Direkt zum Seiteninhalt springen

Die von Hannes Brühwiler kuratierte Retrospektive ist den von der Schwarzen Liste betroffenen Filmschaffenden gewidmet und zeigt eine Auswahl ihrer Werke. Die 24 Filme, darunter zahlreiche sehr selten gezeigte, kreisen um Kernanliegen der linken Filmschaffenden: Faschismus (THE MAN I MARRIED), Ausbeutung (GIVE US THIS DAY / SALT AND THE DEVIL), Rassismus (CRY, THE BELOVED COUNTRY), Feminismus (I CAN GET IT FOR YOU WHOLESALE), kapitalistische Gier (FORCE OF EVIL) und immer wieder die Verzweiflung des Arbeitermilieus (THE SOUND OF FURY). In ihrer Summe ergibt sich eine linke Vision der USA, selten utopisch, dafür immer präzise analysierend. Ein Kino des „hellsichtigen Pessimismus“ (Noël Burch), das heute nichts von seiner Dringlichkeit eingebüßt hat.

Die meisten der gezeigten Filme wurden in den Jahren vor dem Entstehen der Blacklist gedreht. In ihnen offenbart sich, welche Freiräume sich die Filmemacher in den eng gesteckten Grenzen Hollywoods erarbeiten konnten und welche Widersprüche sich dabei ergaben. Deutlich wird auch, dass es (entgegen landläufiger Meinung) durchaus einen beachtlichen kreativen Aderlass gab. Billy Wilders böswilligem Kommentar, dass von den zehn „unfreundlichen Zeugen“ nur zwei Talent hätten, während die restlichen acht einfach nur unfreundlich seien,  soll mit dieser Retrospektive entschieden widersprochen werden. Mit JOHNNY GUITAR und RED HOLLYWOOD finden sich schließlich zwei Filme im Programm, die die Schwarze Liste in unterschiedlicher Form kommentieren.

Alle Spielfilme werden als 35-mm-Kopien gezeigt, viele davon in restaurierten Fassungen.

Anmerkung: Die Namen der von der Blacklist Betroffenen sind fett markiert.

THE SOUND OF FURY (aka TRY AND GET ME!) (Cy Endfield, USA 1951, 1. & 21.9.) Die Verzweiflung der unteren Mittelschicht: Voller Scham über seine Arbeitslosigkeit lässt sich ein Familienvater von einem Gangster zu einer Entführung verleiten. Die Polizei fasst die beiden Entführer, der sich entwickelnde Volkszorn der Bewohner des kleinen Städtchens ist unerbittlich. THE SOUND OF FURY ist ein düsterer Krimi, der sich in einem apokalyptischen Sturm entlädt, nie jedoch die sozialen Realitäten aus dem Blick verliert und somit viel über die alltägliche Verzweiflung des Arbeitermilieus erzählt. Ein Meisterwerk und die letzte Arbeit von Cy Endfield in den USA, bevor er sich gezwungen sah, nach England zu emigrieren. Vorfilm: THE HOLLYWOOD TEN (John Berry, USA 1950) Eine zeitgenössische Kurzdokumentation über die Hollywood Ten.

MARKED WOMAN (Lloyd Bacon, USA 1937, 2. & 7.9.) Lose basierend auf der Verurteilung von Lucky Luciano schildert MARKED WOMAN das Leben einer Gruppe von Hostessen. Als ein Gangster ihren Nachtklub übernimmt, gerät er ins Visier der Justiz. In der Auseinandersetzung zwischen dem Staatsanwalt (Humphrey Bogart) und der Unterwelt schlägt sich der Film auf die Seite der Frauen und zeigt, dass die Verurteilung des Verbrechers nur auf ihre Kosten geschehen kann. Diese Solidarisierung mit den Frauen und die Betonung der unterschiedlichen Klassenverhältnisse hält Drehbuchautor Robert Rossen bis zum Ende aufrecht: „Es ist die Weigerung, dieses eine Mal eben keine Familie zu gründen, die aus MARKED WOMAN einen absolut unvergesslichen Film macht, einen Film, der zu seiner Überzeugung steht.“ (Noël Burch)

THE MAN I MARRIED (Irving Pichel, USA 1940, 3. & 29.9.) Die Kunstkritikerin Carol Hoffman (Joan Bennett) besucht 1938 zusammen mit ihrem deutsch-amerikanischen Ehemann Eric (Francis Lederer) und dessen Sohn Nazi-Deutschland. Während sie schockiert über die Machthaber ist, verwandelt sich ihr Mann (auch wegen einer Affäre mit seiner Jugendliebe) in einen glühenden Bewunderer Hitlers. Hollywood scheute lange vor deutlicher Kritik an NS-Deutschland zurück. Irving Pichel teilte diese Zurückhaltung nicht. Sein Meisterstück THE MAN I MARRIED ist einer der frühesten Filme, der in eindringlichen Bildern vor der Gefahr der Nationalsozialisten warnt: Deutschland ist hier ein Polizeistaat, in dem Dissidenten in Konzentrationslager verbannt werden und Kritik lebensgefährlich ist.

BACK DOOR TO HEAVEN (William K. Howard, USA 1939, 5.9.) Basierend auf den Erinnerungen an einen Jugendfreund erzählen William K. Howard und sein Autor John Bright in der unabhängigen Produktion BACK DOOR TO HEAVEN, wie soziale Ungerechtigkeit in die Kriminalität führt: Frankie (Wallace Ford) wächst in ärmlichen Verhältnissen auf und hat – im Gegensatz zu seinen wohlhabenden Klassenkameraden – von Anfang an keine Chance. Heute weitgehend vergessen, gehörte Howard zu den wichtigen Regisseuren der 30er und 40er Jahre. Sein Film „ist eine brutale Attacke auf das kapitalistische System und seine Art, ‚Recht‘ zu sprechen. Frankie erscheint als zum Opfer bestimmte Schachfigur.“ (James Robert Parish/Michael R. Pitts)

FROM THIS DAY FORWARD (John Berry, USA 1946, 6.9.) John Berry konnte sechs Filme in Hollywood drehen, bevor die Blacklist ihn zur Emigration nach Frankreich zwang. In seinem zweiten Film FROM THIS DAY FORWARD blickt er auf Momente im Leben des Ehepaars Bill und Susan Cummings (Mark Stevens, Joan Fontaine). Der rote Faden ist dabei Bills konstante Arbeitslosigkeit und seine daraus resultierende tiefe Scham. In diesem außergewöhnlichen Porträt einer Arbeiterfamilie, das weitgehend auf melodramatische Effekte verzichtet, fanden sich 1946 noch Spuren von Optimismus. Nur fünf Jahre später, als Berry mit HE RAN ALL THE WAY seinen letzten Film in den USA drehte, war von dieser Hoffnung nichts mehr übrig.

THE BOY WITH GREEN HAIR (Joseph Losey, USA 1948, 7. & 13.9.) Der wohl eigenartigste Film der Retrospektive: Als der junge Peter (Dean Stockwell) erfährt, dass er Kriegswaise ist, färbt sich sein Haar über Nacht grün und in einer Vision fordern ihn andere Kriegswaisen auf, seine Stimme gegen den Krieg zu erheben. Joseph Loseys in Technicolor gedrehter Debütfilm ist ein zentrales Werk des Kinos des Kalten Kriegs. „Eine allegorische und außergewöhnlich charmante Fabel, die gleichzeitig die Welle der Paranoia des Kalten Kriegs und den alltäglichen Rassismus thematisiert. Die Szene, in der dem kleinen Jungen der Schädel kahl rasiert wird, evoziert die erniedrigenden Rituale vor dem HUAC-Komitee.“ (Thom Andersen, Noël Burch)

Vorfilm: THE HOUSE I LIVE IN (Mervyn LeRoy, USA 1945) Frank Sinatra singt gegen Antisemitismus.

THE SEA WOLF (Michael Curtiz, USA 1941, 8. & 24.9.) Jack Londons Roman „Der Seewolf“ aus dem Jahr 1904 wurde immer wieder verfilmt, doch keine Adaption reicht an die von Michael Curtiz heran. Wolf Larsen (Edward G. Robinson) terrorisiert als Kapitän der „Ghost“ seine Mannschaft nach dem Motto: Nur die Starken werden überleben. Das Drehbuch von Robert Rossen spiegelte das Zeitgeschehen wider. Neben dem nominellen Helden des Buchs, dem Schriftsteller Alexander Knox, werden vor allem zwei weitere Figuren hervorgehoben, mit explizitem working-class-Hintergrund: Die Prostituierte Ruth (Ida Lupino) und der wütende Drifter George (John Garfield). Der Bösewicht Larsen wiederum ist Produkt eines unerbittlichen Wirtschaftssystems (und Platzhalter für die Nazis), während Ruth und George für die Opfer des Kapitalismus stehen. Nach Ende der Dreharbeiten bemerkte Ida Lupino, der Film könnte auch glatt als Porträt der aktuellen Situation durchgehen.

HE RAN ALL THE WAY (John Berry, USA 1951, 8.9.) bot John Garfield als wichtigstem working-class hero Hollywoods eine letzte große Rolle: Nach einem mißglückten Überfall erschießt der Kleinkriminelle Nick auf der Flucht einen Polizisten. Er verschanzt sich in der Wohnung einer Familie und nimmt diese als Geiseln. HE RAN ALL THE WAY ist ein Schlüsselfilm des Blacklist-Kinos und zugleich eine Art Endpunkt: John Garfield starb ein Jahr später 39-jährig an einem Herzinfarkt. John Berry floh, als FBI-Agenten versuchten, ihm die HUAC-Vorladung zu übergeben, durch ein Fenster aus seiner Wohnung und emigrierte nach Europa. Seine Wahl fiel auf Paris: „Ich wollte kein Englisch mehr sprechen.“

GIVE US THIS DAY / SALT AND THE DEVIL (Edward Dmytryk, GB 1949, 9. & 28.9.) Bevor Edward Dmytryk als einer der „Hollywood Ten“ seine Gefängnisstrafe antreten musste, drehte er in England noch den ungemein bewegenden GIVE US THIS DAY. Die Adaption von Pietro di Donatos Roman „Christ in Concrete“ handelt von einer Gruppe Maurer, die sich und ihre Familien nur mit Mühe während der Weltwirtschaftskrise über Wasser halten können. Für den Filmwissenschaftler Peter Bondanella ist es eine „der ersten Hollywood-Darstellungen von Italoamerikanern, die dabei auch den Einfluss des italienischen Films – namentlich des Neorealismus – reflektiert.“ Ein zentrales Werk des Kinos der Blacklist-Zeit, heute so gut wie vergessen und eine der großen Entdeckungen der Retrospektive.

GUN CRAZY (Joseph H. Lewis, USA 1950, 10. & 21.9., Einführung: Lukas Foerster) Bart (John Dall) ist im Grunde ein friedlicher Kerl. Allerdings: Seit seiner Kindheit liebt er Schusswaffen und fühlt sich magisch von ihnen angezogen. Als er die verführerische Scharfschützin Annie (Peggy Cummings) trifft, ist es um ihn geschehen. Die beiden Waffennarren erfinden sich als Bonnie and Clyde-artiges Liebespaar neu und gehen dorthin, wohin ihre Waffen sie führen. GUN CRAZY, geschrieben von Dalton Trumbo, inszeniert von B-Movie-König Joseph H. Lewis, ist ein vertrackt-verführerisches Meisterwerk über die Faszina-tion von Gewalt. Besonders legendär ist die lange, vom Rücksitz eines Autos gefilmte Plansequenz.

I CAN GET IT FOR YOU WHOLESALE (Michael Gordon, USA 1951, 11. & 18.9.) Susan Hayward drehte mit Smash-Up: The Story of a Woman (1947) und 
I CAN GET IT FOR YOU WHOLESALE zwei wichtige Werke, die die stereotypen Rollenbilder von Frauen im Kino hinterfragten. Letzterer ist in der New Yorker Modeindustrie angesiedelt. Dort wird Harriet Boyd (Susan Hayward) ihrer Rolle als Model überdrüssig und arbeitet sich zur gefeierten Modedesignerin hoch – sehr zur Irrita-tion ihrer männlichen Kollegen, die es gewohnt sind, über Frauen zu verfügen. Der Film pulsiert vor Leben: Die wunderschönen Straßenaufnahmen New Yorks, das rasante Drehbuch von Abraham Polonsky (Adaption: Vera Caspary) und mittendrin Susan Hayward: „She moves like she knows she’s beautiful, she smiles like she knows what she’s gonna get, she snaps her lines like she knows what’s working against her.“ (Farran Smith Nehme)

THIEVES’ HIGHWAY (Jules Dassin, USA 1949, 12.9.) Als Jules Dassin Ende der 40er Jahre in den Fokus des HUAC geriet, befand er sich auf dem Höhepunkt seiner amerikanischen Karriere. Neben Brute Force (1947) und The Naked City (1948) sticht besonders THIEVES’ HIGHWAY hervor. Es ist einer der besten Film noirs seiner Zeit, angesiedelt im gleißenden Sonnenlicht Kaliforniens und der pechschwarzen Nacht der Straßen. Virtuos verknüpft Dassin hier zwei Erzählstränge miteinander: der Wunsch eines Sohnes, den mysteriösen Unfall seines Vaters aufzuklären und Rache zu üben, sowie die Schilderung der ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse der LKW-Fahrer, die dem kapitalistischen System hilflos ausgeliefert sind.

NATIVE LAND (Leo T. Hurwitz, Paul Strand, USA 1942, 13.9.) Eine Ahnung davon, mit welch brutaler Gewalt sich Gewerkschaften in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts konfrontiert sahen, vermittelt NATIVE LAND. Wir sehen Bilder des Bürgerkriegs, der Freiheitsstatue, dokumentarische Aufnahmen von Amerikanern, die zur Arbeit gehen, sowie inszenierte Episoden von Spitzeln und aufrechten Farmern, die von Schlägern ermordet werden. NATIVE LAND gelingt eine virtuose Verknüpfung von radikal-politischen Ideen mit einem avancierten ästhetischen Konzept: „Funktion dieser Technik war, miteinander scheinbar unverbundene Ereignisse und Motive in ihren tatsächlichen, gemeinsamen Kontext zu stellen und so ihre geheimen Ursachen und Widersprüche aufzudecken.“ (Leo T. Hurwitz)

FORCE OF EVIL (Abraham Polonsky, USA 1948, 15.9., Einführung: Gina Telaroli & 25.9.) Im Kino-Kosmos der Schwarzen Liste ist FORCE OF EVIL das bekannteste Werk, ein Fixstern, an dem sich andere Produktionen orientierten. Abraham Polonskys Regiedebüt ist eine der wütendsten Verurteilungen des Kapitalismus, die das US-Kino je hervorgebracht hat. Doch Polonsky geht noch weiter: Kapitalismus wird mit Kriminalität gleichgesetzt und beide als sich gegenseitig bedingende Kräfte dargestellt. Der ehrgeizige Anwalt Joe Morse (John Garfield) arbeitet an der Wall Street für einen Gangster, der das illegale Glücksspiel der Stadt unter seine Kontrolle bringen möchte. Während Joe aufsteigt, wird die Existenz seines ebenfalls im Wettgeschäft tätigen Bruders (Thomas Gomez) immer prekärer. Seinen zweiten Film Tell Them Willie Boy Is Here konnte Polonsky erst 21 Jahre später inszenieren, in den Anfängen von New Hollywood.

JOHNNY GUITAR (Nicholas Ray, USA 1954, 15.9.) Der Western schien sich besonders für die Verurteilung der anti-kommunistischen Massenhysterie anzubieten, wie etwa in High Noon (1952), Silver Lode (1954) oder Terror in a Texas Town (1958). Doch keiner dieser Filme reicht an den Farbensturm und die Intensität von Nicholas Rays Meisterwerk heran, in dem sich Vienna (Joan Crawford) gegen einen Lynchmob wehren muss, der von ihrer Rivalin angestachelt wurde. „Ein surreales Pas-sionsspiel, von den wilden Farben des kurzlebigen Trucolor-Prozesses in den Olymp gehoben. Ganz in Weiß, vor glühend rotem Felshintergrund, sitzt Vienna am Klavier, als die schwarz wogende Meute hereinstürzt und ihr Lokal den Flammen überantwortet.“ (Christoph Huber)

SALT OF THE EARTH (Herbert J. Biberman, USA 1954, 16.9.) Angeführt von einer Gruppe von Filmemachern, die auf der Blacklist standen (Herbert J. Biberman, Paul Jarrico und Michael Wilson) und unterstützt von vielen Laiendarstellern, wurde 1953 in New Mexico SALT OF THE EARTH gedreht. Der Film handelt von einem Bergbauarbeiterstreik, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf die Frauen der Streikenden gelegt wird. Mit seiner Fokussierung auf Gewerkschaften und den Kampf der Frauen für ihre Rechte war es nur eine Frage der Zeit, bis sich eine konservative Gegnerschaft formierte. Doch entgegen aller -Widerstände – lokale Schlägerbanden, Hetzkampagnen in der Presse, FBI-Spitzel und schließlich die Deportation der mexikanischen Hauptdarstellerin – konnte dieser außergewöhnliche Film fertiggestellt werden.

CRAIG’S WIFE (Dorothy Arzner, USA 1936, 17.9., Einführung: Gina Telaroli) Harriet Craig (Rosalind Russell) hat alles genau geplant. Ihr Haus, ihr Leben, selbst ihren Mann (John Boles) betrachtet sie als Objekt, die es zu managen gilt. Von Romantik und Liebe hält sie dementsprechend gar nichts. Als ihr Mann des Mordes verdächtigt wird, sieht sie ihren eigenen Ruf in Gefahr. Dorothy Arzner war die einzige Regisseurin, die im klassischen Hollywoodkino regelmäßig drehen konnte und CRAIG’S WIFE ist einer ihrer schönsten Filme. „Ein erschreckendes, aller Leichtigkeit, allem Witz zum Trotz unsagbar brutales Werk über Warenwerte und Klassenfragen, also darüber, was man sich wirklich kaufen kann im Leben. Wobei Arzners Film in Gesellschaftsanalyse wie Figurenzeichnung ungleich subversiver und vielschichtiger ist als die Vorlage: Die kapitalistische Gesellschaft ist hier eine Art Bordell, ein Durchgangsort, wo viele Grenzen im Grau versickern.“ (Rui Hortênsio da Silva e Costa)

CRY, THE BELOVED COUNTRY (Zoltan Korda, GB 1951, 19.9.) 1943 drehten Zoltan Korda und John Howard Lawson mit Sahara einen Kriegsfilm, der sich für eine internationale Gemeinschaft aussprach – und das vom Dach eines Panzers aus erzählt. Ihre zweite Zusammenarbeit CRY, THE BELOVED COUNTRY spielte in Südafrika zu Beginn der Apartheid. Die Geschichte zweier Väter, der eine ein schwarzer Priester, der andere ein weißer Farmer, deren Wege sich kreuzen, blickt geradezu nüchtern auf die Rassentrennung und deren Auswirkungen. „Diese englische Produktion über die südafrikanische Apartheid steht im bemerkenswerten Kontrast zu anderen zeitgenössischen Hollywood-Produktionen, die amerikanischen Rassismus thematisieren. Der Film gibt sich keiner Hoffnung auf Verbesserung und Versöhnung hin.“ (Thom Andersen, Noël Burch)

RUTHLESS (Edgar G. Ulmer, USA 1948, 20.9., Einführung: Chris Fujiwara & 28.9.) Edgar G. Ulmer war einer der Starregisseure der Poverty Row Studios. Mit knappen Mitteln drehte er dort Meisterwerke des B-Movies. Die unabhängige Produktion RUTHLESS ist ein ganz besonderer Höhepunkt seiner Karriere. Vom verarmten Waisenkind hin zum reichen Wall-Street-Magnaten folgen wir dem Aufstieg eines skrupellosen Mannes (Zachary Scott). Mit Alvah Bessie und Gordon Kahn schrieben zwei der zentralen kommunistischen Aktivisten Hollywoods am Drehbuch mit und lieferten ihre Version des Amerikanischen Traums. Oder in den Worten Ulmers: „A very bad indictment against 100 percent Americanism.“ Die unausweichliche Selbstzerstörung und die virtuose Flashback-Inszenierung machen RUTHLESS zum Citizen Kane des B-Movies.

M (Joseph Losey, USA 1951, 22.9., Einführung: Chris Fujiwara & 29.9.) Im Remake von Fritz Langs M (1931) weicht das Berlin der nervösen Zwischenkriegsjahre dem Los Angeles des Kalten Krieges. Auf den ersten Blick hält sich Losey dabei überraschend eng an die Handlung der Vorlage. Der von Polizei und Unterwelt gejagte Kindermörder wird hier jedoch viel deutlicher als Individuum, das Teil einer Gesellschaft ist, dargestellt. Überhaupt ist es ein Film, der den Kontakt zur Außenwelt geradezu sucht. Während Lang seinen Film als aufwendige Studioproduktion inszenierte, streift Losey mit der Kamera durch das Los Angeles der 50er Jahre: In den Straßen, Gassen und Parkhäusern ergibt sich eine Ahnung, wie ein amerikanischer Neorealismus aussehen könnte. Ein Meisterwerk.

THE BREAKING POINT (Michael Curtiz, USA 1950, 22.9.) 1944 adaptierte Howard Hawks Ernest Hemingways To Have and Have Not mit Bogart-Bacall als düster funkelnden Film noir. Sechs Jahre später wurde der Roman unter der Regie von Michael Curtiz erneut verfilmt. Unterschiedlicher könnten die beiden Versionen kaum sein. Die Geschichte des Kapitän Henry Morgan (John Garfield), der sich aus finanzieller Not immer mehr in kriminelle Machenschaften ziehen lässt und einen Kompromiss nach dem anderen eingeht, bis von seiner Würde nur noch wenig übrig ist, wird hier als geradezu epische Tragödie eines Arbeiters erzählt. Die atmosphärisch dichte Inszenierung, eine werkgetreue Romanadaption und das Schauspielerensemble um Garfield machen THE BREAKING POINT zum vielleicht schönsten Film im Werk von Curtiz.

CROSSFIRE (Edward Dmytryk, USA 1947, 23.9.) Drei Soldaten (Robert Mitchum, Robert Ryan, Robert Young) kehren nach Kriegsende in ihre Heimat zurück. Auf der Suche nach neuen Feinden tötet einer von ihnen einen Juden. Während die Polizei die Ermittlungen aufnimmt, versuchen die anderen beiden einem fälschlich beschuldigten Kameraden zu helfen. CROSSFIRE ist detective story und explizite Anklage antisemitischer Gewalt. Edward Dymtryk und der Produzent Adrian Scott drehten zusammen mehrere Filme für RKO, darunter den Klassiker Murder, My Sweet (1944). Der oscarnominierte CROSSFIRE war ihr größter und zugleich letzter gemeinsamer Erfolg. Beide gehörten zu den „Hollywood Ten“, die 1947 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurden.

RED HOLLYWOOD (Thom Andersen, Noël Burch, USA 1996/2013, 26.9.) Die Dokumentation ist das Ergebnis einer jahrelangen Forschungsarbeit und ein revisionistischer Blick auf die Geschichte Hollywoods. Anhand wichtiger Schlüsselwörter (Mythos, Hass, Krieg, Klasse, Gewalt, Geschlechter, Tod), mit Interviews und Filmausschnitten, zeigen sie auf, welchen Beitrag die kommunistischen Filmemacherinnen und Filmemacher in Hollywood geleistet haben und welche Widersprüche dabei entstanden.

THE YOUNG ONE / LA JOVEN (Luis Buñuel, Mexiko/USA 1960, 30.9.) Bis heute ist THE YOUNG ONE, einer von Buñuels eigenen Lieblingsfilmen, ein gut gehütetes Geheimnis der Filmgeschichte. Der von Hugo Butler geschriebene Film ist eine meisterhafte Satire über sexuelle und rassistische Vorurteile: Ein schwarzer Jazzmusiker, der der Vergewaltigung einer weißen Frau verdächtigt wird, flieht auf eine Insel, freundet sich dort mit einer Minderjährigen an, die wiederum bei ihrem Vormund sexuelle Begierde auslöst. Der Film wirkt in seiner Einzigartigkeit, Komik und grundsätzlichen weirdness zuweilen wie von einem anderen Planeten, ist aber auch in dem Moralsystem, das er attackiert, ein ungemein genaues Spiegelbild seiner Zeit. (hb)

Ermöglicht wird die Retrospektive dank einer Förderung des Hauptstadtkulturfonds.

Gefördert durch:

  • Logo des BKM (Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien)

Arsenal on Location wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds