THE DEVIL IS A WOMAN (Josef von Sternberg, USA 1935, 1. & 4.3.) Spektakuläre Verwandlung einer Schauspielerin in sieben gemeinsamen Filmen: von der munter-unbekümmerten, etwas derben Lola-Lola in Der blaue Engel (1930) zum ätherisch-schönen, geheimnisvollen Vamp in THE DEVIL IS A WOMAN. Die Transformation von Marlene Dietrich in den Filmen Josef von Sternbergs, seine Modellierung einer neuen Kinofigur, ist legendär. THE DEVIL IS A WOMAN ist ihre letzte Zusammenarbeit: Das so überbordende wie artifizielle, vollkommen im Studio gedrehte Melodram – Marlene Dietrich als spanische Sängerin macht aus zwei Freunden erbitterte Rivalen – wurde für die Paramount zum Desaster. Nicht nur fiel der Film bei Kritik und Publikum durch, sondern auch der spanische Staat sah sich im Film verunglimpft und bestand auf der Vernichtung sämtlicher Kopien und Negative.
BAISERS VOLÉS (Geraubte Küsse, François Truffaut, F 1968, 3. & 6.3.) Ihr Debütfilm Les quatre cents coups machte Regisseur und Hauptdarsteller 1959 schlagartig bekannt. In vier weiteren Filmen übernahm Léaud zwischen 1962 und 1979 die Aufgabe, verschiedene Lebensabschnitte der Filmfigur Antoine Doinel zu verkörpern, die in dieser Zeit sowohl zum Alter Ego des Filmemachers wie auch des Darstellers wurde. Der dritte Teil der Antoine-Doinel-Saga handelt vom Abschied von der Jugend und dem Traum der großen, leidenschaftlichen Liebe. Unehrenhaft aus der Armee entlassen, lässt Antoine Doinel sich treiben und versucht sich als Nachtportier, Detektiv, Schuhverkäufer und Fernsehtechniker. Emotional ist er hin- und hergerissen zwischen der gleichaltrigen Christine (Claude Jade) und der Frau des Schuhsalonbesitzers Fabienne Tabard (Delphine Seyrig) – für Antoine Verkörperung der reifen Frau von Welt und das Ideal der absoluten Liebe.
SUNRISE: A SONG OF TWO HUMANS (F.W. Murnau, USA 1927, 9. & 14.3.) Drehbuchautor bzw. „Film-Dichter” (Joseph Roth) Carl Mayer und Regisseur F.W. Murnau, die gemeinsam sieben Filme realisierten, gehörten in den 20er Jahren zu den berühmtesten Arbeitsgespannen des Weimarer Kinos. In SUNRISE, ihrer letzten (erhaltenen) Zusammenarbeit und Murnaus Hollywood-Debüt, wird ein Farmer von einer mondänen Großstadtschönheit umspielt und beinahe dazu gebracht, seine Frau umzubringen. „Ein Film der Verzauberung wie ein lang anhaltender, nicht enden wollender Traum – Summe und Höhepunkt von Murnaus Werk. Dieser deutsche, in Hollywood gedrehte, im ostpreußisch-amerikanischen Niemandsland angesiedelte Film besteht aus einer gleichermaßen mühelosen wie total kontrollierten Abfolge sich einander entzündender Gegensätze: Mann und Frau, Liebe und Hingerissenheit, Stadt und Land, Studio und Natur, Tragik und Komik, lyrische Stimmung und Dramatik, Tiefenschärfe und weiches Zerfließen.“ (Harry Tomicek)
SÅSOM I EN SPEGEL (Wie in einem Spiegel, Ingmar Bergman, Schweden 1961, 10. & 13.3.) Über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten hat Sven Nykvist in mehr als 20 Filmen Ingmar Bergmans die Kamera geführt. Bei den Dreharbeiten zu SÅSOM I EN SPEGEL entwickelte Bergman mit Nykvist den sogenannten „Bleistiftton“ seiner Filme, durch den er die visuellen Möglichkeiten erkundete, das Licht als Ausdruck für Einfachheit und Klarheit einzusetzen. Der Film eröffnet eine Trilogie zum Thema Glauben, der Titel ist Paulus’ 1. Korintherbrief entnommen: „Jetzt sehen wir nur dunkel, wie in einem Spiegel – dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich’s stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.“ Der Spiegel der Selbsterkenntnis ist in Bergmans Film die unheilbar kranke Karin (Harriet Andersson). Die Begegnung mit der an einer Art Schizophrenie unter religiösen Vorzeichen Leidenden scheint Veränderungen in der von Beziehungsarmut und Entfremdung geprägten Familie zu ermöglichen.
TOKYO MONOGATARI (Die Reise nach Tokio, Yasujiro Ozu, Japan 1953, 11. & 25.3.) Er war Ozus Lieblingsschauspieler: In 52 seiner 54 Filme wirkte Chishu Ryu mit und prägte sie mit seinem fein nuancierten, zurückhaltenden Spiel, in dem ein leise geäußertes „hm“ oft mehr sagte als es Worte vermögen. In Ozus Filmen, die in immer neuen Variationen ähnliche Themen umkreisen, kam ihm in der Regel die Rolle des Vaters zu. So auch in TOKYO MONOGATARI, in dem ein älteres Ehepaar während eines Besuchs bei den Kindern und Enkeln in Tokio feststellt, dass sich die Familie auseinandergelebt hat. Ein melancholischer Abgesang auf den Mythos der japanischen Familie.
PIDÄ HUIVISTA KIINNI, TATJANA (Tatjana, Take Care of Your Scarf, Aki Kaurismäki, Finnland 1994, 15. & 17.3.) Kein Darsteller hat die frühen Filme Aki Kaurismäkis so sehr geprägt wie Matti Pellonpää (1951–1995): „Er war nicht nur der Hauptdarsteller in vielen meiner Filme, er war einer von meiner Art, wie es bei Antoine de Saint-Exupéry heißt.“ In dieser Hommage an den Rock’n’Roll und das Finnland der 60er Jahre treffen Valto und der Rocker Reino (Matti Pellonpää) bei einer Spritztour im frisch reparierten Wolga auf Tatjana (Kati Outinen, das prägende weibliche Gesicht in Kaurismäkis Werk) und Klavdia, die mit ihrem Reisebus liegen geblieben sind. Die Kommunikation innerhalb der neuen Fahrgemeinschaft wird von der Unbeholfenheit der beiden Männer im Umgang mit Frauen erschwert. Während Valto hartnäckig schweigt, versucht Reino mit der Frage „Hast Du gewusst, dass man den 14er Ringschlüssel am häufigsten braucht?“ mäßig erfolgreich ein Gespräch in Gang zu bringen. Doch Tatjana und Reino finden sich in einer der schönsten Liebesszenen Aki Kaurismäkis auch ohne große Worte.
AGUIRRE, DER ZORN GOTTES (Werner Herzog, BRD 1972, 16. & 21.3.) war die erste große Zusammenarbeit zwischen Werner Herzog und dem Schauspieler Klaus Kinski. Über die schwierige Beziehung zwischen ihm und Kinski hat Herzog einen programmatisch betitelten Dokumentarfilm zum Thema gemacht: Mein liebster Feind (1999). Lope de Aguirre (Klaus Kinski), ein spanischer Conquistador des 16. Jahrhunderts, sagt sich während einer Expedition durch das Amazonasgebiet von der spanischen Krone los und will seinen eigenen Staat gründen. Aguirre befindet sich in offener Auflehnung gegen Gott und Natur und ist besessen, das mythische Königreich El Dorado zu erobern. Als er sein Ziel nicht erreicht, verfällt er dem Wahnsinn. Eine an Originalschauplätzen verfilmte historische Chronik um Irrsinn, Imperialismus und eine monströse Führerfigur.
CESARE DEVE MORIRE (Cäsar muss sterben, Paolo und Vittorio Taviani, I 2012, 18. & 31.3.) Die 1929 und 1931 geborenen Brüder Paolo und Vittorio Taviani drehen seit den 60er Jahren und bis heute in gemeinsamer Regie Filme. CESARE DEVE MORIRE, der Gewinner des Goldenen Bären der Berlinale 2012, führt sie in ein römisches Gefängnis, wo sie den Entstehungsprozess einer Inszenierung von Shakespeares „Julius Cäsar“ beobachten. Die schauspielenden Häftlinge lassen sich auf das Theater und auf ihre Rollen ein und machen jeder für sich eine Veränderung durch. „Seit ich der Kunst begegnet bin, ist diese Zelle für mich ein Gefängnis geworden“, sagt der Darsteller des Cassius nach dem Auftritt, als der Applaus nur noch eine ferne Erinnerung ist.
KLASSENVERHÄLTNISSE (Danièle Huillet, Jean-Marie Straub, BRD/F 1983, 19. & 29.3.) In vier Jahrzehnten haben die radikalen Filmemacher Danièle Huillet und Jean-Marie Straub gemeinsam über 30 Filme gedreht, die ausnahmslos auf literarischen oder musikalischen Vorlagen beruhen und die filmische Interpretationsarbeit der „Erfilmer“ offen ausstellen. Ganz besonders ist das der Fall in der Kafka-Adaption KLASSENVERHÄLTNISSE. In klaren, eindringlichen Bildern inszenieren sie Ereignisse im Leben des jungen, von seiner Familie verstoßenen Karl in Amerika. Dort muss er sich im gnadenlosen Existenzkampf des Kapitalismus durchschlagen und lebt in einem vielfältigen Netz von Abhängigkeiten und Unterdrückung.
ZUR SACHE, SCHÄTZCHEN (May Spils, BRD 1968, 20. & 30.3.) Die Regisseurin May Spils und der Schauspieler Werner Enke brachten mit ZUR SACHE, SCHÄTZCHEN, dem vier Nachfolgefilme bis 1983 folgen sollten, einen neuen Ton ins deutsche Kino. Die anarchisch-verspielte Komödie um einen Schwabinger „Gammler“ lebt den Protest eher im Privaten und in der Verweigerung als in gewichtigen Parolen. Protagonist Martin (Werner Enke) verbringt den Tag am liebsten im Bett, zeichnet Daumenkinos und kann nur unter Anwendung raffinierter Überredungstechniken seines arbeitslosen Freundes Henry (Henry van Lyck) dazu gebracht werden, ein paar Schlagertexte zu verfassen.
THE BIG SLEEP (Tote schlafen fest, Howard Hawks, USA 1946, 23. & 28.3.) On- und off-screen ein Paar: Lauren Bacall und Humphrey Bogart, deren vier gemeinsame Filme allesamt dem Film noir zuzurechnen sind. THE BIG SLEEP, nach dem gleichnamigen Roman von Raymond Chandler, zählt zu den Klassikern des Genres. Der Privatdetektiv Philip Marlowe (Humphrey Bogart) wird von dem Millionär Sternwood engagiert, einem Erpresser auf die Spur zu kommen, der droht, die Verbindungen von Sternwoods rauschgiftsüchtiger Tochter Carmen in die Halbwelt öffentlich zu machen. Bald erkennt Marlowe, dass auch Carmens undurchsichtige Schwester Vivian (Lauren Bacall) Kontakte zu einer Verbrecherbande hat, und er sieht sich in ein Netz von kaum überschaubaren Verbrechen verstrickt.
BLACK NARCISSUS (Michael Powell und Emeric Pressburger, GB 1947, 24. & 27.3.) „Written, produced and directed by Michael Powell and Emeric Pressburger“: Mit diesen Worten beginnen die gemeinsamen Filme eines einzigartigen Autoren-Regie-Produzenten-Gespanns. In BLACK NARCISSUS kommt eine Gruppe von britischen Nonnen in eine abgelegene Himalaja-Region, um in einem verlassenen Haremspalast ein Kloster zu gründen. In der ungewohnten Um-gebung brechen in den Nonnen bald alte Lei-denschaften und nur mühsam unterdrückte erotische Spannungen auf. Komplett in den -Pinewood-Studios in London gedreht, entwerfen Powell und Pressburger eine vollkommene künstliche Welt, deren exzessive Farben und extreme Gegensätze ihren Widerhall in den Gefühlen der Ordensschwestern finden. (hjf/mg/al)