BRONENOSEZ POTEMKIN (Panzerkreuzer Potemkin, Sergej Eisenstein, UdSSR 1925, 2. & 9.7.) Ein Revolutionsfilm in fünf Akten: Die Matrosen der Potemkin setzen sich gegen die unwürdigen Lebensbedingungen an Bord zur Wehr, bringen das Schiff unter ihr Kommando und laufen Odessa an. Auf der berühmten Treppe von Odessa greift die Obrigkeit ein. Eisenstein sah u.a. vor, die an verschiedenen Stellen des (Schwarzweiß-)Films symbolträchtig gehisste rote Fahne zu kolorieren, was jedoch den Zensureingriffen zum Opfer fiel. Wir zeigen die Restaurierung von 2005, die sich der sowjetischen Premierenfassung annähert und auch die Fahne wieder in leuchtendem Rot wehen lässt.
LES PARAPLUIES DE CHERBOURG (Jacques Demy, F/BRD 1964, 3. & 12.7.) „Die erste Volksoper, die für den Film geschrieben wurde“ (Demy), die das zunächst herbstliche Cherbourg mittels aufwendiger Farbdramaturgie in einen märchenhaften Ort verwandelt. Hier haben sich die 18-jährige Geneviève (Catherine Deneuve als Regenschirmverkäuferin) und der Automechaniker Guy ineinander verliebt. Ihre Liebe endet jäh, als Guy zum Kriegsdienst nach Algerien eingezogen und die schwangere Geneviève zur Heirat mit einem wohlhabenden Juwelier gedrängt wird.
LOLA (R.W. Fassbinder, BRD 1981, 4. & 13.7.) Die Nachkriegswirtschaft floriert in der nordbayrischen Kleinstadt, in der Geschäfte bevorzugt im örtlichen Bordell ausgehandelt werden. Ein neuer Baudezernent möchte die Machenschaften ans Licht bringen, verliebt sich jedoch in die Prostituierte Lola. Der dritte Teil einer Untersuchung der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft gleicht einem Dialog zwischen Rot und Blau (Frau/Mann, Leidenschaft/Ordnung, Innen/Außen), die zunächst unversöhnlich aufeinandertreffen.
THE ASSASSIN (Hou Hsiao-hsien, Taiwan/VR China/HK/F 2015, 6. & 17.7.) Nach einem Prolog in Schwarzweiß und atemberaubender Rasanz öffnet sich Hous erster Martial-Arts-Film einer hoch-nuancierten Farbwelt. Im China des 9. Jahrhunderts wird Nie Yinniang, Tochter eines chinesischen Generals, von einer Äbtissin zur Auftragskillerin ausgebildet, in ihre Heimat beordert, wo sie den Mann töten soll, dem sie einst als Ehefrau versprochen wurde. Derweil entfaltet sich ein singuläres Werk der hochkomplexen farben- und detailreichen Bilder, der fließenden Bewegungen, der Stille und der Melancholie.
ONE WAY BOOGIE WOOGIE / 27 YEARS LATER (James Benning, USA 2005, 19. & 22.7.) Ein Film über die Erinnerung und das Altern – auch das der Farben. 1977 drehte Benning ONE WAY BOOGIE WOOGIE: 60 einminütige Einstellungen von städtischen Gewerbegebieten in Milwaukee. Für 27 YEARS LATER kehrte er an die alten Schauplätze zurück. Außer neu entstandenen städtebaulichen Strukturen und Gebäuden, die abgerissen wurden, überrascht die Ähnlichkeit der Bilder. Der deutlichste Unterschied liegt indes in den verschiedenen Materialien, auf denen gedreht wurde: Der frühe Film, gedreht auf Ektachrome Commercial Kodak 7252 (einem feinkörnigen Umkehrfilm), verfügt über ein reiches Farbspektrum, während die Farbigkeit der Aufnahmen von 2004 (Kodak 7245) kühl, klar und realistisch geprägt ist.
PIERROT LE FOU (Jean-Luc Godard, F/I 1965, 10. & 14.7.) Ein Fiebertraum in Rot und Blau: Pierrot (J.-P. Belmondo) und seine frühere Freundin Marianne (Anna Karina) treffen sich wieder. Was als Abenteuer beginnt, mündet in eine gemeinsame Flucht, die in unterschiedlichen Fortbewegungsmitteln und entlang verschiedener Etappen unaufhaltsam dem Abgrund entgegensteuert. „Wichtig ist nicht das Ziel, sondern der Raum dazwischen. Die Bewegung, die Luft, das Licht, die Farben. Das Kino ist das, was zwischen den Dingen ist, nicht die Dinge selbst.“ (JLG)
MIES VAILLA MENNEISYYTTÄ (Der Mann ohne Vergangenheit, Aki Kaurismäki, FIN/D/F 2002, 18. & 31.7.) Ein Mann kehrt nach einem Überfall wundersam ins Leben zurück – er hat allerdings jede Erinnerung verloren. Ohne Identität, ohne Vergangenheit und ohne Gedächtnis fängt er unter Obdachlosen und Outlaws, aber behütet von den Engeln der Heilsarmee ein neues Leben an. Er pflanzt Kartoffeln, erlebt einen Banküberfall und findet sein Liebesglück mit Irma (Kati Outinen). Leicht und ohne Pathos, dafür in satten, kräftig leuchtenden Farben erzählt Kaurismäki von der Solidarität unter Ausgegrenzten und vom Bewahren der Würde.
IL DESERTO ROSSO (Die rote Wüste, Michelangelo Antonioni, I/F 1964, 18. & 25.7.) Die an ihrer lieblosen Ehe verzweifelnde Giuliana (Monica Vitti) findet nach einem Unfall nicht wieder in ihr alltägliches Leben zurück. Der Umgebung, wie sie sie wahrnimmt, wurde jegliches Leben ausgetrieben. Sie besteht aus kalten Innenräumen und zerstörten Industrieanlagen. Eine komplexe Farbdramaturgie, gebrochenes Licht und vor allem die intensiven Rottöne bilden die farbliche Textur für diesen Film über Wahrnehmungsverschiebungen und Realitätsverlust.
THE RED SHOES (Michael Powell, Emeric Pressburger, GB 1948, 20. & 28.7.) Kunstvoll die reale und eine Fantasiewelt miteinander verbindend realisieren Powell und Pressburger mit THE RED SHOES ein farbenprächtig ausgestattetes Technicolor-Ballettfilm-Wunder. Die junge Primaballerina Vicki (Moira Shearer) ist zwischen ihrer Liebe zum Ballett und der Liebe zu einem jungen Komponisten hin- und hergerissen und sieht die Flucht als einzige Möglichkeit. Höhepunkt des Films ist eine knapp 15-minütige Ballett-Sequenz, für die der Film-Designer Hein Heckroth hunderte einem abstrakten Farbschema folgende Öl-Skizzen erstellte.
GENTLEMEN PREFER BLONDES (Howard Hawks, USA 1953, 21. & 30.7.) Kostüme in glitzernden Bonbonpapierfarben und gewagte Farbkom-binationen (u.a. Pink und Rot): der Technicolor-Farbrausch als idealer Begleiter der schimmernden Diamanten, denen eine zentrale Musical-Nummer des Films gewidmet ist, kanonisch besungen von Marilyn Monroe. Letztere soll auf einer Schiffsfahrt auf Tugendhaftigkeit geprüft werden. Das Ergebnis lässt Interpretationsspielraum zu und wird zum Ausgangspunkt einer Reihe von hochprozentigen Cocktails, fulminanten show acts, vertauschten Rollen, einem vorgetäuschten Diebstahl und einem zweifachen Happy End.
TOUKI BOUKI (Djibril Diop Mambéty, Senegal 1973, 23. & 27.7.) Ein junges senegalesisches Paar träumt von einer Zukunft in Paris. Nach der Überwindung zahlreicher Widerstände muss es jedoch einsehen, dass ein Leben in Frankreich wohl nur mit einer vagen Hoffnung verbunden ist, die sich kaum erfüllen wird. Djibril Diop Mambétys experimentelles Langfilmdebüt in den leuchtenden Farben der 70er Jahre ist Roadmovie, Episodenfilm, Initiationsgeschichte und Satire zugleich. Die Grenzen zwischen Realität und Imagination verlaufen fließend, Dokumentarisches und Fantastisches vermischen sich. Ein Meilenstein in der Geschichte des afrikanischen Kinos.
NOSFERATU, EINE SYMPHONIE DES GRAUENS (F.W. Murnau, D 1921, 24. & 26.7., am Klavier: Eunice Martins) Bereits lange vor Einführung des Farbfilms experimentierten die Pioniere des Kinos mit Farben im Film: Hand- und Schablonenkolorierungen, Virage (monochrome Einfärbung) und Tonung (chemische Umwandlung des Filmmaterials) brachten Farben in das frühe Kino. Murnaus Dracula-Verfilmung läuft in einer viragierten Fassung, deren Farbdramaturgie den damaligen Usancen entsprach: Blau viragierte Szenen deuteten nächtliche oder Außen-Szenen an, gelbe Virage stand für Innenaufnahmen, Rot symbolisierte Gefahr, Feuer oder auch Liebe, während die grüne Farbe auf Natur verwies. (mg)