Eröffnet wird das 9. ALFILM mit AALA KAF IFRIT (Beauty and the Dogs, Kaouther Ben Hania, F/Tunesien/Schweden/Norwegen/Libanon/Schweiz/Katar 2017, 11.4., zu Gast: Mariam Al Ferjani) Die hübsche Mariam (Mariam Al Ferjani) feiert mit ihren Freunden auf einer Party, wo sie Youssef kennenlernt, mit dem sie die Feier verlässt. Es folgt eine Tour de Force für die junge Frau, die um ihre Rechte und Würde kämpfen muss. Nach einer wahren Geschichte zeichnet der Film ein atmosphärisches Bild des nachrevolutionären Tunesien, in dem die alten Machtstrukturen längst noch nicht überwunden sind, und Mariams Kampf um Gerechtigkeit zu einer weiblichen Selbstbehauptung gegen das System wird. In Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Eröffnung des SPOTLIGHT: ROOM FOR A MAN (Anthony Chidiac, Libanon/USA 2017, 12.4., zu Gast: Anthony Chidiac) Aus einem barock dekorierten Zimmer richtet sich eine Kamera auf die Außenwelt – auf einen anderen Raum, auf die Möglichkeit eines anderen Lebens. Die Kamera wird zum Mittler und Komplizen des Filmemachers in dieser autobiografischen Exploration der Konzepte von Männlichkeit und Zugehörigkeit. Zwischen einer dominanten Mutter, einem abwesenden Vater und den syrischen Bauarbeitern, die Anthonys Jugendzimmer renovieren, beginnt die Rekonstruktion einer queeren Identität zwischen Argentinien und dem Libanon.
A MEMORY IN KHAKI (Alfoz Tanjour, Katar 2016, 12.4.) Ausgehend von seiner eigenen Geschichte spürt Regisseur Tanjour den Biografien von Landsleuten nach, die aus politischen Gründen ihre Heimat Syrien verlassen mussten – viele bereits lange vor den Ereignissen von 2011. In der Farbe Khaki finden sie ein verbindendes Symbol der Unterdrückung durch das Regime und der Militarisierung der Gesellschaft. Aus den Erinnerungen der Protagonisten destilliert der preisgekrönte Film eine Alltagsatmosphäre von Angst und Terror, die die Ereignisse der letzten Jahre kontextualisiert.
WAJIB (Annemarie Jacir, Palästina/F/Kolumbien/D/VAE/Katar/Norwegen, 12.4.) Wajib – eine Verpflichtung – ist es, die Shadi (Saleh Bakri) aus Rom zurück in seine Heimat Nazareth führt. Dort steht die Heirat seiner Schwester Amal an, und Shadi muss an der Seite seines geschiedenen Vaters Abu Shadi (Saleh Bakris Vater Mohammad Bakri) persönlich die Hochzeitseinladungen an alle Gäste überreichen – so will es die Tradition. Unterwegs brechen dabei alte persönliche und politische Konflikte zwischen beiden Männern auf, doch Regisseurin Jacir schaut vor allem mit einem humorvollen Blick auf die Eigenheiten dieses christlichen Milieus, wo über Familiengeheimnisse genauso gern geschwiegen wird wie über Politisches.
DES MOUTONS ET DES HOMMES (Of Sheep and Men, Karim Sayad, F/Schweiz/Algerien 2017, 12.4.) Der 16-jährige Habib träumt davon, Tierarzt zu werden, doch ohne Schulausbildung bleibt sein einziges Ziel, seinen Schafbock dreimal siegreich in den Bock-Kampf zu führen. Der 42-jährige Samir hat sich den Realitäten des Lebens bereits gestellt – er will die Schafe nur noch gewinnbringend verkaufen, und das nahende Fastenbrechen bietet eine gute Gelegenheit dafür. In den Verhältnissen zwischen Mensch und Schaf, Kampf und Kauf, entfaltet sich ein ungewöhnliches Alltagsporträt Algeriens, in dem die Risse zwischen den Klassen sowie Vergangenheit und Gegenwart noch lange nicht geheilt sind.
MEIN PARADIES (Ekrem Heydo, D/Kurdistan-Syrien 2016, 13.4., zu Gast: Ekrem Heydo) Ein altes Klassenfoto führt Regisseur Heydo 25 Jahre später zurück in seine Heimat Serê Kaniyê (Ras el-Ain) im kurdischen Teil Nordsyriens. Das Foto bildet die multiethnische Gesellschaft aus Arabern, Kurden, Tschetschenen und Armeniern ab, die seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs in unterschiedliche ethnische und konfessionelle Lager gespalten ist. Nicht alle seiner Klassenkameraden findet Ekrem Heydo wieder – einer wurde getötet, andere flohen und ließen Besitz und Freunde zurück. Die Reise in die Vergangenheit wird zu einer Suche nach den Grundlagen des Zusammenlebens in einer politisch instabilen Region.
MAYYEL YA GHZAYYEL (Those Who Remain, Eliane Raheb, Libanon 2016, 13.4., zu Gast: Eliane Raheb) Im Norden Libanons, gefährlich nahe der syrischen Grenze, unterhält der in die Jahre gekommene Bauer Haykal ein Restaurant mit den Erträgen seines Landes und baut sich sein Familienheim eigenhändig auf. Doch die ländliche Idylle trügt, denn der Bürgerkrieg hat auch hier die eng beieinander lebenden christlichen, sunnitischen und schiitischen Gemeinden stark gespalten. Trotz des wirtschaftlichen Stillstands, der instabilen fragilen Situation und der enervierenden täglichen LKW-Kolonnen kämpft Haykal darum, seine Heimat und ein friedliches Zusammenleben nicht aufzugeben.
Kurzfilmprogramm „Unknown Distances“: (A DROWNING MAN, FIFTEEN, LAND OF OUR FATHERS, BONBONÉ, LAW OF THE LAMB, 13.4.) Versunken in die Hektik des Lebens, aber losgelöst von sich selbst: Die Filme betrachten Verlust, Gefangenschaft, Einsamkeit und Vertreibung nicht nur als physische Distanzen, sondern auch als das Unbekannte im Inneren.
VENT DU NORD (Northern Wind, Walid Mattar, Belgien/F/Tunesien 2017, 13.4.) Im Norden Frankreichs wird eine Schuhfabrik geschlossen und alle Maschinen werden an den neuen Standort in Tunesien abtransportiert. Hervé bleibt nicht mehr viel übrig, als sein Glück mit Fischen zu versuchen und so auch seinem nichtsnutzigen Sohn ein wenig Geschäftssinn beizubringen. Im Industriegebiet von Tunis steht nun Fouad an der Stanzmaschine, um seiner Mutter die dringend benötigten Medikamente zu besorgen und die schöne Kollegin Karima zu gewinnen. Mit Galgenhumor beleuchtet Mattar in seinem Langfilmdebüt die Bewegungen des Kapitals und der Menschen entlang der Nord-Süd-Achse zwischen Frankreich und Tunesien.
Kurzfilmprogramm „Lebanon: Wild at Heart“: (THE SHIELD THAT I CARRY, SALAMAT FROM GERMANY, MISSED FORTUNES, CLEANING SCHAERBEEK, THE PRESIDENT’S VISIT, 14.4.) Betrügereien, Klatsch, Lügen und Fallen: Geschichten von im Herzen wilden Libanesen, die sich völlig falsch benehmen und die blanke Wahrheit in sich und ihrer Gesellschaft entdecken.
SPOTLIGHT: OMAR GATLATO (Merzak Allouache, Algerien 1976, 14.4., zu Gast: Merzak Allouache) Ein Klassiker des arabischen Kinos, der erstmals in der restaurierten Fassung in Deutschland zu sehen ist. Männlichkeit und Machismo sind zentrale Elemente im Leben der Hauptfigur Omar. Großmäulig durchstreift er mit seinen Freunden die Straßen der Stadt und erlebt im Kino die Romantik-Phantasien des Bollywood-Films, doch seine wahre Leidenschaft ist die Musik, seine Kassettensammlung sein Schatz. Echte Begegnungen mit dem anderen Geschlecht verunsichern ihn jedoch, bis ihn eines Tages die Stimme der geheimnisvollen Selma auf einer gebrauchten Kassette in den Bann schlägt. Allouaches erster Langspielfilm spiegelt humorvoll die Realität einer algerischen Jugend, die zwischen universellen Träumen und realen Grenzen gefangen ist.
SPOTLIGHT: SAKEN (Sandra Madi, Jordanien/Palästina 2014, 14.4.) Ibrahim Salameh schließt sich 1980 der palästinensischen Widerstands-bewegung im Libanon an. Zwei Jahre später wird er bei einem Einsatz schwer verletzt und liegt seither querschnittsgelähmt im Veteranen-Krankenhaus der PLO in Amman, wo er von Walid gepflegt wird. Walid ließ seine Familie in Ägypten zurück, um in Jordanien Geld zu verdienen. Während Ibrahim in der vergangenen Glorie seiner Identität als Kämpfer schwelgt, verrichtet Walid die Pflege. Das Machtgefälle zwischen beiden, sowie Walids Heimweh gefährden die Freundschaft dieser ungleichen Männer zusehends.
SPOTLIGHT-Doublefeature: MAJNOUNAK: ON MEN, SEX AND THE CITY (Akram Zaatari, Libanon 1997/2016, 14.4.) Entlang der Küste Beiruts bittet der Filmemacher 1997 verschiedene Männer, von einem besonderen sexuellen Erlebnis zu berichten. Die so entstandenen Porträts männlicher Sexualität wurden 2016 neu arrangiert und technisch überarbeitet. CINEMA FOUAD (Mohammed Soueid, Libanon 1994, 14.4., zu Gast: Mohammed Soueid) Soueids intimes Porträt des syrischen Transsexuellen Khaled El Kurdi schlägt einen Bogen von Alltagsszenen hin zu El Kurdis Arbeit als Tänzer in einem Beiruter Nachtclub und seiner Beteiligung als Kämpfer im libanesischen Bürgerkrieg.
Kurzfilmprogramm – „(De-)Constructed Realities“ (TSHWEESH, LAST DAYS OF THE MAN OF TOMORROW, STREET OF DEATH, 15.4. zu Gast: Feyrouz Serhal, Fadi Baki, Karam Ghossein) Wie viel Fiktion ist Wahrheit und wie viel Wahrheit ist Fiktion? Auf tatsächlichen Ereignissen aufbauend, strecken und stellen diese Kurzfilme Zeit, Raum und Charaktere zusammen, um neue Realitäten zu enthüllen. Gefördert von der Robert Bosch Stiftung.
NIHAYAT SAIDA (Happily Ever After, Nada Riyadh, Ayman El Amir, Ägypten 2016, 15.4., zu Gast: Nada Riyadh) Inmitten der politischen Unruhen des „Arabischen Frühlings“ verliebt sich die Filmemacherin Nada in Ayman. Als Ayman aufgrund der sich verschlechternden sozialen und politischen Lage das Land verlassen will, ist Nada verunsichert. Kann sie ihn zum Bleiben bewegen? Offen stellt Nada sich ihren Ängsten und Zweifeln und versucht, an ihrer Liebe und der Hoffnung für ihr Land festzuhalten. Der intime Dokumentarfilm zeigt die Verunsicherung einer ganzen Generation junger Ägypter, die unter dem politischen Vermächtnis ihrer Elterngeneration leiden und doch ihre Gegenwart selbst gestalten wollen. In Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
SPOTLIGHT: AKHDAR YABES (Withered Green, Mohammed Hammad, Ägypten 2016, 15.4., zu Gast: Mohammed Hammad) Iman lebt nach dem Tod der Eltern mit der jüngeren Schwester Noha allein in Kairo. Gefangen zwischen den Sorgen des Alltags und unerklärlichen Veränderungen ihres Körpers erscheint die Mittdreißigerin so spröde wie ihre Kakteenzucht. Die anstehende Verlobung der launischen Noha könnte Iman aus ihren Pflichten befreien, doch die Tradition verlangt die Anwesenheit eines männlichen Verwandten beim Verlobungsritual. Da die Schwestern ihrer Familie nicht sehr nahestehen, muss Iman sich etwas einfallen lassen, während sie die Testresultate ihres Arztbesuches aus der Bahn zu werfen drohen.
SPOTLIGHT: MADAME COURAGE (Merzak Allouache, Algerien/F 2015, 15.4., zu Gast: Merzak Allouache) Ein schonungsloses Porträt einer verlorenen Generation, geprägt von Armut, Gewalt und Drogen. Der arbeitslose Omar finanziert sich durch Kleindiebstähle. Seine alleinerziehende Mutter traktiert ihn mit Gewaltausbrüchen, die Schwester prostituiert sich, und Omar leidet an der eigenen Handlungsunfähigkeit. Regelmäßig betäubt er sich mit „Madame Courage“, einer synthetischen Droge, die den Jugendlichen das Gefühl verleiht, unbezwingbar zu sein. Erst als er bei einem seiner Raubzüge auf das junge Mädchen Selma trifft, keimt in ihm ein Hoffnungsschimmer auf.
SPOTLIGHT: AL ABWAB AL MOGHLAKA (The Closed Doors, Atef Hetata, Ägypten 1999, 16.4.) Das Spielfilmdebüt Atef Hetatas spielt im Ägypten der Zeit des Ersten Golfkrieges. Der schüchterne, pubertierende Hamada lebt allein mit seiner geschiedenen Mutter Fatma (Sawsan Badr), die als Hausmädchen bei einer reichen Familie in Kairo arbeitet. Den Herausforderungen der Gesellschaft und seiner erwachenden Sexualität begegnet er mit zunehmend fundamentalistischer Religiosität, die auch die ödipal geprägte Beziehung zu seiner Mutter kippen lässt. Vielschichtig erzählt der Film das Drama eines Heranwachsenden, der statt männlicher Vorbilder nur Abziehbilder einer patriarchalen Gesellschaft zur Orientierung hat.
AL-MANAM (The Dream, Mohamad Malas, Syrien 1987, 16.4.) Special anlässlich von 70 Jahre Nakba: Alltag in den palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon 1981, die Menschen erzählen von ihren Träumen, das Radio spielt Musik. Ein surreales Bild von Wirklichkeit entsteht. Der Film wurde erst 1987 mit Hilfe des DDR-Fernsehens fertig gestellt, da Malas das Material nach den Massakern von 1982 nicht bearbeiten wollte, weil viele der damals porträtierten Bewohner nicht länger am Leben waren.
PALESTINE IN SIGHT: HANI JAWHARIYA (Mustafa Abu Ali, Palästina 1976, 16.4.) Eine Hommage an den Kameramann Hani Jawhariya der Palestine Film Unit der PLO, der wesentlich zum Entstehen der Filme des palästinensischen Widerstands beitrug. Jawhariya kam bei Dreharbeiten im Libanon um. Mit Unterstützung der Mission der Liga der arabischen Staaten.
17 (Widad Shafakoj, Jordanien 2017, 17.4.) Der Film begleitet das jordanische U-17-Frauenfußballteam während der Vorbereitung zur FIFA U-17-Frauenweltmeisterschaft in Jordanien 2016. Die Spielerinnen haben unterschiedliche soziale und sportliche Hintergründe und gehen mit Leidenschaft in die Vorbereitung. Die größte Herausforderung steht ihnen jedoch noch bevor: Sie werden auf die weltbesten Teams ihrer Klasse treffen. Der Film ist eine sensible Hommage an die Willenskraft, die diese Mädchen in einem traditionellen Land für einen Sport aufbringen, der noch immer eine Männerdomäne ist.
THE ROOF (Kamal Aljafari, Palästina 2006, 17.4.) Special anlässlich von 70 Jahre Nakba: Der Filmemacher kehrt zu seiner Familie nach Jaffa zurück. In langen Kameraeinstellungen, Gesprächen mit der Familie und der Erforschung der fragmentierten Geografie der Heimat legt Aljafari die Transformation des öffentlichen Raumes und seiner sozialen und historischen Strukturen durch die israelische Politik frei. Das titelgebende Dach verweist auf das fehlende Dach des Hauses, das die Familie seit 1948 bewohnt. Es gehörte einer anderen, damals ebenfalls vertriebenen palästinensischen Familie, und wurde nie fertig gestellt. (cj)