Programm I unserer Werkschau beginnt mit IN ORDER NOT TO BE HERE (2002), einer Serie von Nachtaufnahmen. Überwachungsbilder und Gewaltaufnahmen treffen auf das Design der Vorstädte. Paranoia übersteigt die Realität. So auch in HACKED CIRCUIT (2014), einer Kamerafahrt, die Geräuschemacher bei der Vertonung einer Szene aus The Conversation mit Gene Hackman porträtiert. VILLAGE, SILENCED (2012) ist eine Nachbearbeitung von Humphrey Jennings’ Dokudrama The Silent Village (1943), in dem walisische Kohlebergarbeiter in dem Dorf Cwmgiedd den Einmarsch der Nazis in das tschechische Dorf Lidice, den Widerstand und die Ermordung der männlichen Einwohner nach-inszenieren. SECOND SIGHTED (2014) ist eine orakelhafte Decodierung von Landschaft und THE MAGICIANS HOUSE (2007) die Geschichte von Bildern und Tönen, die ein Haus mit Geistern füllen. (14.9.)
Program II beginnt mit IT WILL DIE OUT IN THE MIND (2006), einer kurzen Meditation über Spiritualismus und das Übernatürliche im Informa-tionszeitalter. Die Texte wurden Andrej Tarkowskijs Stalker entnommen. …THESE BLAZEING STARRS! (2011) beschäftigt sich mit eisgekernten Feuerkugeln, die wir als Kometen kennen, und ihrer Rolle in der Geschichte der Zukunftsdeutung. RAY’S BIRDS (2010) ist eine Hommage an einen Vogelhalter, MUSICAL INSECTS (2013) an einen Bildband und den Sound der darin abgebildeten Fliegerhelden. Das Videoessay IMMORTAL SUSPENDED (2013) über das freie Schweben, UFOs und altertümliche asiatische Träume besteht aus einer langen Aufnahme aus dem „Smithsonian Museum of Art Warehouse“ in Washington. UNTIED (2001) ist ein kleines Porträt der Flüchtigkeit von Intimität und ein Ausbruch aus dem Kreislauf von Missbrauch. Zum Abschluss des Programms wählte Deborah Stratman einen Film aus dem Arsenal-Archiv: THE BALLOONATIC von Buster Keaton (1923). (15.9.)
Programm III wird durch einen nur 44 Sekunden langen Film eröffnet. In HOW AMONG THE FROZEN WORDS (2005) geht es darum, wie Geschichte als klirrender Sound aus dem Eis wieder hervortritt. Inspiriert wurde die Arbeit durch François Rabelais’ epische Erzählung „Gargantua und Pantagruel“ aus dem 16. Jahrhundert. ENERGY COUNTRY (2003), eine kurze Videobotschaft aus Texas, hinterfragt die Politik von Landschaftsnutzung, die der Ölindustrie dient, Patriotismus, der durch fremde Aggression gerechtfertigt wird, und Fundamentalismus, der das Denken verkalkt. O’VER THE LAND (2009) „ist eine Meditation über Natur und Technologie, über Freiheit und Kontrolle, über nationale Identifikation via Gewalt und Militärkultur. Im symbolischen Zentrum die Geschichte des Jetpiloten William Rankin, der 1959 nach einem Notausstieg in 14.300 Meter Höhe 45 Minuten durch ein Unwetter wirbelte, überlebte und zum Nationalhelden wurde.“ (Viennale) (16.9.)
THE ILLINOIS PARABLES war 2016 im Forum Expanded zu sehen. Elf Parabeln erzählen von historischen Ereignissen im Bundesstaat Illinois. Die Anekdoten handeln von Glaube, Macht, Technologie und Exodus, von Besiedlung, Verbannung, technologischer Entwicklung, Gewalt, Messianismus und Widerstand. Sie erzählen von der brutalen Vertreibung der Tscherokesen, von der Gründung einer utopischen Gemeinschaft französischer Ikarier, der Erfindung des Kernreaktors oder der Ermordung des Black Panthers Fred Hampton. Illinois dient dabei als strukturgebender Kosmos, der die Geschichten zu Allegorien macht, die aufzeigen, wie Ideologie Gesellschaften formt. Mithilfe von Reenactment, Archivaufnahmen, Beobachtung, Zwischentiteln und Off-Kommentaren stellt der Film die Frage, wen oder was wir auf unserer Suche nach der Erklärung für das Unerklärbare unterstützen, bzw. wem wir am Ende die Schuld zuweisen.
Nicht zufällig wählte Deborah Stratman ergänzend dazu einen Film aus dem Arsenal-Archiv: THE MURDER OF FRED HAMPTON von Howard Alk und Mike Gray (1970, Forum 1971). Die Filmemacher waren von der Brillanz und der Überzeugungskraft des 20-jährigen Revolutionärs Fred Hampton so tief beeindruckt, dass sie über ein Jahr lang seine öffentlichen Auftritte, privaten Äußerungen und seine Zusammenarbeit mit der Black Community in Chicago filmten. Als Folge eines nächtlichen Überfalls, der am 4.12.1969 vom Büro des Staatsanwalts in Chicago veranlasst wurde, wurde dieses eine Jahr im Leben des Parteivorsitzenden tragischerweise auch das letzte Jahr seines Lebens. So wurde der Film gleichzeitig zu seinem Nachruf. (17.9.)
In KINGS OF THE SKY (2004) geht es um Widerstand, Ruhm — und Balance. Der Film porträtiert den Seiltänzer Adil Hoxur, während er mit seiner Truppe die Taklamakan-Wüste durchquert. Sie erstreckt sich im nordwestchinesischen uigurischen autonomen Gebiet Xinjiang durch den westlichen Teil des Tarimbeckens bis zu der Straße 218. Der Film bewegt sich elegant zwischen einem Reisebericht und ethnografischer Poesie und unterstützt gleichzeitig den Erhalt einer traditionellen Kunstform. (18.9.)
Eine Werkschau im Rahmen von „Archive außer sich“ in Kooperation mit dem Österreichischen Filmmuseum und dem Deutschen Filminstitut / Filmmuseum. (stss)