PSYCHO (Alfred Hitchcock, USA 1960, 2. & 9.11.) Maßstäbe in der Gestaltung von Titelsequenzen setzte der Grafiker Saul Bass, der, oft in Zusammenarbeit mit seiner Frau Elaine Bass, vor allem für die Filme Otto Premingers und Alfred Hitchcocks das Titeldesign verantwortete. Der Vorspann von PSYCHO kombiniert abstrakte grafische Elemente mit Schrift. Horizontale Balken zerschneiden und fragmentieren die Titel, bis sie schließlich doch gelesen werden können, und verweisen so auf die Zerrissenheit des psychopathischen Protagonisten Norman Bates (Anthony Perkins), der in seinem Motel die durchreisende Marion Crane (Janet Leigh) in der -berühmt gewordenen Szene unter der Dusche ermordet.
DER HIMMEL ÜBER BERLIN (Wim Wenders, BRD/F 1987, 2. & 4.11.) „Als das Kind Kind war …“ Anstelle des Vorspanns beginnt Wenders’ Hommage an das geteilte Berlin mit einer leinwandfüllenden Szene des Schreibens. Erst im Verlauf des Films wird man die Hand, Schrift und später einsetzende Stimme einem der Protagonisten, dem Engel Damiel, zuordnen können, doch zunächst schaffen die Worte auf Papier einen Übergang vom Buch zum Film und markieren dessen literarisches Gedächtnis, welches sich nicht erst am Ende des Films wieder manifestiert. In der Zwischenzeit begleiten wir die Engel Damiel (Bruno Ganz) und Cassiel (Otto Sander) auf ihren Streifzügen durch das Berlin der 80er Jahre.
ABSCHIED VON GESTERN (Alexander Kluge, BRD 1966, 3. & 15.11.) Kluges programmatisch betiteltes Langfilmdebüt erzählt von der jungen Jüdin Anita G., die aus der DDR in die Bundesrepublik kommt. Juristen und Bewährungshelfer versuchen sie zu erziehen, bald befindet sie sich wieder auf der Flucht. Zahlreiche Zwischentitel unterbrechen die nüchtern-distanzierte, teilweise ironische Beschreibung und kommentieren messerscharf – „Wahrheit, wenn sie ganz ernst auftritt, wird totgeschlagen!“ – die gesellschaftlichen Zustände in der BRD.
SO IS THIS (Michael Snow, Kanada 1982, 6.11.) „Der Film ist ein Text. Jede Einstellung besteht aus einem leinwandfüllenden Wort in weißen Buchstaben vor schwarzem Hintergrund. Mit formalistischer Kriegslust droht SO IS THIS seinen Zuschauern, sie zum Lachen zu bringen, zum Weinen und dazu, ‚die Gesellschaft zu -verändern‘. (…) Snow kreiert eine Art bewegte konkrete Poesie. Gleichzeitig macht er einer theoretischen Debatte – Ist Film eine Sprache? – einen Strich durch die Rechnung.“ (Jim Hoberman) SO IS THIS läuft in einem Programm mit ZORNS LEMMA (Hollis Frampton, USA 1970 | 6.11.) Ein Klassiker des strukturellen Films, betitelt in Anlehnung an eine Theorie aus dem - Bereich der Mengenlehre des deutsch-amerikanischen Mathematikers Max Zorn. Der Film „exemplifiziert den Übergang vom alphabet-gelenkten Denken zum kinematischen, indem ein Alphabet aus 24 Bildern sich nach und nach an die Stelle der alten Letternreihe setzt, wobei ein jeder Bildbuchstabe eine Sekunde lang steht, das heißt, bei der heutigen Vorführgeschwindigkeit sich 24-mal wiederholt.“ (Frieda Grafe)
PIERROT LE FOU (Jean-Luc Godard, F/I 1965, 10. & 16.11.) Neonschrift, Tagebuchaufzeichnungen, Briefe, Buchstabenfragmente großformatiger Schilder, Buchseiten – Godards Umgang mit Schrift und Wort in PIERROT LE FOU ähnelt in seinem zitierenden und fragmentierenden Gestus dem radikalen Unterteilen seines filmischen Universums. Ein „Fiebertraum“ (Jean-Luc Godard), der in Form einer eigenwilligen Hommage an den Film noir die Geschichte eines Paares (Anna Karina und Jean-Paul Belmondo) erzählt, das der Pariser Gesellschaft den Rücken kehrt und sich raubend nach Südfrankreich absetzt. Die gemeinsame Flucht endet im Verrat, führt zu Rache und Tod.
M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER (Fritz Lang, D 1931, 18. & 21.11.) Der Kreideabdruck des Buchstabens „M“ auf einem Mantel entlarvt nicht nur den Kindermörder in Langs frühem Tonfilm, sondern bildete ebenso das grafische Leitmotiv der Werbekampagne für den Film. Ein Buchstabe als Wiedererkennungsfaktor in doppelter Hinsicht, flankiert von zahlreichen Textinserts im Film: Plakate auf Litfaßsäulen, Schriftzüge auf Häuserfassaden, Zeitungsausschnitte, die den Eindruck einer überall lauernden Gefahr und einer sich ständig potenzierenden Verdächtigungshysterie verstärken. Langs spannende Mischung aus Thriller, Gangsterfilm und Psychodrama entwirft mit seiner Geschichte um die Jagd auf einen Triebtäter ein vielschichtiges Soziogramm Deutschlands Anfang der 30er Jahre.
POLIZEIBERICHT ÜBERFALL (Ernö Metzner, D 1928, 18. & 21.11.) Gedehnt-verzerrte, bis zur Unlesbarkeit überlagerte Vorspanntitel bilden den Auftakt dieses für die deutsche Filmavantgarde zentralen Kurzspielfilms über einen Tag im Leben eines Mannes, dem ein gefundenes Geldstück zum Verhängnis wird.
THE PILLOW BOOK (Peter Greenaway, GB 1996, 19. & 25.11.) Um nichts weniger als um die Bedeutung des geschriebenen Wortes geht es Greenaway in seiner vielschichtigen Erzählung um eine junge Japanerin, die die Körper ihrer Liebhaber mit kunstvollen Kalligrafien bedeckt, sich in der Folge jedoch in einem tödlichen Racheplan verfängt. Die Idee von Schrift und Zeichen als einem „körperhaften“ Wahrnehmungssystem gestaltet der britische Regisseur mit beeindruckender visueller Opulenz.
LE FILM EST DÉJÀ COMMENCÉ? (Maurice Lemaître, F 1951, 20. & 30.11.) Das Schlüsselwerk des lettristischen Films war ursprünglich mit begleitender Intervention gedacht: „Dieser Film sollte unter besonderen Voraussetzungen gezeigt werden: auf einer Leinwand, die aus neuen Formen und Materialien besteht, und mit spektakulären Vorgängen im Vorraum und im Kino selber (Unterbrechungen, großes Gedrängel, Dialoge, die laut mitgesprochen werden, Konfetti und auf die Leinwand gerichtete Schüsse …).“ (M.L.) Auch ohne Performance ist der Film ein radikales Werk: Lemaître kombiniert unterschiedlichste Filmszenen, montiert Positiv-, -Negativ- und Schwarzfilm, beschädigtes Filmmaterial, bemalt, stanzt und zerkratzt den -Filmstreifen, präsentiert Texttafeln mit vermeintlichen Credits oder Zuschauerermahnungen, Selbstbeschimpfungen, Collagen oder Wortfragmenten. Die Tonspur besteht aus einem langen Monolog, unter- und überlagert von lettristischen Gedichten. Die ersten Aufführungen endeten im Skandal – der Einfluss des Films auf die Nouvelle Vague und die spätere Avantgarde ist unbestritten.
STATSCHKA (Streik, Sergej Eisenstein, UdSSR 1924, 24. & 28.11., am Klavier: Eunice Martins) Bereits in seinem Debüt gelingt Eisenstein die dynamische Umschmelzung eines revolutionären Stoffes – ein Fabrikarbeiterstreik im zaristischen Russland – in eine filmische Form. Quasi umgeschmolzen werden auch einige Zwischentitel, die, eben noch Informationsträger, wenig später zur grafisch-animierten, revolutionären Bewegung werden.
ANNIE HALL (Woody Allen, USA 1977, 23. & 27.11.) „Das Leben ist voller Elend, Leid und Kummer – und dann ist es auch noch viel zu schnell vorbei“, resümiert die Hauptfigur Alvy Singer (Woody Allen) in der Verkörperung des nur zu typischen New Yorker Intellektuellen. Alvy steckt in einer Krise und sinniert über seine vergangenen Beziehungen. Nach zwei gescheiterten Ehen und 15 Jahren Psychoanalyse lernt er seine große Liebe Annie Hall kennen, die nach einer kurzen Zeit des glücklichen Zusammenlebens aber -wieder eigene Wege geht. Die Annäherung und Beziehungsanbahnung erfolgt mit Missverständnissen und Selbstzweifeln, inklusive eines Dialogs, der durch Untertitel ergänzt wird: Sie übersetzen nicht wie üblich in eine andere Sprache, sondern verbalisieren und visualisieren, was die Protagonisten im Gegensatz zum Gesprochenen denken. (mg/al)