Why an archive? Drei unabhängige Archive aus Guangzhou, Beijing und Hongkong
Neben traditionellen Archiv-Formen sind in den vergangenen Jahrzehnten vermehrt hybride Archive entstanden, die gleichermaßen innerhalb und außerhalb des digitalen Bereichs operieren, Gemeinschaften bilden und unabhängig von staatlichen institutionellen Strukturen operieren. Drei der einflussreichsten unabhängigen Archive im Kunstbereich aus Guangzhou, Beijing und Hongkong, Videotage, Asia Art Archive und Video Bureau, prägen seit vielen Jahren den Kulturraum ihrer Region, indem sie langfristiges lokales Engagement mit der Bildung weitreichender Netzwerke der Wissensproduktion und des Wissensaustausches verbinden.
Im November präsentieren wir auf arsenal 3 in Zusammenarbeit mit dem Times Art Center Berlin eine Auswahl zeitbasierter Werke, die ausschnitthaft Einblick in Kunstbewegungen Asiens seit den späten 1980er Jahren gibt, und die den jeweiligen Ausrichtungen der Archive eng verbunden sind. Gespräche mit Akteur*innen der drei Archive über die ausgewählten Werke, ihre institutionellen Ausrichtungen, ihre Geschichte, und ihre Vorstellungen von der zukünftigen Archiv-Arbeit werden parallel dazu auf der Webseite von Archive außer sich veröffentlicht.
Videotage hat sich seit seiner Gründung 1986 in Hongkong von einem Künstlerkollektiv hin zu einem Netzwerk zur Förderung der lokalen Medienkunst-Community entwickelt. Seit 1986 wurden Veranstaltungen und Programme organisiert, wie z.B. Ausstellungen, Festivals und ein Residenzprogramm. Von Anfang an hat Videotage Medienkunstwerke über seine Netzwerke und Publikationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aus diesen Aktivitäten ist 2008 ein öffentliches Offline und Online Videokunst-Archiv (VMAC) hervorgegangen.
Asia Art Archive wurde 2000 in Hongkong mit der Aufgabe gegründet, die vielseitige(n) jüngere(n) Kunstgeschichte(n) der Region sichtbar zu machen. Mit Ablegern in Shanghai, New Delhi und New York, entwickelt AAA Werkzeuge und Gemeinschaften zur kollektiven Wissenserweiterung durch recherchebasierte Formate sowie Residenz- und Bildungsprogramme. Die Sammlung umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Dokumentationen, darunter beispielsweise die Archive bedeutender Künstler, Kunsthistoriker und Kuratoren, Ausstellungen und Kunsträume.
Video Bureau (Guangzhou und Beijing) öffnete der Öffentlichkeit erstmals 2012 seine Türen. Aufgabe des von Künstlern gegründeten und betriebenen Projekts ist es, zeitgenössische Videokunst überwiegend, aber nicht nur, aus China zu archivieren, um eine umfassende und durchsuchbare Datenbank für Wissenschaftler*innen, Kuratoren*innen, Künstler*innen, Sammler*innen, Studierende und andere Kunstaffine zu schaffen, und mit Veranstaltungen, Bildungsprogrammen und Publikationen die Werke der Sammlung einer interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren.
Mit Arbeiten von: aaajiao, Choi Yan-chi / Yau Ching / Leung Ping-Kwan, Ray Langenbach / Josef Ng, Lei Lei, Anson Mak, Ellen Pau, Shen Xin, Samson Young, Danny Yung, Zhang Peili.
“Why an archive?” wurde von Ariane Beyn in Zusammenarbeit mit Videotage, Asia Art Archive und Video Bureau kuratiert, in Ergänzung der Ausstellung “Readings From Below” im Times Art Center Berlin (bis 12.12. 2020).
Sandra Schäfer & Moments of Rupture
Räume, Militanz und Filme lautet der Untertitel von Sandra Schäfers Buch „Moments of Rupture“. Die Begriffe sind ebenso Bezugspunkte ihrer künstlerischen Arbeit, die um die Produktion von städtischen und transregionalen Räumen, Geschichte und Bildpolitiken kreisen. Anlässlich der Präsentation ihres Buchs am 12.11. laufen einige ihrer Arbeiten auf arsenal 3.
CONSTRUCTED FUTURES: HARET HREIK (D/A 2017) Haret Hreik in Beirut beherbergt das Hauptquartier der Hisbollah-Partei. 2006 bombardierte die israelische Armee das Viertel, die Hisbollah baute es rasch wieder auf. Dieses Wiederaufbauprojekt ist Teil eines kriegerischen Konflikts und geopolitischen Gefüges, in dem Architektur an der Herstellung von Raum, Landschaft und Erinnerung beteiligt ist. MLEETA (D 2016) 35 km von Israel und 40 km von Syrien entfernt, bot der Berg Mleeta der Hisbollah während der israelischen Besetzung des Südlibanon einen Rückzugsort. Heute befindet sich auf dem Mleeta das „Museum des Widerstands“, ein propagandistisches Reenactment, das landschaftliche und militärische Szenarien wiederherstellt.
ON THE SET OF 1978FF (D 2011) Die iranische Revolution 1978/79 führte zum Sturz des Schah-Regimes. Schäfers Splitscreen-Video geht den Fragen nach, warum der politische Islam damals eine bedeutende Rolle spielte und weshalb die Gründung der Islamischen Republik von vielen Menschen unterschiedlicher politischer Überzeugungen mitgetragen wurde. PASSING THE RAINBOW (D 2007) Der Film handelt von performativen Strategien, die rigiden Gendernormen in der afghanischen Gesellschaft zu unterlaufen. Zu Wort kommen eine Lehrerin, die gleichzeitig Schauspielerin ist, eine Polizistin, die nebenberuflich Actionfilme dreht und Malek_a, die als Junge lebt und so den Lebensunterhalt für ihre Familie verdient. THE MAKING OF A DEMONSTRATION (D 2006) Im Zentrum steht die Nachinszenierung einer Demonstration von Frauen gegen das von den Taliban eingeführte Arbeitsverbot. Die Aufnahmen entstanden 2002 während der Dreharbeiten zum Spielfilm Osama in den Straßen Kabuls. 1.000 Frauen waren gekommen, um in der Szene mitzuspielen. Ihre persönlichen Erfahrungen sind mit denen der Dargestellten identisch.