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Der älteste verfügbare Film der koreanischen Filmgeschichte ist der stumm gedrehte CHE-ONG-CHUN-EUI SIPJARO (Crossroads of Youth, Ahn Jong-hwa, Korea 1934, 17.10., Einführung Sulgi Lie). Da außer einer kurzen Inhaltsangabe keine überlieferte Textgrundlage auffindbar war, entstand 2008 ein neu gestaltetes Dialogbuch unter Federführung des Autors und Regisseurs Kim Tae-yong. Mit großem Erfolg wurde der Film bereits 2013 im Forum der Berlinale in einer Version mit Sprechern, Sängern und Orchester aufgeführt. Die melodramatische Handlung aus Romantik, Liebe, Verrat und Rache konzentriert sich auf den jungen Young-bok, der sich aus der Provinz Richtung Seoul aufmacht, nachdem seine Partnerin ihn wegen eines anderen Mannes verlassen hat. Hier begegnet er seiner neuen Liebe, die jedoch den Übergriffen eines anderen Mannes ausgesetzt ist. Als Young-bok auf Vergeltung sinnt, trifft er überraschend seine Schwester wieder, die sich nach dem Tod der Mutter auf die Suche nach ihm machte. Wir präsentieren eine live deutsch eingesprochene Fassung (Sprecher: Matthias Scherwenikas) des Films mit Musikbegleitung (am Flügel: Eunice Martins).

MIMONG (Sweet Dream, Yang Ju-nam, Korea 1936, 18.10.) wurde 2005 im China Film Archive gefunden. Im Zentrum des nur knapp 50 Minuten langen Melodrams steht Ae-soon, die in Hoffnung auf einen sozialen Aufstieg Ehemann und Kind verlässt und eine Affäre mit einem zwielichtigen reichen Mann beginnt. Die damals sehr populäre Hauptdarstellerin Moon Ye-bong gibt hier das nuancierte Porträt einer Frau, die zwischen traditionellem Familienleben und den Verführungen der modernen Welt hin- und hergerissen ist. Zudem vermittelt der Film in vielen Außenaufnahmen von Cafés, Hotels und Einkaufshäusern einen einzigartigen dokumentarischen Eindruck vom Seoul der 30er Jahre. Obwohl die lokale Filmindustrie zur Entstehungszeit des Films der ideologischen Kontrolle des japanischen Kolonialregimes unterstellt war, bezeugt MIMONG eine große künstlerische Freiheit.

BANDOUI BOM (Spring on the Korean Peninsula, Lee Byong-il, Korea 1941, 18.10.) ist ein Film über das Filmemachen: Ein Filmteam versucht unter widrigen finanziellen Umständen eine Adaption der berühmten Chunhyang-Geschichte aus dem 17. Jahrhundert zu drehen, in der es um die skandalöse, Klassengrenzen überschreitende Liebe eines Gelehrten zu einer Kurtisane geht. Der elegant inszenierte Film gibt einen faszinierenden Einblick in die Filmindustrie jener Zeit, die sich gegen ökonomische Zwänge und koloniale Fremdbestimmung behaupten muss. Die Filmplakate im Hintergrund vermitteln eine Ahnung davon, welche ausländischen (auch deutschen!) Filme damals auf koreanischen Leinwänden zu sehen waren. Der Rekurs auf die Chunhyang-Sage (die Im Kwon-taek im Jahr 2000 verfilmen wird) kann als nationalkultureller Widerstand gegen die japanische Okkupation gedeutet werden.

MIMANG-IN (The Widow, Park Nam-ok, Republik Korea 1955, 20.10.) fokussiert die alleinerziehende Witwe Shin-ja, die im unmittelbaren Nachkriegs-Seoul ums blanke Überleben kämpft. Sie ist dem Freund ihres verstorbenen Mannes, Seong-jin, verbunden, geht jedoch nicht auf seine romantischen Avancen ein. Stattdessen verliebt sie sich in Taek, der wiederum eine Affäre mit Seong-jins eifersüchtiger Frau hat … Als erster südkoreanischer Film unter einer weiblichen Regie gedreht, stellt diese 16-mm-Produktion auf geradezu radikale Weise eine selbstbestimmte weibliche Hauptfigur in den Mittelpunkt, die sich ihrem Witwendasein nicht fügen möchte und nach neuen Bindungen sucht. MIMANG-IN zeichnet sich auch durch bemerkenswerte Strandaufnahmen und Straßenbilder Seouls aus. Da die letzte Filmrolle verschollen ist, existiert keine restaurierte Fassung. Der Film ist bislang nur als Videoabtastung verfügbar. Zudem enthalten die letzten zehn Minuten keinen Ton. Im Anschluss an die Vorführung diskutieren die Kuratoren Sulgi Lie und Ansgar Vogt mit der ehemaligen Leiterin des Korean Film Archive, Cho Sun-hee, über Aspekte der koreanischen Filmgeschichte sowie Archivierungs- und Restaurierungsprozesse.

JA-YU BU-IN (Madame Freedom, Han Hyeong-mo, Republik Korea 1956, 21. & 28.10.) Ein neuer Job in einer Boutique löst bei der Hausfrau Seon-young einen Emanzipationsprozess aus. Sie interessiert sich für die neue westliche Lebensart im Seoul der Nachkriegszeit und hört auf ihre Sehnsüchte. Dabei kollidiert sie mit den traditionellen Wertvorstellungen ihres Ehemanns, der parallel eine außereheliche Affäre beginnt. Die Handlung präsentiert eine starke weibliche Hauptfigur, die sich in einem Umfeld voller Doppelmoral aus den ihr vorgegebenen gesellschaftlichen Bahnen löst. Der Film zeichnet sich durch wunderbare Schauwerte aus und entwirft erstaunlich ambivalente Rollenbilder von Frauen. JA-YU BU-IN entfachte kontroverse gesellschaftliche Debatten.

PIAGOL (Lee Kang-cheon, Republik Korea 1955, 22.10.) erzählt von den letzten Tagen einer Partisanengruppe gegen Ende des Koreakriegs, die verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit in den Norden sucht. Allein die Tatsache, dass der Film nur zwei Jahre nach Kriegsende kommunistische Partisanen ins Zentrum der Erzählung rückte, brachte ihm den Vorwurf nordkoreanischer Propaganda ein. Aus heutiger Sicht wirkt PIAGOL wie eine Studie über männliche Barbarei: Aufgrund der Anwesenheit einer weiblichen Kombattantin führen die sexuellen Aggressionen unter den männlichen Partisanen zur unvermeidlichen Eskalation. Auch wenn der Film sichtbar an technischen und handwerklichen Beschränkungen leidet, erscheint sein unbarmherziger Blick auf männliche Gewalt wie eine Vorwegnahme der Filme von Kim Ki-duk.

In neorealistischem Duktus erzählt MAEUMUI GOHYANG (Hometown of the Heart, Yoon Yong-kyu, Republik Korea 1949, 23.10.) die Geschichte eines kleinen Kindermönchs, der als Waise in einem buddhistischen Kloster lebt und sehnsüchtig auf die Rückkehr seiner Mutter wartet. Als eine junge, kinderlose Witwe (Choi Eun-hee) im Kloster einkehrt, wünscht sich der Junge sie als Wahlmutter, wie auch die Witwe ihn als Sohn adoptieren möchte. Doch taucht eines Tages plötzlich die biologische Mutter auf. Choi, die in den späten 50er Jahren zum größten weiblichen Star des koreanischen Kinos aufstieg, ist hier in einer ihrer frühesten Rollen zu sehen. Bestechend schön fotografiert, lotet der Film auf sensible Art und Weise die Konflikte zwischen Bluts- und Wahlverwandtschaft aus.

JI-OK-HWA (A Flower in Hell, Shin Sang-ok, Republik Korea 1958, 25. & 29.10.) zeigt die schrecklichen Kriegsauswirkungen am Beispiel einer Familie mit dem Fokus auf zwei erwachsene Brüder. Der Film liefert bemerkenswerte gesellschaftliche Einblicke in ein Land im heftigen Umbruchprozess unter der US-Besatzung und offenbart die harten Realitäten des Alltags auf eindringliche Weise. Dieses Frühwerk des Regisseurs Shin Sang-ok – hier bereits in Zusammenarbeit mit Schauspielerin Choi Eun-hee, die später seine Ehefrau wird – unterstreicht eindrucksvoll, warum er zu den wichtigsten Filmemachern des koreanischen Kinoschaffens zählt.

EONEU YEODAESAENGUI GOBAEK (A College Woman’s Confession, Shin Sang-ok, Republik Korea 1958, 25. & 30.10.) ist ein hochemotionaler Film über eine arme Studentin, die sich als Tochter eines hohen Abgeordneten ausgibt, um eine Karriere als Anwältin zu beginnen. Sie fängt an, sich für die Rechte deprivilegierter Frauen einzusetzen. Einfühlsam solidarisiert sich der Film mit dem Leid der Frauen in der südkoreanischen Nachkriegsgesellschaft, in der soziale Ausgrenzung und Sexismus allgegenwärtig sind. Getragen von einer brillanten Star-Performance Choi Eun-hees, zeugen sowohl die raffinierte Rückblenden-Struktur als auch die ungewöhnliche Mischung aus Melodram und Court-Room-Drama erneut von der Inszenierungskunst Shin Sang-oks.

YEO-SAJANG (A Female Boss, Han Hyeong-mo, Republik Korea 1959, 26. & 31.10.) ist eine rasante, ästhetisch beeindruckende Komödie um die selbstbewusste Joanna, die resolute Chefin eines Frauenmagazins. Ihre feministischen Grundhaltungen, die sie erfolgreich lebt, werden jedoch unerwartet herausgefordert, als sie plötzlich Yong-ho begegnet, der zunächst ihr Angestellter wird, später aber auch ihr Ehemann. Der Film zeichnet sich durch zahlreiche komische Wendepunkte, eine radikale, geradezu respektlose Ausleuchtung von Geschlechterrollen und ein großes Spektrum an Humortonalitäten aus.

YEO-PANSA (A Female Judge, Hong Eun-won, Republik Korea 1962, 27.10., Einführung: Ansgar Vogt) folgt den Herausforderungen einer Richterin, die Familienleben und Beruf gegen zahlreiche Widerstände in Einklang bringen möchte. Hong Eun-won ist nach Park Nam-ok (THE WIDOW) die zweite Regisseurin Südkoreas. Sie leuchtet das Leben einer Frau in einer von Männern dominierten Juristenwelt aus und fördert dabei gesellschaftliche und soziale Ungleichheiten zu Tage. Mittels einer raffinierten Dramaturgie gelingt es der Filmemacherin, die Handlung von einem Gesellschaftsdrama in einen spannenden Justizthriller mit „Whodunnit“-Plot übergehen zu lassen. (sl/av)

Das Programm entstand in Zusammenarbeit mit dem Koreanischen Kulturzentrum Berlin, dem Korean Film Council, dem Committee for Korean Film 100 Years und mit freundlicher Unterstützung des Korean Film Archive.

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