KUHLE WAMPE (Slatan Dudow, D 1932, 27.10.) Der Klassiker des politischen Films erzählt die Geschichte einer Berliner Arbeiterfamilie, die wohnungslos wird und in eine Zeltkolonie am Rand der Stadt zieht. Tochter Anni und ihr Verlobter beginnen, die Verhältnisse in Frage zu stellen. Die in Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht und Hanns Eisler entstandene Regiearbeit von Slatan Dudow wurde kurz nach der Uraufführung von den Nazis verboten. Dank der Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Kinemathek, dem British Film Institute und der Cinémathèque suisse konnte die Premierenfassung von 1932 rekonstruiert werden.
THE BRILLIANT BIOGRAPH: EARLIEST MOVING IMAGES OF EUROPE (Niederlande 1897–1902, 28.10.) Über 200 Filme, die im ersten Breitwandformat 68 mm in den Jahren zwischen 1897 und 1902 gedreht wurden, befinden sich in der Sammlung des EYE Filminstitut in den Niederlanden. Die Einminüter zeigen aktuelle Ereignisse, Schauplätze und beeindruckende Naturaufnahmen. Um den außerordentlichen Detailreichtum dieses hochauflösenden Formats wiederzugeben, wurden die Filme in 8K digitalisiert.
LOVE, LIFE AND LAUGHTER (George Person, GB 1923, 28.10.) Fast 100 Jahre galt der Film mit dem britischen Stummfilmstar Betty Balfour als verschollen, bis kürzlich eine Kopie im niederländischen EYE Filmmuseum auftauchte. Balfour spielt eine arme Revuetänzerin, die vom Ruhm auf der Bühne träumt. Sie verliebt sich in einen mittellosen Schriftsteller mit ebenso hochfliegenden Plänen. Zwei Jahre später ziehen sie Bilanz, was aus ihren Träumen geworden ist. Die Grenzen zwischen Traum und Realität, Tragödie und Komödie verwischen.
TATJANA IVANČIĆ KURZFILMPROGRAMM (Jugoslawien 1969–76, 28.10.) Mit ihrer Super8-Kamera fing Tatjana Ivančić Eindrücke aus ihrer Umgebung ein und verwandelte sie in poetische Momentaufnahmen. Aufmerksam beobachtet sie den Mikrokosmos von Küstenstränden, das geschäftige Treiben der Stadt, das sich in einem Schaufenster spiegelt, oder die ersten Schritte ihrer Enkelkinder. Das in Vergessenheit geratene Filmschaffen der kroatischen Filmemacherin wurde in einer Kooperation zwischen kroatischen, serbischen und österreichischen Institutionen digital restauriert.
KATZENSTEG (Gerhard Lamprecht, D 1927, 28.10.) Der Napoleon-Unterstützer Baron Schran-den zwingt seine Magd Regine, bonapartistische Truppen über den „Katzensteg“ in den Rücken eines preußischen Freikorps zu führen, dessen Angehörige durch diesen Verrat ums Leben kommen. Noch Jahre später sinnen die Schrandener Dorfbewohner auf Rache. In seinem historischen Melodram lässt Regisseur Gerhard Lamprecht Nationalismus und Fahnengehorsam fragwürdig erscheinen. Die Premiere der restaurierten Fassung wird live in der Neukomposition von Richard Siedhoff begleitet.
HÔTEL DES ACACIAS (Yves Hanchar, Pierre Charles Rochette, François Vanderveken, Isabelle Willems, Belgien 1982, 29.10.) Mehrere junge Frauen und Männer kommen nacheinander im Hôtel des Acacias an, alle auf der Suche nach Liebe. Der Film entstand 1982 als von Chantal Akerman geleitete Übung an der belgischen Hochschule INSAS, kurz bevor sie GOLDEN EIGHTIES drehte. Die Einflüsse sind unverkennbar.
BALLETPRIMADONNAN (Mauritz Stiller, Schweden 1916, 29.10.) Der mittellose Geiger Wolo verliebt sich in das Bauernmädchen Anjuta, doch auch Graf Orsky hat ein Auge auf sie geworfen und trennt die Liebenden. Es kommt zum Duell zwischen den Männern. Das Svenska Filminstitutet konnte dieses frühe Werk des Pioniers der schwedischen Filmproduktion und Entdeckers von Greta Garbo rekonstruieren und in seiner ursprünglichen Farbigkeit wiederherstellen.
JUDASPENGAR (Victor Sjöström, Schweden 1915, 29.10.) Auch Sjöström war Wegbereiter in Schweden, bevor er nach Hollywood ging. Das verschollen geglaubte Drama konnte kürzlich in Zusammenarbeit zwischen CNC und Svenska Filminstitutet rekonstruiert werden: Der arbeitslose Holk benötigt Essen für seine kranke Frau. Auf einer illegalen Jagd mit seinem Freund Blom erschießt er versehentlich den Förster, doch der Verdacht fällt auf Blom, der fliehen kann und sich nun bei ihm versteckt.
EXTASE/EKSTASE (ČSR/Österreich 1933, 29.10.) Regisseur Gustav Machatý verhalf der jungen Österreicherin Hedy Kiesler, die später als Hedy Lamarr bekannt wurde, mit diesem Melodram über den Ausbruch aus einer unglücklichen Ehe zu Weltruhm. Der mit Einflüssen der filmischen Moderne atmosphärisch dicht gestaltete Film war seinerzeit ein Skandal: Mehr noch als die Nacktszenen und die Nahaufnahme weiblicher Lust provozierte die außereheliche Liebesbeziehung zwischen Adam und Eva und rief die Zensur auf den Plan. So sind diverse Schnittfassungen überliefert, was die Rekonstruktion der Originalfassung erschwerte.
GOLDEN EIGTHIES (Chantal Akerman, Belgien/F/CH 1986, 29.10.) In einem Einkaufszentrum zwischen Lilis Friseursalon, der Konfektionsboutique der Familie Schwartz und Sylvies Bistro kreuzen sich die Wege von Mitarbeiter*innen und Kund*innen, die alle von der Liebe träumen, reden und singen. Für dieses ungewöhnliche Musical entwarf Chantal Akerman ein kompliziertes Sounddesign – mit klackernden Stöckelschuhen, dem Geräusch eines Reißverschlusses und einer Klangkulisse aus Gesprächen und Gesängen.
DAS HAUS DER LÜGE (Lupu Pick, D 1926, 30.10.) Lupu Picks Adaption von Henrik Ibsens „Die Wildente“ ist in Vergessenheit geraten, obwohl der Film bei der Premiere in Berlin begeisterte Kritiken erhielt. Ibsen behandelt in seinem Drama Verblendungen und Verstrickungen in einer bürgerlichen Kleinfamilie. Die Restaurierung des Films durch die Norwegische Nationalbibliothek basierte auf einer 35-mm-Nitratkopie, die in der Deutschen Kinemathek archiviert ist.
DIESE BRITEN, DIESE DEUTSCHEN. ZWEI FILME – EIN DIALOG (Barbara Junge, Winfried Junge, Murray Martin DDR/GB 1989, 30.10.) Lebens- und Arbeitswelten in Newcastle und Rostock in den späten 80er Jahren stehen im Mittelpunkt der zweiteiligen und einzigen Co-Produktion zwischen Großbritannien und der DDR. Nachdem die deutschen Filmemacher*innen um Barbara und Winfried Junge Werftarbeiter, Fischer, Brigaden und Familien in Newcastle porträtierten, reiste ein britisches Filmteam nach Rostock-Warnemünde und gab aus seiner Perspektive Einblicke in die Lebensweisen der Menschen dort.
GERMANIA, ANNO ZERO (Roberto Rossellini, D/I 1948, 30.10.) Der zwölfjährige Edmund streift durch das zerstörte Berlin und schlägt sich mit Schwarzmarkthandel und Betrügereien durch. Sich selbst überlassen, gerät er unter den Einfluss seines alten Lehrers und dessen NS-Ideologie. Er tötet seinen kranken Vater und schließlich sich selbst. Die deutsch-italienische Koproduktion zeichnet ein schonungslos realistisches Bild der äußeren und inneren Verwüstungen, die die NS-Herrschaft und der Krieg hinterlassen haben.
LOLA MONTEZ, DIE TÄNZERIN DES KÖNIGS (Willi Wolff, D 1922, 31.10.) Die jüdische Schauspielerin und Produzentin Ellen Richter geriet durch das Exil in Vergessenheit. Diese Verfilmung des Lebens von Lola Montez mit Ellen Richter in der Hauptrolle galt als verschollen. Lola Montez, der legendenumrankte Star der 1840er Jahre, ist hier eine spanische Roma. Ihr kometenhafter Aufstieg zur international gefeierten Tänzerin und einflussreichen Kurtisane wurde „on location“ in Spanien, Italien, Griechenland, Paris und Bayern gedreht.
LUMPENKAVALIERE (Carl Boese, D/Österreich 1932, 31.10.) Das Komikerduo Pat & Patachon war ein dänischer Exportschlager und wurde vielerorts für den heimischen Kinomarkt adaptiert. In dem deutsch-österreichischen Tonfilm LUMPENKAVALIERE bereisen sie die Welt als Straßenmusiker und begeistern das Publikum mit ihren fröhlichen Melodien. Nur in Wien, der musikalischen Welthauptstadt, haben sie kein Glück. Dann erhalten sie auch noch einen Brief von ihrer Pflegetochter Kitty, die in finanzieller Not steckt. Pat & Patachon lassen nichts unversucht, um Geld zu beschaffen.
DON QUICHOTTE (Georg Wilhelm Pabst, F 1933, 31.10). Nach der Machtergreifung der Nazis blieb G.W. Pabst zunächst in Frankreich, wo er diese Literaturadaption in drei Sprachversionen drehte. Angesiedelt zwischen Drama und Komödie, verweist diese Verfilmung des bekannten Stoffs auf die sich Anfang der 30er Jahre abzeichnende Tragödie in Europa: Don Quichotte wird nicht von Windmühlen, sondern von der Tyrannei der Macht niedergestreckt. Meisterhaft verbindet G.W. Pabst die Möglichkeiten des Tonfilms mit den ästhetischen Mitteln des Stummfilms.
VALAHOL EURÓPÁBAN (Irgendwo in Europa, Géza von Radványi, Ungarn 1948, 31.10.) Eine Gruppe von Waisenkindern durchkämmt 1945 die Landschaft auf der Suche nach Nahrung und Obdach. Sie stoßen auf ein zerbombtes Schloss, in dem ein Musiker Unterschlupf gefunden hat. Der von Béla Balázs geschriebene und von Géza von Radványi inszenierte Film war der erste international erfolgreiche ungarische Film nach dem Zweiten Weltkrieg. In neorealistischem Stil schildert er die moralische und physische Zerstörung Europas durch Krieg und Armut.
DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM (Paul Wegener, D 1921, 1.11.) Prag im 16. Jahrhundert: Kaiser Rudolf II. will die jüdische Bevölkerung aus der Stadt vertreiben. Rabbi Löw erschafft die Lehmfigur Golem, um das drohende Unheil für die Bewohner*innen des jüdischen Ghettos abzuwenden. Während dies zunächst gelingt, wendet sich der Golem schließlich gegen seinen Schöpfer und läuft Amok. Paul Wegeners Verfilmung der jüdischen Legende war eine der erfolgreichsten deutschen Stummfilmproduktionen. Die Restaurierung der deutschen Fassung wurde durch ein in der belgischen Cinematek archiviertes Negativ möglich.
DIE VENUS VOM TIVOLI (Leonard Steckel, CH 1953, 1.11.) Mit Leonard Steckel als Regisseur und Kameramann Eugen Schüfftan sind zwei Emigranten aus Deutschland am Set dieser Schweizer Produktion vereint: Ganz zeitgemäß geht es um eine Schauspieler*innen-Truppe, die durch den Krieg aus allerlei Ländern zusammengewürfelt wurde. Hilde Krahl mimt die berühmte Schauspielerin Anina Wiedt, die in die Truppe eintritt, um sie vor dem Ruin zu retten. In Schaffhausen, bei der Aufführung von Jacques Offenbachs Operette „Der Regimentszauberer“, trifft sie auf den Zwangsvollstrecker Knüsli, der durch die Schauspieler*innen eine neue Welt kennenlernt.
AKMENS UN ŠĶEMBAS (Rolands Kalniņš, Lettland (UdSSR) 1966, 1.11.) Rolands Kalniņš Werk erzählt von drei Freunden, deren Wege sich während des Zweiten Weltkriegs kreuzen und wieder trennen. Als zwei der Freunde 20 Jahre später wieder aufeinandertreffen, müssen sie sich mit der Vergangenheit, mit Tod und Verrat auseinandersetzen. Die Darstellung lettischer Legionäre, die auf Seiten der Deutschen kämpften, war den sowjetischen Zensoren nicht genehm, so dass der Film stark verändert wurde. Die ursprüngliche Fassung wurde nun wieder hergestellt und erlebt ihre digitale Premiere.
EUROPA (Lars von Trier, DK/F/D/Schweden 1991, 1.11.) Leopold Kessler, ein junger Amerikaner, kommt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in das zerstörte Deutschland, um beim Neuaufbau des Landes zu helfen. Er erhält eine Anstellung als Schlafwagenschaffner bei der Bahngesellschaft „Zentropa“, die noch kurz zuvor mit den Nazis kollaborierte. Leopold verliebt sich in die Tochter seines Arbeitgebers und gerät durch die Liaison mit ihr in die Machenschaften des Terror-Netzwerks der „Werwölfe“. Lars von Triers Europa ist ein alptraumhafter Kontinent, in dessen dunklen Sog Leopolds naive Weltverbesserungswünsche versinken. (ah)
Weitere Informationen unter https://www.deutsche-kinemathek.de/besuch/festivals-symposien/filmrestored05