ICH DENKE OFT AN HAWAII (Elfi Mikesch, BRD 1978, 5. & 12.11.) Elfi Mikeschs experimenteller Dokumentarfilm porträtiert die 16-jährige Carmen, die mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in einer Neubausiedlung am Rande Berlins wohnt. Vom Vater, einem puertoricanischen Soldaten, ist außer Postkarten und Hawaii-Platten nichts geblieben. Mit Hilfe von sehnsuchtsvoller Musik, dramatischem Make-Up und schillernden Kostümen träumt sich Carmen in ein anderes, glamouröseres Leben – Ausdruck des Wunsches nach Ausbruch aus einem Alltag voller Haushaltspflichten und ein opulenter Gegenentwurf zum kleinbürgerlichen Wohnzimmer.
LE BRASIER ARDENT (The Burning Crucible, Ivan Mosjoukine, F 1923, 6.11., am Flügel: Eunice Martins) Die Regiearbeit eines der größten Stars der Stummfilmzeit, eine „meisterliche Mischung aus Surrealismus, Freud und Dada“ (Jay Weissberg), ist gespickt mit ungewöhnlichen Einfällen und Experimenten, einer wild zusammengewürfelten Handlung und einem exzentrischen Setdesign. Der Detektiv „Z“ (Ivan Mosjoukine) wird vom eifersüchtigen Ehemann einer Frau angeheuert, die vom selbigen schon in ihren Träumen besucht wurde, nachdem sie seine Autobiografie gelesen hatte. Jean Renoir schrieb 1938: „Eines Tages sah ich LE BRASIER ARDENT im Colisée. Das Publikum heulte und pfiff, schockiert von einem Film, der so anders war als das, was sie gewohnt waren. Ich war in Ekstase … Ich beschloss, meinen Beruf in der Keramikbranche aufzugeben, um zu versuchen, Filme zu machen.“
LE CAROSSE D’OR (Die goldene Karosse, Jean Renoir, F/GB/I 1952, 13. & 24.11.) Farbenprächtig und stilisiert verhandelt Jean Renoir die Frage, wie sich Leben und Theater zueinander verhalten. Die Grenzen verschwimmen, die Welten auf und hinter der Bühne werden ineinander verschachtelt und gespiegelt. Ausgangspunkt ist die goldene Karosse, die der verschwenderische Vizekönig eines Operettenstaats in Südamerika bestellt hat. Mit ihr kommt eine Schauspieltruppe an, deren Star auf der Bühne wie im „Leben“ die Männer verfallen. Opulent in Dekor, Schauspiel und Komposition – wie die goldene Karosse ein Meisterwerk.
THE GANG’S ALL HERE (Busby Berkeley, USA 1943, 15. & 18.11.) Das Musical um die Love Story einer Tänzerin und eines Soldaten, der sich im Pazifikkrieg bewährt hat, war die bis zu diesem Zeitpunkt aufwendigste und teuerste Produktion der 20th Century Fox und der Höhepunkt der kurzen Hollywoodkarriere der brasilianischen Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin Carmen Miranda. In leuchtendem Technicolor ist sie zu Samba-Rhythmen in schrillen Kostümen und mit ihrem obstschalenartigen Tutti-Frutti-Hut zu sehen, in Szene gesetzt von Choreograf und Regisseur Busby Berkeley, der sich mit der berühmten Bananennummer und einem kaleidoskopartigen Finale aus bunten Farben und Formen selbst übertraf.
LUDWIG (Luchino Visconti, F/I/BRD 1973, 16. & 22.11.) Luchino Visconti gestaltete mit Starbesetzung – Helmut Berger, Romy Schneider, Trevor Howard, Silvana Mangano, Gert Fröbe u.v.a. – und beispiellosem inszenatorischen Aufwand eine sezierende Studie des „Märchenkönigs“ Ludwig II., der an seinen Herrscherpflichten und seinen ästhetischen Utopien zerbricht. „Ein Film, wie es ihn wohl nie mehr geben wird; Summe und Höhepunkt einer von Jahrhunderten europäischer Kultur geprägten und durchdrungenen Einbildungskraft, eines von Geschichte und Erinnerung, Veranlagung und Sensibilität gestalteten Bewusstseins.“ (Martin Schaub) Wir zeigen die vierstündige Langfassung des Films.
SAJAT NOVA (Die Farbe des Granatapfels, Sergej Paradschanow, UdSSR 1963, 17. & 28.11.) In einer Reihe von mystischen, opulent-folkloristischen und minutiös arrangierten Tableaux vivants zeigt Paradschanow Stationen aus dem Leben des armenischen Lyrikers, Dichters, Komponisten und Sängers Arathin Sajadin, der im 18. Jahrhundert zunächst an einem Königshof lebte, später als fahrender Sänger durch die Lande zog, schließlich ermordet und zum Märtyrer wurde. Im Mittelpunkt steht das poetische Universum des Dichters, welches Paradschanow in bewegte Stillleben übersetzt: sorgfältige Kompositionen, die Menschen, Stoffe, unterschiedlichste Objekte, Blumen und Tiere miteinander in Beziehung setzen. Die fiebertraumartige Assoziation eines Künstlerlebens ist ein Film der Superlative, einer der schönsten und künstlerisch entschiedensten Filme, die in der Sowjetunion entstanden sind. „Ernsthaft und spielerisch zugleich lässt Paradschanow die Welt des armenischen Dichters Aruthin Sayadin entstehen: ein gegenwärtiges 18. Jahrhundert, in rätselhaften, poetischen, modern-surrealistischen, liebevoll-ironischen Bildern.“ (Dietrich Kuhlbrodt)
SHOWGIRLS (Paul Verhoeven, USA/F 1995, 19. & 26.11.) Die temperamentvolle, selbstbewusste junge Tänzerin Nomi Malone will in Las Vegas Karriere machen. Dort, in einem von glitzernden Oberflächen, hemmungsloser Vulgarität und Verschwendung erfüllten Showbusiness-Delirium, erfüllt sich ihr Traum, doch mit teuren menschlichen Opfern. Paul Verhoeven überträgt in seinem legendären, atemlosen enfant terrible von Film die Geschichte von All About Eve in die postmodernen 90er Jahre und zieht unverkennbar auch die Bilanz von bis dato acht Jahren Arbeit in Hollywood. „Wenn SHOWGIRLS pornografisch ist, dann nicht wegen der großen Anzahl nackter, sich räkelnder Körper, sondern in seiner Ästhetik: Hier wird alles sichtbar gemacht, das intimste Gefühl mimisch übersetzt, jeder Abgrund ist im Ton spürbar, jede Aufregung fließt in die Kamerabewegungen ein – ein vollkommener Spiegel.“ (Alejandro Bachmann)
MUTINY ON THE BOUNTY (Meuterei auf der Bounty, Lewis Milestone, USA 1962, 20. & 23.11.) Die HMS Bounty der britischen Marine muss 1789 auf dem Rückweg von Tahiti wegen schlechter Wetterbedingungen den Umweg über Afrika und Australien nehmen. Die Spannungen an Bord entladen sich, als Captain William Bligh (Trevor Howard) die Wasserration der Mannschaft lebensbedrohlich reduziert, um die Brotfruchtbäume im Laderaum zu retten. Unter der Führung des Ersten Offiziers Fletcher Christian (Marlon Brando) meutert ein Teil der Mannschaft gegen den Kapitän. Für die vierte Verfilmung der historischen Meuterei war MGM kein Aufwand zu groß: Der Dreimaster Bounty wurde nach Originalplänen nachgebaut, gedreht wurde in Ultra Panavision 70 an Originalschauplätzen auf Tahiti und Moorea. Der Austausch des Regisseurs Carol Reed durch Lewis Milestone, ständig umgeschriebene Drehbuchfassungen durch unterschiedliche Autoren sowie die Capricen des Superstars Marlon Brando zogen die Dreharbeiten neun Monate in die Länge und ließen die Produktionskosten auf das Doppelte explodieren. Mit knapp 20 Mio. Dollar geriet MUTINY ON THE BOUNTY zum bis dato teuersten Film und zum finanziellen Desaster, das das ehemals reichste Studio Hollywoods an den Rand des Ruins führte. Wir zeigen eine zeitgenössische 35-mm-Magnettonkopie.
NA SREBRNYM GLOBIE (On the Silver Globe, Andrzej Żuławski, Polen 1978/1989, 21. & 30.11.) Eine Gruppe Astronauten verlässt die Erde, um auf einem neuen Planeten eine bessere Zivilisation zu gründen. Nach der Notlandung auf einem wüsten, aber erdähnlichen Planeten werden die überlebenden Astronauten zu Gründern einer schamanistischen Stammeskultur. Videoaufnahmen von diesem sogenannten Silbernen Planeten gelangen wieder zurück auf die Erde. Sie locken den Astronauten Marek dorthin, der als Erlöser empfangen und bald zum blutrünstigen Heerführer wird. Mit NA SREBRNYM GLOBIE verfilmte Żuławski, ein Meister der ekstatischen, orgiastischen, fieberhaft-wilden Inszenierung, die „Mondtrilogie“ seines Großonkels, des Schriftstellers Jerzy Żuławski. Ganze zwei Jahre nach Beginn der Arbeit an diesem opus magnum untersagten die Kulturbehörden sämtliche weitere Aufnahmen, sodass der Film ein Fragment blieb. Erst 1988 konnte Żuławski eine Kinofassung rekonstruieren.
MUJERES AL BORDE DE UN ATAQUE DE NERVIOS (Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, Pedro Almodóvar, Spanien 1988, 24. & 29.11.) Pepa – meisterlich dargestellt von Carmen Maura – und Ivan sind Synchronsprecher von bekannten Hollywoodfilmen der 50er und 60er Jahre und ein Paar. Eines Tages beendet Ivan die Beziehung mit einer lapidaren Botschaft auf Pepas Anrufbeantworter: Sie soll seine Sachen packen und bei der Concierge hinterlegen. Pepas Nervenzusammenbruch wird gefolgt von einem Wohnungsbrand, Drogen-Exzessen und verschiedensten Menschen, die Pepas Leben noch weiter ins Chaos stürzen. Die überbordende Geschichte mit ihren verzweigten Handlungssträngen rückt jedoch im Verlauf des Films in den Hintergrund. Im Vordergrund stehen ein Wirrwarr an Gefühlen, weiblicher Wahnsinn und die männliche Unfähigkeit, damit umzugehen.
FITZCARRALDO (Werner Herzog, BRD 1982, 7. & 27.11.) Ein Opernhaus mitten im Amazonas, in dem Enrico Caruso singen soll: Um diesen wahnwitzigen Wunsch zu verwirklichen, scheut Fitzcarraldo (Klaus Kinski) keinen Aufwand. Um das nötige Geld zu beschaffen, steigt er in die Kautschuk-Gewinnung ein, was im Versuch gipfelt, einen alten Dampfer über einen Berg zu transportieren. Die exzentrische Megalomanie Fitzcarraldos spiegelt sich in der Besessenheit seines Darstellers sowie Regisseurs. (hjf/mg/gv)