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INDAGINE SU UN CITTADINO AL DI SOPRA DI OGNI SOSPETTO (Investigation of a Citizen Above Suspicion, Elio Petri, Italien 1970, 1. & 12.9.) Als „über jeden Verdacht erhaben“ – wie schon der Titel dieser abgründigen Abrechnung mit den staatlichen Rechts- und Ordnungshütern Italiens besagt – wähnt sich Dottore (Gian Maria Volonté). Als ehemaliger Leiter der Mordkommission, der gerade eben in der Polizeihierarchie weiter aufgestiegen ist, macht er die Probe aufs machtstrukturelle Exempel: Kaltblütig bringt er seine Freundin um und hinterlässt eine Vielzahl erdrückender Beweise seiner Täterschaft. Die eindeutigen Spuren werden innerhalb des Polizeiapparats jedoch ignoriert, übersehen, umgedeutet. Dottores Unantastbarkeit scheint vollkommen. Ein kafkaesk-grotesker Polit-Thriller als universelle Reflexion über Macht(missbrauch), Abhängigkeit und Willkür.

THE NUTTY PROFESSOR (Jerry Lewis, USA 1963 | 2. & 8.9.) Jahrzehntelang im deutschsprachigen Raum als „Groteskfilm“ bezeichnet, gilt dieslapstick comedy neben dem Horrorfilm als besonders grotesk-affines Genre, was sich mühelos und dabei rasend komisch in Jerry Lewis’ vierter Regiearbeit nachvollziehen lässt. Vor der Kamera oszilliert Lewis – einer der berühmtesten Slapstick-Komiker und König der Körperverrenkung – zwischen zwei Extremen: dem verwirrten und gefährlich experimentierfreudigen Chemieprofessor Kelp und dem aalglatten, coolen Frauenheld Buddy Love. Die atemberaubende Jekyll-und-Hyde-Variante gilt als Lewis’ Meisterwerk, dessen Feuerwerk (im wahrsten Sinne) der Verwandlungskunst auch farbspektakelnde Qualitäten hat.

LE CHARME DISCRET DE LA BOURGEOISIE (Der diskrete Charme der Bourgeoisie, Luis Buñuel, F/E 1972, 4. & 9.9.) Ein aufgebahrter toter Gastronom in seinem Restaurant, dealende Diplomaten, Stofftiere als Zielscheiben, rachsüchtige Priester, kiffende Militärs – eine Vielzahl zunehmend surrealer Vignetten rahmen die unermüdlichen und immer fehlschlagenden Versuche einer Gruppe der feinen Gesellschaft in Paris, gemeinsam zu Abend zu essen. Was als eine Art Slow-Burner-Groteske beginnt, entwickelt sich zu einer Kaskade zunehmend blutrünstiger Albträume, wobei sich die Grenze zwischen den Wahn-Infernos der Träume und der Realität der mondänen Lebenswelten der Protagonisten langsam aufzulösen droht.

FREAK ORLANDO(Ulrike Ottinger, BRD 1981, 11. & 19.9.) Einen Bogen von der mythologischen Vorzeit bis ins 20. Jahrhundert schlägt Ulrike Ottinger in ihrem „kleinen Welttheater“ in fünf Episoden, das vom Leben und Sterben der Freaks, Abnormen und Außenseiter erzählt, von Irrtümern, Inkompetenz, Machthunger, Angst, Wahnsinn, Grausamkeit und Alltag. Angeführt von Orlando (Magdalena Montezuma) als Wanderin durch die Jahrhunderte und Delphine Seyrig in unterschiedlichsten Rollen (von der Lebensbaumgöttin zum siamesischen Zwilling) beginnt die episodische Zeit- und Weltreise mit einem Ausverkauf der Mythen in einem Kaufhaus und endet auf einem „Festival des Hässlichen“. Eine fantastische Collage des Grotesken, Satirischen, Unheimlichen und Surrealen.

TA PEAU SI LISSE (A Skin so Soft, Denis Côté, Kanada/F/CH 2017, 13.9.) Muskeln, wohin das Auge blickt: sich wölbend, stählern – grotesk. Nicht so für die Protagonisten in Côtés Porträt von fünf kanadischen Hochleistungs-Bodybuildern sowie einem Wrestler und Strongman, dessen Muskelmasse der der klassischen Bodybuilder indes in nichts nachsteht. Für alle sechs sind die muskelbepackten Körper, die makellos-weiche Haut, die Wettkämpfe, das unaufhörliche Training, die eiserne Disziplin und der Durchhaltewillen zentraler Lebensinhalt. Wie anstrengend ihr Leben ist, in dem Familie oder Freunde kaum Platz finden, zeigt sich im Widerspruch von Muskel- und Mienenspiel: Während sich hier Kraft und Stärke zeigen, sind dort Strapazen und Melancholie nicht zu übersehen.

FARGO(Joel Coen, USA 1996, 14. & 22.9.) Wie aus dem Nichts schält sich die vermeintlich auf einer wahren Begebenheit beruhende „Heimatfilm-Groteske“ aus dem winterlichen Nebel heraus. In den verschneiten Weiten der verschlafenen Provinz Minnesotas beauftragt ein Autoverkäufer in finanziellen Schwierigkeiten zwei zunehmend unkontrollierbare Ganoven, seine Frau zu entführen, um sich mit dem vom vermögenden Schwiegervater aufgebrachten Lösegeld zu sanieren. Zwischen einem anfänglichen Missverständnis und dem abschließenden ungewöhnlichen Einsatz eines Häckslers entwickelt sich ein glorioses Absurditäten-Kabinett, in dem Skurrilität und Schießwut, Humor und Horror, Kontrolle und Katastrophe zuweilen beängstigend nah beieinanderliegen.

PALERMO ODER WOLFSBURG (Werner Schroeter, BRD 1980, 20. & 25.9.) Eine Passion in drei Teilen: Alles beginnt mit Nicolas Abreise aus seiner Heimat Sizilien in Richtung Deutschland, wo er auf Arbeit und ein Auskommen hofft. In Wolfsburg erwarten ihn vor allem Licht- und Trostlosigkeit, Kälte und Einsamkeit. Im Rausch ersticht er zwei Jugendliche. Den letzten Akt bildet der Prozess, der Nicola gemacht wird: Eine irritierend-surrealistische Farce, die sich zur opernhaften Groteske verzerrt, in der zwei Kulturen aufeinanderprallen.

TCHEMI BEBIA (Meine Großmutter, Kote Mikaberidse, UdSSR 1929, 21. & 28.9., am Klavier: Eunice Martins) Bissige Stummfilm-Groteske, die politisch vollkommen inkorrekt Bürokratie und Spießbürgertum in der Sowjetunion der 
20er Jahre derart karikierte, dass der Film über 40 Jahren lang unter Verschluss gehalten 
wurde. Stop-Motion-Animation, Marionetten-Spiel, kon-struktivistische Dekors, exzentrisches Spiel, experimentelle Kameraarbeit rahmen die Geschichte um einen entlassenen Bürokraten, der den Rat erhält, sich für seine Stellensuche eine „Großmutter“, d.h. Protektion zu besorgen.

THE LOBSTER(Yorgos Lanthimos, GR/GB/F 2015, 23. & 29.9.) Eine Gesellschaft, die nur noch aus Paaren bestehen darf (the City), eine Nobelherberge (the Hotel), in dem Alleinstehende innerhalb von 45 Tagen eine Liaison eingehen müssen und ansonsten in ein Tier ihrer Wahl verwandelt werden, eine Gruppe von Singles (the Loner), die aus dem Hotel geflohen sind, sich der Verwandlung entzogen haben und nun im Wald ein rigides Einzelleben führen. Lanthimos’ groteske Variation auf den Liebesfilm ist gleichermaßen bizarre Zukunftsvision und surreale Fabel: lakonisch inszeniert, perfekt besetzt, voll absurdem Humor und nachhaltig beunruhigend.

DIE 3-GROSCHEN-OPER(G.W. Pabst, D 1931, 27. & 30.9.) Vom Groteskfilm zur Grotesktänzerin, wie sich die Tänzerin, Schauspielerin, Kabarettistin, Barbetreiberin und Buchautorin Valeska Gert (1892–1978) selbst bezeichnete. Auch wenn sie Zeit ihrer Karriere oft Nebenrollen spielte, prägte die einflussreiche Künstlerin die jewei-ligen Filme nachhaltig mit ihren charakteristischen Auftritten. So auch Pabsts Brecht-Adap-tion, in der Valeska Gert die Frau des Bettlerköngs Peachum (Fritz Rasp) spielt, der gemeinsam mit dem korrupten Polizeichef Tiger Brown (Reinhold Schünzel) gegen Peachums frisch verheiratete Tochter und den neuen Schwiegersohn konspiriert. Die im ausgehenden 19. Jahrhundert in der Londoner Unterwelt angesiedelte Bettleroper/Gangsterballade nimmt bei Pabst eine groteske Wendung und endet in einer neuen Parallelwelt diesmal bürgerlichen Anstrichs: der einer Bank. (mg)

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