VOTO MÁS FUSIL (Stimmzettel und Gewehr, Helvio Soto, Chile 1970, 2.7., Einführung: Cristina Nord) Der Film, nach dem Wahlsieg Salvador Allendes 1970 entstanden, reflektiert die historische Entwicklung der chilenischen Linken von 1935 bis 1970. Beschrieben wird das Bewusstsein eines Sozialisten in den letzten Tagen vor den Wahlen am 4. November 1970 und wie politische Ereignisse darin registriert und verarbeitet werden: Erinnerungen an die „Brigade Lenin“ (1937), vor allem aber die Konspirationen der Rechten zum Zusammenbruch der Wirtschaft und damit der Regierung sowie die Ermordung von General Schneider, des Oberkommandierenden der chilenischen Armee, am 24. Oktober 1970.
LA BANDERA QUE LEVANTAMOS (Die Fahne, die wir erheben, Mario Jacob, Eduardo Terra, Uruguay 1971, 2.7.) Aus verschiedenen politischen Bereichen formierte sich im Wahljahr 1971 eine Linkskoalition in Uruguay. Im März fand eine Massenkundgebung statt, an der 100.000 Personen teilnahmen und auf der sich der Präsidentschaftskandidat der Linken, Liber Seregni, vorstellte. Die Regisseure nutzten dieses Ereignis und die Rede von Liber Seregni als Ausgangsmaterial, um die soziale und politische Wirklichkeit Uruguays zu analysieren.
UMANO NON UMANO (Human Not Human, Mario Schifano, Italien 1969, 8.7.) Als Maler und Collagenkünstler schon in jungen Jahren berühmt geworden und zu einem Hauptvertreter der italienischen Postmoderne avanciert, war Mario Schifano Zeit seines Lebens auch Filmemacher. Seine ab 1964 entstandenen Werke waren – wie die fast aller italienischen Avantgarderegisseure der Zeit – maßgeblich vom US-amerikanischen Experimentalfilm beeinflusst. Ende der 60er Jahre realisierte er eine aus drei Langfilmen bestehende Filmtrilogie im Geiste der Pop-Art, deren Mittelteil, UMANO NON UMANO, immer noch einen legendären Ruf genießt: eine pulsierende, vollkommen unvorhersehbare und im besten Sinne eklektische Collage aus einem schillernden Rom, wo Schifano eine ähnlich zentrale Figur war wie zeitgleich Andy Warhol in New York. Mick Jagger und Anita Pallenberg treten auf, demonstrierende Studenten, Alberto Moravia und Adriano Aprà reflektieren über kunstphilosophische Fragen, Dichter und Weggefährten wie Carmelo Bene erfüllen die Leinwand mit ihrer Präsenz.
JAMES OU PAS (James oder nicht, Michel Soutter, Schweiz 1970, 5.8.) „Die Geschichte von JAMES OU PAS lässt sich nicht nacherzählen, ihre einzelnen Szenen stehen in lockerem skurrilem Zusammenhang, der Film ist eine eigenwillige Kriminalfarce und doch wieder nicht, denn zwei Schüsse und ein toter Mann und der Auftritt zweier merkwürdiger Kriminalbeamter bilden nur die Basis, das Gerüst des Films. Wichtiger sind hier die Typen: Eva, die an den Wochenenden aus Zürich an den Genfer See gereist kommt, um dort den vermögenden, doch sehr isolierten James mit einem Mindestmaß an zwischenmenschlichen Kontakten zu versorgen, und Hector, ein kauziger Taxifahrer, der sich freut, wenn sein Beruf den Leuten irgendeinen Nutzen bringt, und dann gern einmal die Taxiuhr abschaltet. Die ulkigen, manchmal melancholischen Dialoge, die fein auskalkulierten Einstellungsfolgen und ein paar sehr schöne Autofahrten zur Musik von Chopin machen JAMES OU PAS zu einem sanften, unaufdringlichen, sehr intelligenten Film.“ (Arndt F. Schirmer)
LA SALAMANDRE (Alain Tanner, Schweiz 1971, 12.8.) War es ein Unfall oder ein Mordversuch? Rosemonde (Bulle Ogier), eine junge Frau, die sich mit Jobs über Wasser hält, soll auf ihren Onkel geschossen haben. Sie selbst bestreitet diese Beschuldigung und behauptet, der Onkel habe sich beim Reinigen des Gewehrs selbst verletzt. Das Fernsehen beauftragt den Journalisten Pierre, den Fall zu einem Drehbuch zu verarbeiten. Sein Freund Paul, ein Schriftsteller, der gerade auf dem Bau arbeitet, soll ihn dabei unterstützen. Jeder macht sich auf seine Weise – mittels akribischer Investigation der eine, mit blühender Imagination der andere – an die Wahrheitsfindung. Doch beide scheitern, denn Rosemonde erweist sich als impulsiv, rebellisch und unfassbar. Sie agiert wie eine unerschrockene Anarchistin, läuft weg, wo es ihr nicht passt und lässt sich nicht vereinnahmen. „Die definitive Inkarnation des Freiheitsbegriffes nach 1968“. (Frédéric Bas)