Umsonst sollte arsenal 3 schon sein, denn Geld ist gerade für viele sehr knapp. Weil diejenigen, die die Filme machen, ohnehin oft wenig daran verdienen und von der derzeitigen Krise besonders betroffen sind, rufen wir jetzt zu Spenden auf, damit wir angemessene Lizenzzahlungen vornehmen können.
Spendenkonto:
BFS / Bank für Sozialwirtschaft
IBAN DE39 1002 0500 0003 344306
BIC: BFSWDE33BER
Stichwort: arsenal 3
arsenal 3 ist auch für uns neu und wir werden jetzt live Erfahrungen damit sammeln. Zunächst zeigen wir ein wöchentlich wechselndes Programm. Vielleicht ergänzen wir es später mit anderen Beiträgen. Es ist ein dynamischer Prozess und wir sind selbst gespannt, was aus arsenal 3 wird.
Für alle, die es noch nicht mitbekommen hatten: arsenal 3 haben wir schon 2019 für unsere Mitglieder eingeführt, mit Filmen, die wir zu diesem Zweck lizensiert haben. Auf diesen Exklusivstatus verzichten unsere Mitglieder nun vorübergehend. Aber vielleicht ist es für die anderen ja ein Anlass, auch Mitglied zu werden – oder sogar Fördermitglied? Das würde uns auch über die Corona-Zeit hinaus sehr helfen. Informationen dazu gibt es hier. Die Mitgliedschaft wird um die Schließzeit verlängert, so dass ein verbilligter Eintritt ab der Wiedereröffnung von Arsenal 1 und 2 für sechs Monate möglich ist. Wir würden uns freuen!
Aber nun zu unserem Programmangebot der ersten Woche. Es enthält Filme zu leeren Plätzen und Massenansammlungen. Zu Räumen und ihrer Umgebung. Zu Nähe und Distanz. Zum Körper und seiner Formbarkeit. Filme, die angesichts der gegenwärtigen Situation zu neuen Filmen werden. Auch das ist Kino. Auf Distanz und dennoch in Kontakt. Keine Rettung, aber Transformation.
Sozusagen zur Eröffnung präsentieren wir einen Film, der nicht durch arsenal distribution verliehen wird, sondern von der von uns sehr geschätzte Filmgalerie 451, mit der wir seit vielen Jahren gemeinsam DVDs veröffentlichen: umsonst (2014) von Stephan Geene. Selten ist es wohl so deutlich geworden wie sich Texte unter besonderen Umständen anders lesen. Hier die Filmbeschreibung des Regisseurs: „Aziza steht unangekündigt wieder in ihrem Zimmer – Praktikum, Portugal, alles abgebrochen. Aber ihr Zimmer ist besetzt, die Mutter, Trixi, hat das Zimmer vermietet. Zach wohnt jetzt dort, aus Neuseeland ist er mit einem One-Way-Ticket nach Berlin gekommen. Aus dieser Situation entwickelt der Film ein fast dokumentarisches Porträt einer Kreuzberger ‚Situation’: alles ist da, zur Verfügung, Zeit, Menschen, Sommer, Straße. Und am Ende ein Absturz, der Film selbst: ‚umsonst’? Sich in einem Stadtteil zusammenballen, auf der Straße sitzen und nichts oder wenig tun, hat das Methode? Gibt es da etwas, was mit dem Kreuzköllner Zustand von In-der-Sonne-Sitzen, die Straße als Bar zu verwenden und mit Gitarre auf der Straße zu singen ‚gemeint’ ist – auch wenn ja gerade niemand irgendetwas ‚meinen’ oder ‚sagen’’ will? Und doch: diese Verwendung der Stadt, das Beharren auf geldlosem Umgang, das Bestehen darauf, Zeit zu haben, das ‚demonstriert’ etwas. Und wenn es nur eine Form wäre, auf das Wort ‚Krise’ zu reagieren? Den Zustand filmen und darin eine Geschichte anfangen lassen. Personen, die hier wohnen, andere, die dazu kommen, unbestimmte Zeit bleiben, gehen, unterbrechen, um eben auch diese Geschichte insgesamt zu beenden.“
AL-KHOROUG LEL-NAHAR (Coming Forth By Day, 2013) von Hala Lotfy zeigt Innen- und Außenräume in Kairo anhand eines Tages im Leben von Soad. Ihre Mutter arbeitet nachts in einer Klinik und ist tagsüber ein Schatten ihrer selbst. Soads Aufgabe, den kranken Vater zu pflegen, hat sie schicksalsergeben akzeptiert und das eigene Leben hintangestellt. Ihre Sehnsucht ist spürbar nach draußen gerichtet. Doch als sie am Abend die Wohnung verlässt und einsam durch das nächtliche Kairo treibt, wird deutlich, wie weit sie sich schon von ihren Bedürfnissen entfernt hat. Indes beginnt am Ende der Nacht ein neuer Tag, der womöglich Veränderung bringt.
Auch bei Isabell Spengler geht es um das Verhältnis einer erwachsenen Tochter zu ihren Eltern. VATER, MUTTER, WAS SOLL ICH HEUTE FILMEN? (2012) entstand bei einem Besuch ihrer Eltern in der Abgeschlossenheit ihres Ferienhauses in Südfrankreich.
Juliane Henrichs Filmessay AUS WESTLICHEN RICHTUNGEN (2016) geht von der kindlichen Frage aus, was "den Westen" mehr sein lässt als eine Himmelsrichtung. Und legt dann Spuren davon frei, wie er sich als Gesellschaftsmodell in die bundesrepublikanische Nachkriegsgeschichte und -architektur eingeschrieben hat.
WAS BLEIBT (2009) von Clarissa Thieme ist der Film, der zum Ausgangspunkt für ihren diesjährigen Forumsbeitrag Was bleibt | Šta ostaje | What remains / Re-visited wurde. WAS BLEIBT handelt von den Leerstellen, die Krieg und Gewalt erzeugen. Der Film besteht aus langen, statischen Totalen von Plätzen und Landschaften im heutigen Bosnien Herzegowina. WAS BLEIBT ist ein filmisches Gedenken über die Grenzen der Darstellbarkeit und des Verstehens hinweg.
Auch Constanze Ruhm war in diesem Jahr mit einem neuen Film GLI APPUNTI DI ANNA AZZORI im Forum vertreten. Ihre frühere Arbeit X LOVE SCENES (2007) ist der fünfte Teil eines als Serie angelegten Projektes, das historische und zeitgenössische Formen weiblicher Identität und Repräsentation untersucht: Eine Schauspielerin, eine Regisseurin und ein Scriptgirl auf einem Filmset, der männliche Hauptdarsteller ist abwesend. Er wird durch eine Markierung – ein weißes Kreide-X auf einem schwarzen Flag – ersetzt.
Physical distancing, die Erfahrung der körperlichen Distanzierung, die wir gerade alle machen, ruft Erinnerungen an zahlreiche Kurzfilme hervor. Einige von ihnen zeigen wir schon jetzt, andere erst später im Programm von arsenal 3.
Auch in Susanne Sachsses SERIOUS LADIES (2012) ist das Gegenüber abwesend – eine Schauspielerin spielt alle Rollen und sich selbst, in der Küche, im Badezimmer, im Hausflur und in den Straßen Berlins.
Die Choreografin Dalia Naous und die Videokünstlerin Kinda Hassan erproben in ihrem Video CAIROGRAPHY (2013) Möglichkeiten des Körpers, den Restriktionen der Gesellschaft etwas entgegenzusetzen. Sie untersuchen die sichtbaren und unsichtbaren Barrieren zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum in Kairo: Wie ist es dort, durch die Straßen zu laufen? Was ist erlaubt und was nicht?
In der Forum Expanded-Ausstellung 2019 war TRANSFORMATION SCENARIO von Clemens von Wedemeyer zu sehen, der sich mit künstlichen Massen befasst. Die Spekulation über den Einfluss emulierten Gruppenverhaltens auf Gesellschaften lenkt den Blick auf gesellschaftliche Bildwelten, die Kontrolle von Menschenmengen und das Potential der Masse.
NAMIBIA TODAY (2018) filmte Laura Horelli in einem U-Bahnhof unterhalb der Karl-Marx-Allee im ehemaligen Ost-Berlin. Wartende Fahrgäste stehen herum. An den Wänden hängen großformatige Plakate, Titelseiten von „Namibia Today“, einer Zeitschrift der namibischen Befreiungsbewegung. Kamerafahrten aus der U-Bahn lassen die Unterschiedlichkeit von Erinnerungen und erzählten Geschichten zutage treten.
BÜHNE von Daniel Kötter (2011) untersucht einen Paradigmenwechsel im Verständnis des öffentlichen Raums im postkommunistischen Bulgarien. Der Palast für Sport und Kultur in Varna an der bulgarischen Schwarzmeerküste wurde als Prestigeobjekt modernistischer Architektur im Sinne der kommunistischen Vorstellung von Theater und Sport gebaut. Der Film inszeniert das „Theater“ selbst als allegorischen Ort der Zusammenkunft.
Der Al-Azhar Park in Kairo ist ein beliebter Treffpunkt für junge Paare. Dort entstand SHOOTING STARS REMIND ME OF EAVESDROPPERS (2014), in dem Maha Maamoun den Akt des Zuhörens und den Status des Zuhörers untersucht.
Ganz ohne Dialog kommt dagegen O QUAM TRISTIS (2009) von Maite Abella aus. Mutter und Tochter haben immer miteinander gekämpft. In William Whylers "The Big Country" (1958) kämpfen die Schauspieler Gregory Peck und Charlon Heston in der weiten Landschaft die ganze Nacht lang bis zum nächsten Morgen – auf die Art und Weise lösen sie ihre Probleme. Diese körperliche Auseinandersetzung war die Inspiration für ein Familien-Home-Movie.
BLÄUE von Kerstin Schroedinger (2018) verbindet Bilder von Produktionsstätten der Pharma- und der Chemieindustrie mit Spekulationen zu den historischen, sozialen und materiellen Bedingungen der Cyanotypie (auch als Blaudruck bekannt). Der Film folgt einer Figur, die alle Schritte der Herstellung einer Cyanotypie von der Belichtung zur Entwicklung des Bildträgers durchführt. In der Wartezeit versucht sie ihren Körper sowohl als Ware als auch als Konsument*in pharmazeutischer Erzeugnisse zu definieren. Sie verharrt zwischen den Rollen als Wissenschaftler*in, Athlet*in, Apotheker*in, Patient*in, Frau und arbeitet gegen chemische Substanzen und die neoliberale Aneignung ihrer Bewegungen an.