* How to Reappear ist ein Text von Haytham El-Wardany, der in der von Maha Maamoun und Ala Younis herausgegebenen Reihe Kayfa ta (Ausgabe How to disappear) abgedruckt wurde (Sternberg Press 2018).
Zu kaufen bei: Hopscotch Reading Room (Berlin): e: media.hopscotch@gmail.com. t: 03023962967. i: hopscotchreadingroom. ebook available soon by Kayfa ta: w: https://kayfa-ta.com e: kayfa.ta@gmail.com. i: kayfa_ta
Filmprogramm arsenal 3 – week 13 & 14, 12. bis 30. Juni 2020
AN UNTIMELY FILM FOR EVERY ONE AND NO ONE (Ayreen Anastas, Rene Gabri, Palästina, Armenien, USA, D 2018, OF, Teil 1: 93 min, Teil 2: 61 min) 2007 unternahm Ayreen Anastas eine Reise durch Algerien, Ägypten, Jordanien, Libanon, Marokko, Syrien und Tunesien und sammelte Material für eine filmische Adaption von Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ in der arabischen Welt mit dem Arbeitstitel A Film for Every One and No One. Seitdem sind weite Teile der Region und der Welt in immer größere Unruhe geraten und das für den unvollendeten Film gesammelte Material hat an Relevanz, Kraft und Bedeutung gewonnen. In AN UNTIMELY FILM FOR EVERY ONE AND NO ONE versucht Anastas sich nun gemeinsam mit dem Künstler Rene Gabri und dem Philosophen Jean-Luc Nancy dem Material zu nähern, um eine unzeitgemäße Version des Films zu erstellen. Nietzsche verstand „unzeitgemäß“ unter anderem als etwas, das sich nicht dem Geschmack, den Erwartungen und den Verfahren seiner Zeit unterordnet. Der ursprüngliche Film konfrontierte Nietzsches Schriften und Denken mit den gegenwärtigen Lebensbedingungen in der arabischen Welt. Dieser Film vollzieht die Konfrontation als Verzögerung und Durcheinander, inmitten des schwarzen Lochs, das sich in den letzten zehn Jahren geöffnet hat. AN UNTIMELY FILM FOR EVERY ONE AND NO ONE wurde am 18. Januar und am 21. Februar 2018 im Arsenal 2 gedreht und geschnitten und gleichzeitig im Arsenal 1 zur Aufführung gebracht. Die Aufnahmen mit Jean-Luc Nancy entstanden bei der Berlinale-Pressevorführung im Januar (Teil 1). 20 Minuten daraus eröffneten die Premiere des Films, die im Februar stattfand. Teil 2 enthält die nachfolgenden 60 Minuten.
CONTAGIOUS NEW YORK (Part 1-5) (Ayreen Anastas, Rene Gabri, USA 2020, OF, 53 min) ist ein Videotagebuch von zwei Protagonisten, die im Jahre 2020 während einer globalen Pandemie am Rande von Manhattan leben. Der Film ist ein Gedicht, eine Abhandlung, eine Frage, ein Stottern, ein Schaudern, ein Flüstern, eine Notiz, eine Pause, eine Unterbrechung, ein Versuch, das Vergessene zu aktualisieren, das Gefühl für das Unendliche zu offenbaren, getrennte Beziehungen wiederherzustellen, mit Worten ihre Bedeutung zu berühren. Es ist ein Film, der zwischen den Falten und Ambiguitäten in dieser Epoche des Virus entstanden ist.
ESCAPE FROM RENTED ISLAND: THE LOST PARADISE OF JACK SMITH (Jerry Tartaglia, USA 2017, OF, 88 min) Jerry Tartaglia, langjähriger Archivar und Restaurator des filmischen Nachlasses der queeren New Yorker Underground-, Experimentalfilm- und Performance-Legende Jack Smith, widmet sich in seinem Essayfilm weniger dem Leben, als dem Werk Smiths und fächert dessen ästhetische Idiosynkrasien in 21 thematischen Kapiteln auf. „Der Film bietet also keine rationale, lineare und distanzierte Erklärung seines Werks. Vielmehr ist das Publikum aufgefordert, Jack Smiths ästhetische Entscheidungen ganz unvoreingenommen zu erleben. Meine Strategie ist eine Herausforderung für die Zuschauer*innen, besonders für jene, die in Dokumentarfilmen gern erklärende Kommentare hören oder zusätzliches, extradiegetisches Material präsentiert bekommen. Wer Jack Smiths unverwässerte Vision nicht erträgt, darf von mir keine Entschuldigung erwarten – lediglich eine Einladung, ihn in sein verlorenes Paradies zu begleiten.“ (Jerry Tartaglia)
THE HALFMOON FILES (Philip Scheffner, D 2007, OmE, 87 min) Eine vielschichtige audiovisuelle Recherche zur Verflechtung von Politik, Kolonialismus, Wissenschaft und Medien – ausgehend von Bild- und Tondokumenten indischer und nordafrikanischer Kriegsgefangener aus dem „Halbmondlager" in Wünsdorf bei Berlin zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Anders gesagt: eine Geistergeschichte. Seit der Erfindung des Phonographen können Tote sprechen. Ihre Stimmen geistern durch den Film. Die des indischen Kolonialsoldaten Mall Singh zum Beispiel, abgespielt von einer Schellackplatte. Die „exotischen" Gefangenen waren Forschungsobjekte für Ethnologen, Anthropologen und Sprachwissenschaftler. Man machte Tonaufnahmen, es wurde fotografiert, gefilmt, vermessen, nummeriert, registriert, einsortiert. THE HALFMOON FILES macht jedoch nicht bei der Präsentation des Archivmaterials und bei der Untersuchung der Bedingungen seiner Entstehung und seiner Nutzbarmachung für politische Zwecke halt, sondern entlässt es in die Freiheit des Erzählens. Kleine Geschichten und große Geschichte. So verselbständigen sich die losen Enden der Recherche, was überraschende Folgen hat – und selbst historische Momente produziert, an der Geschichtsschreibung beteiligt ist. Und: Haben die heutzutage per Internet-Telefonie übermittelten Bilder und Töne nicht auch etwas Geisterhaftes? (Birgit Kohler)
LA ZERDA ET LES CHANTS DE L’OUBLI (The Zerda and the Songs of Forgetting, Assia Djebar, Algerien 1982, OmE, 60 min) Für LA ZERDA ET LES CHANTS DE L'OUBLI wechselte die algerische Schriftstellerin Assia Djebar das Metier und rekapituliert anhand von französischen Wochenschauen die Kolonisierung des Maghreb. Mittels der Montage sucht der Film in diesen „Bildern eines tötenden Blicks" die Wahrheit, die sie gerade nicht zeigen, den „Widerstand hinter der Maske". Auf der Tonspur verbinden sich mehrstimmig vorgetragene Sprechgesänge und experimentelle Musik zu einem furiosen Abgesang auf die koloniale Gewalt.
OFF FRAME AKA REVOLUTION UNTIL VICTORY (Mohanad Yaqubi, Palästina, Frankreich, Katar 2016, OmE, 63 min) „... und für jene, die an Unsichtbarkeit leiden, wird die Kamera zur Waffe werden.“ (Elias Sanbar) OFF FRAME AKA REVOLUTION UNTIL VICTORY spürt den Fragmenten einer Revolution nach und setzt Bilder eines Traums von Freiheit zusammen. Mohanad Yaqubi nutzt dazu Filme aus der Zeit des palästinensischen Widerstandskinos, die zwischen 1968 und 1982 im Zusammenhang mit der palästinensischen Revolution produziert wurden. Für die Palästinenser markierten sie einen Identitätswandel: von Geflüchteten zu Freiheitskämpfern. Die palästinensische Revolution arbeitete mit Filmemacher*innen, Schauspieler*innen und Aktivist*innen aus vielen Teilen der Welt zusammen und ging Partnerschaften mit Institutionen in Berlin, Moskau, Bagdad und auf Kuba ein. Trotz des hohen Produktionsaufkommens haben nur wenige Filme bis heute überlebt. Alle Einstellungen, Ausschnitte und Sequenzen, die Yaqubi kombiniert, erzählen die Geschichte eines Volks im Widerstand an der Grenze zwischen Fiktion und Propaganda, Traum und Wirklichkeit.
DESI’RE. THE GOLDSTEIN REELS (Romeo Grünfelder, D 2005, OF, 4 min) An einer alten Zelluloidfilmschachtel klebt ein Zettel: Nachlass von Jack Goldstein. Das ungewöhnliche Super8-footage scheint ein Dokument zu sein, das kaum interpretierbar ist. Ort, Zeit und Autorenschaft können nicht datiert werden und aufgrund der fehlenden Daten bleiben die Fakten unklar.
MY FATHER IS STILL A COMMUNIST: INTIMATE SECRETS TO BE PUBLISHED (Ahmad Ghossein, Libanon 2011, OmE, 32 min) Im Zentrum steht die Mutter des Filmemachers, Mariam, die von 1978 bis 1988 während des Libanesischen Bürgerkriegs ihre vier Kinder alleine aufzieht. Rashid, der Vater, war ins Ausland gegangen, um dort zu arbeiten. „Alles, was von der Beziehung meiner Eltern übrig blieb, ist ein Berg von Audiokassetten, die sie sich als Liebesbriefe zuschickten. Als Kind malte ich mir aus, wie mein Vater als kommunistischer Kriegsheld kämpfte.“ (Ahmad Ghossein)
I’VE HEARD THREE STORIES (Marwa Arsanios, Libanon 2009, OmE, 12 min) Das Video verwebt Tonaufzeichnungen, Videoaufnahmen, 2-D-Animationen und verschiedene Geschichten über das Chalet Raja Saab (ein Stück experimenteller Architektur aus den 1950er Jahren) und nähert sich darüber dem Verschwinden einer Tänzerin aus dem Crazy Horse Saloon in Beirut. I’VE HEARD THREE STORIESist Teil eines längeren Forschungsprojekts zum ehemals hippen Acapulco-Strand im Süden der Stadt, der seit 1978 radikale Veränderungen durchlaufen hat.
DIE URSZENE (Christine Noll Brinckmann, BRD 1981, ohne Dialog, 6 min) „In der modernen Filmtheorie ist viel von der Indiskretion des Schauens die Rede. Der Zuschauer, der im dunklen Raum sitzt und ungestraft und ungesehen alles betrachten darf, was sich auf der Leinwand enthüllt, erscheint als eine Art Voyeur. In diesem Zusammenhang wird immer wieder Freud zitiert, der allen Voyeurismus auf die menschliche Urerfahrung der 'Urszene' – der Beobachtung des Beischlafs der Eltern durch das kleine Kind – zurückgeführt hat. Der Film DIE URSZENE versucht dieser Beziehung zwischen Film und Voyeurismus auf seine Art nachzugehen. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die meisten Urszenen eher in der Phantasie als in der Wirklichkeit abspielen, betont auch er die Rolle der Phantasie. Die Wirklichkeit wird nur suggeriert. Und da selbst in Fällen tatsächlicher Kindheitserfahrung das Gesehene meist verdrängt oder verschoben wird, versucht er auch diese Ebene der Verarbeitung einzubeziehen. Er verwendet einen amerikanischen Schlager der 50er Jahre, der seinerseits die Urszene in verdeckter Form behandelt. (...) Aber abgesehen davon gibt der Film auch einen kurzen Überblick über die stilistische Vielfalt der Schlafzimmer im Frankfurter Raum." (Christine Noll Brinckmann)
SUICIDE (Shelly Silver, USA, Japan 2003, OF, 70 min) ist eine Reflexion über Sehnsucht, das Reisen und die Familie, über Geschichte, Tod und Sex in einer Welt der Einkaufszentren, Flughäfen und Bahnhöfe. Erzählt wird die Geschichte einer Frau und ihre ebenso entschlossen hoffnungsvolle wie verzweifelte Suche nach einem Grund zum Weiterleben. SUICIDE ist wie ein persönlicher Tagebuchfilm inszeniert, in dem Silver selbst die Protagonistin spielt, eine imaginäre Filmemacherin auf der Reise durch Japan, Europa und Zentralamerika, die immer tiefer in das Schattenreich zwischen Realität und Fantasie gleitet.
ABSENCE (Christoph Girardet, D 2004, ohne Dialog, 9 min) Im weißen Projektionslicht erscheinen durch langsame Überblendungen geloopte Bilder von inszenierter Abwesenheit, die größtenteils aus Schwarzweißfilmen der Serie Der Unsichtbare aus den 30er bis 60er Jahren stammen. Reduzierte filmische Ereignisse in kulissenartigen Sets, die durch die Anwesenheit eines unsichtbaren Akteurs beeinflusst zu sein scheinen, formen sich zu einem Enigma über das Phänomen des Verschwindens.
FÄRBLEIN (Bärbel Freund, Rainer Bellenbaum, D 1992, ohne Dialog, 21 min) Bärbel Freund und Rainer Bellenbaum haben in Ostberlin und Umgebung vom 19. März bis 8. August 1990 auf Kodak-Material gedreht. „Jeder erinnert sich doch noch an die Farben, Gerüche, Töne und Tonungen der DDR? Nein, keiner erinnert sich mehr daran. Eine bestechende und genuin kinematographische Idee deshalb, einiges Äußere in seiner spezifischen Färbung auf dem Trägermaterial Film festzuhalten, solange es noch da ist: Bauwagen, Gerätschaften, Schuppen, Werktore, Zäune, Mauern, Gebäude, Wohnblöcke, Balkone, Mülltonnen, Läden, Schilder, Auslagen, Straßenberandungen, Verkehrszeichen, Autos, Motorroller, Tankstellen, Straßenbahnen, Haltestellen, Spielplätze, Bänke, Wiesen, Bäume ... Menschen und Tiere. Selten geschieht es, dass plötzlich ein Zugang zu Dingen möglich wird, die jahrzehntelang zu einem anderen Alltag gehörten und dessen Gebrauchsspuren tragen – die nun aber, vom westlich gepolten Auge schon eliminiert, ausgedient haben und öfter mal ein bisschen erbärmlich oder unnütz in der Gegend stehen. Es ist jedoch diese 'ungeschichtliche' Phase des Übergangs und des Verfalls, die das menschlich Gebrauchte wieder mit der Natur versöhnt und ihm eine unauffällige, aber anmutende Schönheit verleiht." (Johannes Beringer)
NACHLASS (Robin Curtis, Kanada 1992, OF, 8 min) In NACHLASS werben die Alltagsgegenstände einer Immigrantin nach Kanada als Platzhalter für all die Information, die zwangsläufig zwischen Sprachen und Kulturen im Prozess der Migration verlorengeht. „Der Ton spricht von der Vermittlung von Geschichte über Erzählungen und Fotos, über die Vermischung von direkten und medialen Erinnerungsbildern. Fast an der Grenze zum Fotofilm, machen die Dinge in ihrer stillen Präsenz die durch den Tod eines Menschen entstehende leere Stellen erfahrbar. Es sind banale Gegenstände, aufgeladen von den Emotionen subjektiver Erinnerung. Die Bewegungen der Objekte sind zart und unmerklich, ein leichtes Klingen liegt über den Dingen, Nippesfiguren, die höfische Rokoko-Pärchen in rosa und hellblau darstellen, werden von einem ukrainischen Lied begleitet. Dinge, die etwas über Geschichte und Tradition erzählen, wenn die Sprache schon längst auseinandergelaufen sind.“ (Madeleine Bernsdorff)
DEAR ANIMAL (Maha Maamoun, Ägypten 2016, OmE, 24 min) Tiere waren schon immer ein Thema in der Kunst, von prähistorischen Zeiten bis in die Gegenwart. Heutzutage bieten sie einen möglichen Ansatzpunkt, um eine Epoche der Biopolitik, globaler Flüchtlingsströme und Terrorangriffe eingehend zu untersuchen. DEAR ANIMAL verwebt zwei Texte miteinander: eine Kurzgeschichte von Haytham El-Wardany über einen Drogendealer, der sich in ein seltsames Tier verwandelt, und ausgewählte Briefe von Azza Shaaban, einer Regisseurin und Produzentin, die an der ägyptischen Revolution beteiligt war und heute in Indien lebt. Von dort postet sie regelmäßig Nachrichten für ihre Facebook-Freunde, in denen sie Geschichten von Reisen und Heilung erzählt. Maamouns Werk alterniert zwischen der in Kairo verfilmten Kurzgeschichte von El-Wardany und den in Indien mit Shaaban produzierten Szenen, in denen diese einige ihrer Briefe im On oder aus dem Off vorliest, während die Kamera sich zwischen ihren privaten und öffentlichen Räumen hin- und herbewegt.
AUS DER FERNE – THE MEMO BOOK (Matthias Müller, BRD 1989, OF, 28 min) „Mit dem Aids-Tod eines engen Freundes als Ausgangspunkt, ist AUS DER FERNE – THE MEMO BOOK zugleich eine Art Hymne wie auch Science Fiction. Es geht um eine Aussöhnung mit einer Infektion, die keine Unterschiede macht, und um die Überwindung von Fatalismus und Verzweiflung. Müllers virtuose Techniken des Wiederabfilmens und der Handentwicklung und seine Montage verquirlen miteinander in einem erotischen Strudel – und bestimmen dabei gleichzeitig die Aufteilung der Welt in Innen und Außen, Inhalt und Hülle neu. Während er sich auf die Tradition von Eisenstein, Genet, Anger und Jarman bezieht, versucht AUS DER FERNE – THE MEMO BOOK ein Wiedererschaffen des männlichen Körpers – nicht im Sinne einer Idealisierung, sondern als ein Fließen, das Zelebrieren von Gemeinsamkeit und Verzweiflung, Mythos und Logos.” (Mike Hoolboom)
MONDIAL 2010 (Roy Dib, Libanon 2013, OmE, 19 min) verhandelt institutionelle Grenzen im heutigen Nahen Osten. Video wird hier als Mittel eingesetzt, mit dem Grenzen überwunden werden können, die Menschen gegen ihren Willen aufgezwungen wurden. Es ist ein Reisefilm in einer Anordnung, die keine Reisen erlaubt, in dem zwei Liebende auftreten, an einem Ort, an dem Homosexualität als schwere Straftat geahndet wird. Gedreht mit einer kleinen Handkamera bedient sich MONDIAL 2010 der Ästhetik des Reisevideotagebuchs und schafft sein eigenes Möglichkeitsuniversum. Er wendet sich von der üblichen passiven Darstellung des Israel-Palästina-Konflikts ab, in der Opfer/Täter stets im Vordergrund der produzierten Bilderwelt stehen. Dieses Video lässt den Konflikt nicht das Bild bestimmen.
POR PRIMERA VEZ (Zum ersten Mal, Octavio Cortázar, Kuba 1967, OmU, 9 min) ist ein Zeugnis der „audiovisuellen Alphabetisierung" Kubas in den 1960er Jahren: Cortázar hält die Vorführung eines mobilen Kinos in einem entlegenen Gebirgsdorf fest und zeigt die Reaktionen der Bewohner*innen auf ihre erste Begegnung mit Film, Charlie Chaplins Modern Times.
CURUPIRA, BICHO DO MATO (Curupira, der im Walde haust, Félix Blume, Mexiko, Frankreich 2018, OmE, 35 min) Im Herzen des Amazonas laden uns Einwohner*innen von Tauary ein, den Klängen des Urwalds, der Vögel und Tiere zu lauschen. Doch erklingen auch seltsame Geräusche: Eine Kreatur streift zwischen den Bäumen umher. Einige haben sie gehört, nur sehr wenige haben sie gesehen und die, die ihr tatsächlich begegneten, sind nicht zurückgekehrt. Sie bezaubert, sie verzaubert – sie führt Menschen in die Irre: Jede und jeder von ihnen erzählt die Geschichte anders und versucht, ihren Lockruf zu entschlüsseln. CURUPIRA, BICHO DO MATOnimmt uns mit auf die Suche nach diesem Wesen: eine Reflexion über Mythen und deren Platz in der heutigen Welt. Ein Klang-Thriller mitten im Dschungel.
EVERYWHERE WAS THE SAME (Basma Alsharif, Libanon 2007, OF, 12 min) Eine Diashow aus Aufnahmen verlassener Orte erzählt die Geschichte zweier Mädchen, die auf geheimnisvolle Weise an der Küste eines prä-apokalyptischen Paradieses auftauchen. Texte aus Quellen wie dem Madrider Friedensabkommen oder dem CIA World Factbook werden in eine fiktive Erzählung verflochten, die die Geschichte eines Massakers erzählt.
CRASH SITE / MY_NEVER_ENDING_BURIAL_PLOT (Constanze Ruhm, Österreich 2010, OF, 69 min) ist der sechste Teil des als Serie angelegten Projektes X Characters, in dessen Mittelpunkt der Versuch steht, die Identitäten ikonischer weiblicher Filmfiguren aus der Kinomoderne als zeitgenössische Versionen fortzuschreiben. In diesem Film trifft eine neue Version der Figur der Hari aus Andrej Tarkovskys Film Solaris auf einige weitere Untote der Filmgeschichte: Godards Nana aus Vivre sa vie und Antonionis Giuliana aus Il deserto rosso. Der erzählerische Ausgangspunkt besteht im Versuch der drei Figuren, mit ihrer Vergangenheit abzuschließen: ihr „Ende zu finden“, die „Wahrheit auszugraben“, die „Geschichte zu begraben“, sich selbst umzubringen, das Beweismaterial verschwinden zu lassen, sich gegenseitig totzuschlagen. Das Geschehen trägt sich auf einer verlassenen Waldlichtung zu und ordnet sich um ein Loch, das mal zu-, mal ausgeschaufelt wird: ein Begräbnis, in dem nichts begraben wird, das nie zum Abschluss gelangt und so zu einem „nicht-enden-wollenden-Begräbnis“-Loop wird.
Unser Dank geht diese Woche an die Filmemacher*innen und Rechteinhaber*innen Ayreen Anastas & Rene Gabri, Jerry Tartaglia, Philip Scheffner, Assia Djebar, Mohanad Yaqubi, Romeo Grünfelder, Ahmad Ghossein, Marwa Arsanios, Christine Noll Brinckmann, Shelly Silver, Christoph Girardet, Bärbel Freund & Rainer Bellenbaum, Robin Curtis, Maha Maamoun, Matthias Müller, Roy Dib, Octavio Cortázar, Félix Blume, Basma Alsharif und Constanze Ruhm. Außerdem danken wir Haytham Al-Wardani, auf dessen Buch „How to disappear“ die Idee zum Programm basiert.