Im Zentrum von Rita Azevedo Gomes’ A PORTUGUESA (The Portuguese Woman) steht die frisch verheiratete Frau des Lord von Ketten, die dieser von Portugal nach Italien holt. Während ihr Mann sich dem Krieg widmet, beginnt sie sich allmählich aus ihrer Einsamkeit zu emanzipieren. Trotz prächtiger Kostüme und opulenter Bilder behält der Film eine sachliche Note – und wartet außerdem mit Ingrid Caven als Bänkelsängerin auf.
In Jessie Jeffrey Dunn Rovinellis SO PRETTY werden Alltag und Politik der West-Berliner Schwulenszene der 80er Jahre in einer queeren WG im heutigen New York neu verhandelt. Der Spielfilm mit autobiografischen Anklängen erzählt die Geschichte von Tonio/Tonia und Franz, Paul und Erika, von politischem Aktivismus und Modellen der Liebe: Adaption, Übersetzung und Re-Lektüre von Ronald M. Schernikaus Roman „So schön“.
Ghassan Salhab kehrt mit einem Film ins Forum zurück, der Rosa Luxemburgs Korrespondenz aus dem Gefängnis zur Grundlage nimmt. UNE ROSE OUVERTE/WARDA (An Open Rose) verbindet Briefe und Fotos mit metaphorisch aufgeladenen Bildern aus dem Libanon und dem winterlichen Berlin zu einer vielschichtigen Collage.
Der große Dokumentarist Thomas Heise zeichnet anhand von Briefen und Dokumenten seine eigene Familiengeschichte über vier Generationen nach. In seinem monumentalen Werk HEIMAT IST EIN RAUM AUS ZEIT verbinden sich Sprache und Bilder zum eindringlichen Porträt einer Familie, eines Landes und eines Jahrhunderts.
Auch Florian Kunerts Debütfilm FORTSCHRITT IM TAL DER AHNUNGSLOSEN greift deutsche Geschichte auf: In den Ruinen des DDR-Betriebs „Fortschritt“ im sächsischen Neustadt lässt er ehemalige Werksangestellte auf syrische Geflüchtete treffen, die dort nun in Gemeinschaftsunterkünften leben. Archivmaterial aus Zeiten, in denen die Freundschaft zwischen Syrien und der DDR bejubelt wurde, kontrastiert zeitgenössische Aufnahmen von Pegida-Versammlungen.
Zwei Erstlingswerke aus China setzen sich mit Biografien und Erinnerungen auseinander. In Lei Leis Essayfilm BREATHLESS ANIMALS berichtet eine Frau aus dem Off vom Leiden ihrer Familie zur Zeit der Kulturrevolution, während Bilder eines aufstrebenden Landes über die Leinwand flackern: So entstehen zwei konkurrierende Visionen des chinesischen Alltags.
Der erst 22-jährige Zhu Xin inszeniert mit MAN YOU (Vanishing Days) eine geheimnisvoll mäandernde Familiengeschichte. Es ist ein heißer, regenloser Sommer in der Provinzstadt Hangzhou und die 14-jährige Senlin hat Mühe, ihren Aufsatz für die Schule zu schreiben. Als eine alte Freundin ihrer Mutter zu Besuch kommt, verschwimmen Realität, Träume und Erinnerungen.
Der Spielfilm CHUN NUAN HUA KAI (From Tomorrow on, I Will) von Ivan Marković und Wu Linfeng hingegen ist in der Metropole Peking angesiedelt und gibt Einblick in das Leben eines jungen Nachtwächters, der seinen Schlafplatz mit einem Tagarbeiter teilt. In beeindruckend fotografierten, atmosphärischen Bildern erzählt sich das Nebeneinander von Luxus und Prekarität.
Extreme Arbeits- und Lebensbedingungen in Europa findet Bernd Schoch in einem Mikrokosmos in den südlichen Karpaten. Sein Film OLANDA beobachtet eine Gruppe von Familien, die dort über den Sommer in behelfsmäßigen Zeltlagern lebt und im Morgengrauen Pilze und Beeren für die Konsument*innen in Westeuropa sammelt. Die informellen ökonomischen Strukturen vor Ort bilden das kleinste Glied einer europaweiten Handelskette.
Die Erde im Zeitalter des Anthropozän nimmt Nikolaus Geyrhalter in seinem gleichnamigen Film in den Blick. An sieben Orten, die der Mensch gewaltig umgestaltet, zeigt ERDE die zwiespältigen Auswirkungen dieses Schaffens: Es wird umgegraben, angebohrt, abgebaut, beackert und vermessen – ohne Rücksicht auf die Folgen für Umwelt und Natur.
Politische Diskurse der Gegenwart greift auch Jean-Gabriel Périots NOS DÉFAITES (Our Defeats) auf. Zusammen mit Jugendlichen einer Schulklasse reinszeniert er Momente des Streiks, Widerstands und Arbeitskampfs aus Filmen von Jean-Luc Godard, Alain Tanner und anderen. Der Performance folgt die Reflexion: In Befragungen zu ihrem Spiel untersucht der Filmemacher die Sicht einer jungen Generation auf Politik. Kann daraus politischer Aktivismus werden?
Wie jedes Jahr komplettiert das Forum sein Programm mit einer Reihe von Special Screenings, die einer alternativen Filmgeschichtsschreibung verpflichtet sind, wie beispielsweise DELPHINE ET CAROLE, INSOUMUSES (Delphine and Carole) von Callisto Mc Nulty. In den 70er und 80er Jahren nutzten die Filmemacherin Carole Rous-sopoulos und die legendäre Schauspielerin Delphine Seyrig die neue Videotechnik, um an der Seite der Frauenbewegung zu kämpfen. Der Film skizziert die Anfänge einer kreativen politischen Praxis, die kollektive Aktion, mediale Intervention und archivarische Dokumentation frech, subversiv und mit Humor verband.
Mitglieder im Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. erhalten für alle Vorführungen von Forum und Forum Expanded eine Ermäßigung auf den regulären Ticketpreis (gegen Vorlage des Mitgliedsausweises). Auch der Einsatz von Sammelkarten (erhältlich nur im Kino Arsenal) ist in allen Spielstätten von Forum und Forum Expanded möglich.