Das Programm Ian White – Cinema as a Live Art / Becoming Object, das am 15. und 16.3. im Arsenal und am 17.3. in der Kuppelhalle des silent green Kulturquartiers stattfinden wird, stellt die Frage nach der Möglichkeit eines retrospektiven Umgangs mit Ian Whites situativer, interventionistischer und queerer kuratorischer und künstlerischer Praxis mit Film und Performance am Beispiel seiner Arbeit für das Arsenal. An beiden Spielstätten werden Performances, Events und Vorträge zu erleben sein, die eine individuelle Annäherung an Ian Whites Arbeit darstellen und Fragen zum Film als Live-Event, zur Performance und der Möglichkeit ihrer Wiederaufführung verhandeln. Akteur*innen aus diversen Feldern, deren künstlerische, kuratorische oder wissenschaftliche Arbeit sich an der Schnittstelle von Film und Performance ansiedelt, wurden eingeladen, ihre eigene Praxis in Dialog mit der Ian Whites zu bringen. Filme aus dem Archiv des Arsenals, die im Zentrum von Ian Whites Arbeit für die Institution standen, werden im Arsenal und im silent green zu sehen sein. Poster und eine Broschüre, entworfen von Harald Niessner, in der auch Dokumentations- und Archivmaterial zur Arbeit von Ian White für das Arsenal zwischen 2009 und 2012 veröffentlicht wird, werden die Programmreihe begleiten. Ian White - Cinema as a Live Art / Becoming Object wurde von Anne Breimaier kuratiert und ist Teil von Reflect-Suspend-Dismantle, einer Berlin-weiten Veranstaltungsreihe, die der Arbeit von Ian White gewidmet ist und in Zusammenarbeit mit der Kuratorin Kirsty Bell, den KW Institute for Contemporary Art, dem DAAD Artists-in-Berlin Program und dem Estate of Ian White organisiert wird.
Eröffnet wird es mit einem Filmabend im Arsenal am 15.3. Die Kuratorin Kirsty Bell wird in GENTLEMEN (2003) von Oliver Payne und Nick Relph einführen, in dem Ian White als Erzähler zu hören ist. Der Film ist ein Porträt der Stadt London und ihrer Jugendkultur, die beide kurz vor dem Untergang stehen. Anschließend werden Kurzfilme von Karola Schlegelmilch (BAUCHLANDUNG, D 1991), Klaus Telscher (HER MONA, D 1992), Hellmuth Costard (BESONDERS WERTVOLL, BRD 1968) , Peter Weiss (STUDIE IV (FRI-GÖRELSE), Schweden 1954) und Robyn Brentano & Andrew Horn (CLOUD DANCE, USA/BRD 1980) gezeigt, die im Rahmen von Ian Whites Performance „Trauerspiel“ am 13. März 2012 im Hebbel am Ufer zu sehen waren. „Trauerspiel“ wurde zusammen mit Ingolf Sander-Lahr aufgeführt, bestand alternierend aus fünf Tänzen und fünf Filmprojektionen und war Ian Whites einzige Theaterproduktion. Sie geht auf seine Auseinandersetzung mit dem Filmarchiv des Arsenal und Walter Benjamins Buch „Ursprung des deutschen Trauerspiels“ (1925) zurück und wurde dem Publikum zusammen mit einer Arbeit von Johannes Paul Raether unter dem Titel „A Shared Stage of Contingent Production“ präsentiert.
Der Abend des 16.3. im Arsenal ist Ian Whites Kinoprogramm „Kopietheater 1“ gewidmet, das 2010 im Rahmen von Forum Expanded mit Kurzbeiträgen von 14 Teilnehmer*innen stattfand. Beiträge ehemaliger Teilnehmer*innen von „Kopietheater 1“ und neu eingeladener Künstler*innen werden Ian Whites damalige kuratorische Instruktionen aktualisieren, die auf eine Form von Kino abzielen, die den Kontext einer Vorführung zum Inhalt der Erfahrung im Auditorium erhebt. Mit Beiträgen von Rosa Barba (Berlin), Rainer Bellenbaum (Berlin) & Megan Francis Sullivan (Berlin), Scott Caruth (Glasgow / Berlin), Guillaume Cailleau (Berlin) & Timo Kreuser (Berlin), Martin Ebner (Berlin), Anja Kirschner (London), Matthew Lutz-Kinoy (Paris), Klaus Weber (Berlin), Sam Williams (London) und Florian Zeyfang (Berlin).
Das Tagesprogramm des 17.3. im silent green ist Ian Whites Film- und Performance-Programm „It’s Not The Homosexual Who Is Perverse, But The Situation In Which He Lives: Art, Cinema and Context Now“ gewidmet, das er 2008/2009 als erster „curator in residence“ des DAAD im Arsenal kuratierte, und das im Arsenal, in der Galerie Tanya Leighton und im Sexclub lab.oratory stattfand. Filme von Rosa von Praunheim, Danièle Huillet/Jean-Marie Straub und Richard Serra, die ursprünglich an den verschiedenen Orten gezeigt wurden, werden nun von Performances junger Künstler*innen begleitet, die im Rahmen eines „Call for Participation“ zur Auseinandersetzung mit Ian Whites Arbeit eingeladen wurden. NICHT DER HOMOSEXUELLE IST PERVERS, SONDERN DIE GESELLSCHAFT IN DER ER LEBT (Rosa von Praunheim, BRD 1971), die Geschichte von Daniel, der in die Großstadt kommt und alle Stationen im Leben eines schwulen Mannes der 1970er Jahre durchläuft, wird von einer mahnenden Stimme aus dem Off und Interviewausschnitten begleitet.
OTHON (Danièle Huillet, Jean-Marie Straub, F/BRD/I 1970) wurde nach dem 1664 erstaufgeführten Stück von Pierre Corneille wortgetreu und an den Originalschauplätzen gedreht. Der Film erzählt in fünf Akten eine Geschichte von Liebe und Macht im alten Rom. Die vier Kurzfilme, die Richard Serra 1968 drehte, stellen seine Hände bei einfachen Tätigkeiten dar. Die Art, mit der Serra seine Hände inszeniert, ist laut Rosalind Krauss zum einen direkte Referenz auf das Medium Film, zum anderen handelt es sich dabei um die filmische Betonung der eigenen künstlerischen Potenz. Zwischen den performativ begleiteten Filmvorführungen werden Robert Bridger (London), Bruno Siegrist (Berlin) and Caner Teker (Düsseldorf), Eric de Bruyn (Berlin), Eva Birkenstock (Berlin/Düsseldorf) and Joerg Franzbecker (Berlin) kurze Impulspräsentationen geben, die in offener Form über die Anschlussfähigkeit von Ian Whites historisch informierter und kunstkritischer Praxis reflektieren. (ab)
Eine Seminarkarte zu 16 € für alle Veranstaltungen (nur silent green: 12 €) ist an der Arsenalkasse erhältlich.
Eine Veranstaltungsreihe im Rahmen des Arsenal-Projekts „Archive außer sich“.