Die 1895 gegründete Firma Gaumont ist nicht nur das älteste Filmproduktionsunternehmen der Welt. Mit über 1.500 Filmen besitzt Gaumont auch einen der größten französischen Filmkataloge, darunter u.a. Werke von Abel Gance, René Clair, Louis Feuillade, Jean Renoir, Max Ophüls, Robert Bresson, Georges Franju, Jean Grémillon, René Clément, Jean-Pierre Melville, Jacques Doillon, Jean-Luc Godard, Maurice Pialat, Jean Vigo und Louis Malle.
Vom 29. November bis 31. Januar gastiert im Maison de France des Institut français am Kurfürstendamm 211 die Ausstellung „Gaumont: Seit es das Kino gibt“. Die Ausstellung lädt zu einer Reise durch die Firmen- und Film-geschichte ein und präsentiert u.a. originale Requisiten, Kostüme und Filmplakate, Filmmusiken und Filmausschnitte. Ein „Hackathon“-Workshop bietet darüber hinaus vom 19. bis 25. November acht Teilnehmern die Gelegenheit, Gaumont-Klassiker digital neu zu interpretieren, die Ergebnisse werden im Anschluss in der Ausstellung zu sehen sein.
Das Arsenal zeigt begleitend im Rahmen der Französischen Filmwoche vom 28. November bis 4. Dezember eine Auswahl von Klassikern der französischen Filmgeschichte sowie neueren Produktionen der Firma. Im Februar folgt ein umfangreiches Programm mit Titeln aus dem Gaumont-Katalog.
L’ATALANTE (Jean Vigo, F 1934, 28.11.) Der einzige abendfüllende Spielfilm des jung verstorbenen Ausnahmetalents Jean Vigo (1905–1934) beschreibt die Höhen und Tiefen des Ehelebens eines frisch verheirateten Paars (Dita Parlo, Jean Dasté), das mit dem älteren Maat Jules (Michel Simon) auf dem Transportschiff „Atalante“ durch die Kanäle der Île-de-France fährt. Der poetische Film ist der Höhepunkt der Zusammenarbeit von Jean Vigo mit dem russischen Kameramann Boris Kaufman, der hier mit besonderen Lichtverhältnissen – Sonnenaufgang, Zwielicht, Dämmerung, Nebel, Regen, Winterlicht – arbeitete und beeindruckende Bildkompositionen schuf.
LANCELOT DU LAC (Lancelot, Ritter der Königin, Robert Bresson, F/I 1974, 29.11.) Ritter Lancelot kehrt von der Suche nach dem heiligen Gral mit leeren Händen an König Artus’ Hof zurück. Der König beschließt, die Tafelrunde für immer zu beenden. Auf sich zurückgeworfen gerät Lancelot angesichts seiner Liebe zur Königin in einen schicksalhaften Loyalitätskonflikt. Die ausweglose Situation wird bildhaft gemacht in der Enge der Szenenausschnitte – es gibt nur eine einzige Totale in dem weitgehend im Freien spielenden Film – und in der akustisch verstärkten Allgegenwart der bedrückenden Rüstungen, die keinen Schutz zu bieten, aber jede natürliche Bewegung zu behindern scheinen. Robert Bresson zeigt sich in den blutigen Zweikämpfen und Schlachten als ein Meister des Aussparens; ohne dass man je eine Handlung ganz im Zusammenhang sieht, wird der Blick so sicher auf das jeweils wichtige Detail gelenkt, dass nicht nur das Geschehen, sondern gleich auch dessen Implikationen vermittelt werden.
LOULOU (Maurice Pialat, F 1980, 29.11.) Nelly (Isabelle Huppert), eine junge Frau aus der gehobenen Mittelschicht, ist vom Leben mit ihrem Mann, einem biederen Werbeagenturbesitzer (Guy Marchand), gelangweilt. In einer Diskothek lernt sie den gerade aus dem Gefängnis entlassenen Loulou (Gérard Depardieu) kennen, der sie mit seiner Vitalität und Körperlichkeit anzieht. Sie ist fasziniert von seinem Verhalten wider alle gesellschaftliche Konventionen und beginnt ein leidenschaftliches Abenteuer mit ihm. Zusammen ziehen sie von Hotel zu Hotel, schließlich wird sie von Loulou schwanger – und muss eine Entscheidung treffen. Maurice Pialat, der große Schwierigkeiten hatte, Produzenten für sein Kino der Spontaneität und Körperlichkeit zu finden, erreichte mit LOULOU erstmals das große Publikum.
MADAME DE … (Max Ophüls, F/I 1953, 30.11.) Um ihre heimlichen Schulden zu tilgen, verkauft die Comtesse Louise (Danièle Darrieux) ihre Diamanten-Ohrringe, ein Hochzeitsgeschenk ihres Mannes General André (Charles Boyer), an ihren Juwelier und täuscht deren Verlust vor. Als dieser ihrem Mann die Wahrheit erzählt, kauft der General die Ohrringe zurück und schenkt sie seiner Geliebten Lola (Lia Di Leo), die den Schmuck in einem ausländischen Spielcasino versetzt. Der Diplomat Baron Donati (Vittorio De Sica) erwirbt die Ohrringe bei einem Juwelier und schenkt sie als Liebesgabe der Comtesse Louise … Max Ophüls kontrapunktiert Tragisches und Ironisches, Melancholie und Komödienton in diesem virtuos inszenierten Melodram der Pariser Belle Époque.
ZAZIE DANS LE MÉTRO (Louis Malle, F/I 1960, 30.11. & 1.12.) Zazie (Catherine Demongeot), zehnjährige Göre aus der Provinz, besucht mit ihrer Mutter Paris. Beide wollen sich amüsieren: Zazie will unbedingt Metro fahren, Mama hat sich mit ihrem Liebhaber verabredet und gibt deswegen die Tochter für zwei Tage bei Onkel Gabriel (Philippe Noiret) ab, der seinen Lebensunterhalt als „Danseuse de charme“ in einer Homosexuellen-Bar verdient. Da die Metro streikt, macht Zazie sich selbständig, um Paris auf eigene Faust zu erkunden. Louis Malle gelang mit seiner Adaption von Raymond Queneaus Bestseller ein visuelles Äquivalent, das die filmischen Konventionen ebenso attackiert wie dies Queneau mit Sprachschablonen getan hatte. Er zerschlägt die traditionelle Grammatik der Filmsprache und veranstaltet ein Feuerwerk von burlesken und grotesken Einfällen. Zazie führt die „Verlogenheit und Verdorbenheit der Erwachsenenwelt“ (Louis Malle) vor, macht sie durch subversive Komik lächerlich und verspottet mit anarchischer Lust am Chaos alle moralischen Normen. (hjf)
Eine Veranstaltung in Kooperation mit Gaumont und der Französischen Filmwoche Berlin. Mit freundlicher Unterstützung des Institut français und der Botschaft von Frankreich.