAMING CREATURES (USA 1963) Die Travestie von Hollywood-B-Filmen wie "Ali Baba" und Hommage an die Schauspielerin Maria Montez wurde wegen angeblich pornografischer Darstellungen bei der Premiere beschlagnahmt und durfte jahrzehntelang nicht gezeigt werden. I WAS A MALE YVONNE DE CARLO (USA 1968–70) entstammt einer Reihe von Filmen und Diashows, in denen Smith sich als "Mock Celebrity" inszeniert. JUNGLE ISLAND (USA 1967) war Teil einer Horror andFantasy at Midnight-Performance. (11. & 24.3.)
BARRY LYNDON (Stanley Kubrick, GB/USA 1975, 12., 18. & 25.3.) Frei nach dem Roman von William Makepeace Thackeray schildert Stanley Kubrick in epischer Breite Stationen aus dem Leben des irischen Landadeligen Redmond -Barry Ende des 18. Jahrhunderts. Kubrick rekonstruierte die Epoche mit beispielloser Akribie, ließ Kostüme nach Original-Skizzen fertigen und drehte mithilfe einer Speziallinse der NASA Innenaufnahmen, die ausschließlich mit Kerzenlicht beleuchtet wurden. Panoramen und Porträts geben dem Film die Statik von Gemälden mit beeindruckender Farbgestaltung. Musik unterschiedlicher Genres – Volksmusik, Militärmusik, romantische Kammermusik – charakterisiert den Wechsel sozialer Milieus und kommentiert den gesellschaftlichen Aufstieg und Fall des Protagonisten.
GOYA (Konrad Wolf, DDR/UdSSR 1971, 19.3.) Basierend auf dem Roman von Lion Feuchtwanger zeigt Konrad Wolf den spanischen Maler als Mann des Widerspruchs, als zerrissenen Künstler – oszillierend zwischen Königstreue und Karriere auf der einen, Kritik an Kirche und Staat auf der anderen Seite. Jenseits der literarischen Adaption liefert Wolf in seinem opulenten Historienfilm eine weitere Übersetzungs- bzw. Integrationsleistung: Mit fast 80 Gemälden, Bildern und Zeichnungen von Goya durchwirkt Wolf seine farbenprächtige Künstlerbiografie, die sich vom ausstatterischen Superlativ immer mehr auf die Figur des einsamen und zweifelnden Goya konzentriert und spätestens hier zur Gegenwartsparabel wird. Wir zeigen eine 70-mm-Kopie.
IWAN GROSNYJ I (Iwan, der Schreckliche, Teil 1, S.M. Eisenstein, UdSSR 1943–45, 21. & 28.3.) In seinem letzten Film schuf Sergej Eisenstein eine neue Dimension des Historienfilms. Seine höchst eigenwillige Ästhetik aus strengen Bildkompositionen, klaustrophobischen Räumen und expressiver Schauspielkunst suggeriert eine immens dichte Stimmung von Leidenschaft, Tod, Schuld und Unheil. Im Mittelpunkt des zweiteiligen Films (eigentlich waren drei Teile geplant) steht der autokratische Herrscher des 16. Jahrhunderts, Iwan IV. Ein Leitmotiv des Films ist die Einsamkeit Iwans (Nikolai Tscherkassow), die ihn zu selbstquälerischen Grübeleien neigen lässt. Die Atmosphäre allseitigen Misstrauens, eines der Grundelemente des Films, führt zu einem verhängnisvollen Kreislauf des Bösen, in den Iwan beinahe gegen seinen Willen hineingezogen wird.
IWAN GROSNYJII (Iwan, der Schreckliche, Teil 2, S.M. Eisenstein, UdSSR 1943–46/1958, 22. & 29.3.) Während Sergej Eisenstein für Teil 1, der den Aufstieg Iwans darstellte, den Stalinpreis erhielt, wurde Teil 2, der zunehmend die schrecklichen Seiten Iwans zeigte, von Stalin 1946 verboten. Fast das gesamte Material des dritten Teils, von dem bereits vier Akte fertig geschnitten waren, wurde vernichtet. Eisenstein und der Hauptdarsteller Nikolai Tscherkassow mussten 1947 mit Stalin über mögliche Änderungen in Teil 2 beraten, zu denen es wegen Sergej Eisensteins Tod im Februar 1948 nicht kam. Die erste öffentliche Vorführung in der Sowjetunion erfolgte 1958, fünf Jahre nach Stalins Tod.
TABU. A STORY OF THE SOUTH SEAS (F.W. Murnau, USA 1931, 26. & 30.3., am Klavier: Eunice Martins) Einen paradiesischen Urzustand unschuldigen und reinen Lebens wollte Murnau mit seinem letzten Film TABU beschwören. Mit "Paradise" und "Lost Paradise" sind die zwei Kapitel des Films betitelt. Das Paradies, das ist das Leben von Reri und Matahi, zweier Liebenden auf der Südseeinsel Bora-Bora. Als ein Priester Reri zur den Göttern geweihten Jungfrau erklärt, die zu berühren und zu begehren fortan tabu ist, fliehen die beiden. Sie geraten in den zerstörerischen Einflussbereich der Zivilisation und ihrer Abhängigkeiten. Murnau verwirklichte seine Sehnsuchtswelt an Originalschauplätzen und mit Laiendarstellern.
Als Vorfilm zeigen wir Ulrike Ottingers Filmessay ALOHA (D 2016, 26. & 30.3.), der anlässlich der Murnau-Hommage im Lenbachhaus München (25.10.2016 bis 26.2.2017) entstand. "Die filmische Struktur von ALOHA entwickelt sich aus Schichtungen und assoziativen Spielen mit ähnlichen Gesten in Murnaus TABU und meinen Filmen, die Erstaunen, Begeisterung, Trauer oder Ekstase ausdrücken. Der Soundtrack meines Films entspricht nur punktuell dem Originalton; er ist den Bildern meist frei zugeordnet und arbeitet mit einem breiten Spektrum zusätzlicher Töne und Musiken, so dass eine neue Komposition von Ton und Bild entsteht. In ALOHA wird die große Bedeutung des Tanzes – des epischen Tanzdramas – und der Musik betont. Selbst die Fischtreibjagd scheint einer kunstvoll rhythmischen Choreographie zu folgen." (Ulrike Ottinger)