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2019 muss der Begriff „expanded“, der dem historischen „Expanded Cinema“ der 1960er entlehnt ist und unserem Programm einst den Namen gab, auf den Prüfstand gestellt werden. In einer Zeit, in der Bewegtbilder allgegenwärtig sind, findet eine „Expansion“, oder Grenzüberschreitung, also das, was das Kino der Avantgarde mit der Kunst der Moderne verbunden hat, wenn überhaupt unter anderen Parametern statt. Die Kritik an der Normativität des Kinos ist zwar weiterhin relevant, doch nachdem die Avantgarde Eingang in den Mainstream und ins Museum gefunden hat, hat sich das Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Kino weitgehend aufgelöst. Stattdessen finden wir uns in einer gemeinsamen Echokammer: Was sich im Programm des Forum Expanded zeigt, reflektiert vor allem das veränderte Verhältnis zwischen bewegtem Bild und gelebtem Leben. Ein mythologisches Thema – der Gesang der Sirenen und die Odyssee – wird in eine Gegenwart transponiert, die von Migration, Displacement und den Schatten der Kolonialgeschichte ebenso gezeichnet ist wie durch die affektiven Feedback-Loops, denen wir nicht nur in den sozialen Medien ausgesetzt sind. ANTIKINO untersucht Auswege aus dieser Echokammer.

Einige Manifestationen der Sirenen zeigen sich im Programm: Als Meerjungfrauen in THE MERMAIDS, OR AIDEN IN WONDERLAND, dem neuen Film des Karrabing Film Collective, der den sterbenden Planeten vor dem Hintergrund des extraktiven Kapitalismus in Australien aus indigener Sicht thematisiert; als Geister des Fordismus im Amazonasbecken in Susana de Sousa Dias’ FORDLANDIA MALAISE, und am deutlichsten in Diana Vidrascus THE SILENCE OF THE SIRENS: Die Installation nutzt Kafkas Neuinterpretation der Odyssee, in der die Sirenen nicht singen, sondern schweigen, als Metapher. Sie folgt einer in Paris lebenden Schauspielerin, die ihr Verhältnis zu ihrem Geburtsort Martinique hinterfragt. Nicht eine Echokammer, sondern im Gegenteil ein schalldichter Raum wird zur Allegorie für eine anästhetisierte Gegenwart und abgetrennte Beziehungen.
Das 14. Forum Expanded bezieht ein neues Zuhause: Im silent green Kulturquartier wird mit einer Gruppenausstellung ein neuer Berliner Ausstellungsort eröffnet. Erweitert wird die Ausstellung, die bis zum 9. März 17 Arbeiten präsentiert, auf die Galerie Ebensperger Rhomberg und das Luxoom Lab. Die Kuppelhalle des silent green wird während der Berlinale zum Werkstattkino. Im Anschluss an jede der 13 Forum-Expanded-Vorführungen mit 30 Lang- und Kurzfilmen gibt es Zeit für ausführliche Diskussionen mit Filmemacher*innen und weiteren Gästen.

Zu den Langfilmpremieren gehört RASENDES GRÜN MIT PFERDEN, ein sehr persönlicher 16-mm-Film von Ute Aurand. Stephan Geenes SHAYNE ist ein serielles TV-Anti-Porträt von Ricky Shayne, der von 1967 bis 1972 wie ein Komet die bundesdeutsche Unterhaltungskultur streifte. DADDA – POODLE HOUSE SALOON von Paul und Damon McCarthy ist ein Pseudo-Western über medial vermittelte Gewalt mit Donald und Daisy Duck, Nancy Reagan, Andy Warhol, John Wayne, und den Cartwrights. In LABOUR POWER PLANT von Robert Schlicht und Romana Schmalisch geht es um Arbeit und den Menschen als Ressource, in FALSE BELIEF von Lene Berg um den gelebten Albtraum eines Schwarzen New Yorker Herausgebers, der durch Intrigen seines Nachbarn unschuldig im Gefängnis landet.

Am 14.2. findet im Werkstattkino unter dem Titel „Think Film No. 7 – Archival Constellations“, ein internationales Symposium zu filmarchivarischen Themen und alternativen Archivprojekten statt.

SAVVY Contemporary präsentiert die Ausstellung Shadow Circus von Ritu Sarin und Tenzing Sonam zu einem übersehenen Kapitel in der jüngeren Geschichte Tibets: dem bewaffneten Kampf um Freiheit, der spontan als Reaktion auf die chinesische Aggression ausbrach und sich dann durch die Beteiligung der CIA 1956 in die globale Geopolitik verstrickte.

Im Marshall McLuhan Salon der Botschaft von Kanada ist die serielle Arbeit NOTES TO SELF von Christina Battle zu sehen, die sich mit den eingangs genannten Echokammern in den sozialen Medien befasst.

Teilnehmende Künstler*innen und Filmemacher*innen: Talal Afifi, Kamal Aljafari, Monira Al Qadiri, Ayreen Anastas/Rene Gabri, Ute Aurand, Heike Baranowsky, Christina Battle, James Benning, Lene Berg, Félix Blume, Cao Fei, Didi Cheeka, Deepa Dhanraj, Susana de Sousa Dias, Suliman Elnour, Tamer El Said, Haytham el-Wardany, Kevin Jerome Everson, Harun Farocki, Denise Ferreira da Silva/Arjuna Neuman, Coco Fusco, Stephan Geene, Tamar Guimares, Shadi Habib Allah, Vinzenz Hediger, Laura Horelli, Eiman Hussein, Ruchir Joshi, Karrabing Film Collective, Jeremy Leatinu’u, Eltayeb Mahdi, Mpumelelo Mcata und Perivi Katjavivi, Paul McCarthy/Damon McCarthy, Rosalind Nashashibi, Constanze Ruhm, Muhammad Salah, Ritu Sarin/Tenzing Sonam, Robert Schlicht/Romana Schmalisch, Ibrahim Shaddad, Shelly Silver, Deborah Stratman, Catherine Sullivan, Clarissa Thieme, Diana Vidrascu, Clemens von Wedemeyer, Calum Walter, Ute Waldhausen, Eduardo Williams/Mariano Blatt, Evan Calder Williams/Anne Low, Billy Woodberry, Ala Younis, Akram Zaatari sowie Teilnehmer*innen des Projekts „Archive außer sich“. Das Arsenal-Foyer wird wieder von den Prinzessinnengärten gestaltet. Kuratiert von Stefanie Schulte Strathaus (Leitung), Anselm Franke (Co-founder), Maha Maamoun, Ulrich Ziemons. Ko-Kuratorinnen: Natasha Ginwala, Bonaventure Soh Bejeng Ndikung (SAVVY Contemporary).

Eröffnung: Betonhalle im silent green Kulturquartier, Galerie Ebensperger Rhomberg, Luxoom Lab: 6.2., 19 Uhr, Canadian Embassy: 7.2., 17:30 Uhr, SAVVY Contemporary: 7.2., 19 Uhr.

Gefördert durch:

  • Logo des BKM (Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien)

Arsenal on Location wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds