GILDA (Charles Vidor, USA 1946, 1. & 11.2.) Schauplatz: die in sich geschlossene Welt eines Spielcasinos in Buenos Aires. Das so illegale wie noble Etablissement bildet den Rahmen verbrecherischer Machenschaften. In dieser edlen Unterwelt geht es angeblich um nichts weniger als die Weltherrschaft, eigentlich aber um eine Frau: Gilda (Rita Hayworth), die zwischen zwei Männern steht. Ein Klassiker des Film noir, dessen Tempo und Spannung einzig von der gloriosen Rita Hayworth überboten wird, die das Leitmotiv des Films so pointiert wie unvergesslich im Song „Put the blame on mame!“ auf den Punkt bringt.
LES AMANTS DU PONT-NEUF (Die Liebenden von Pont-Neuf, Léos Carax, F 1991, 2. & 12.2.) Die älteste Brücke von Paris kurz vor ihrer Renovierung wird zum Fluchtpunkt und Refugium zweier Heimatloser: Hierher ziehen sich der junge Drifter Alex (Denis Lavant) und die allmählich erblindende Malerin Michèle (Juliette Binoche) von der rauen, feindlichen Welt zurück, die sich jenseits des Pont-Neuf erstreckt. Doch die Brücke ist genauso fragil wie Alex’ und Michèles Konstruktion eines Niemandslands zwischen den Zeiten und Welten.
THE LAST OF ENGLAND (Derek Jarman, GB 1987, 9. & 19.2.) Rasend montierte, fulminante England-Endzeitballade und rigorose Abrechnung mit dem Land unter der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher. Das britische -Empire als verrottete Nation, als Halb- und Unterwelt, geprägt von Ruinenlandschaften und Industriebrachen, Todeszonen, Straßenschlachten. „Im Zwielicht der Krone vermählen sich die Abkömmlinge des Adels, Lakaien und goldene Karossen schlängeln sich durch die Straßen zur Tarnung der höheren Ortes herrschenden Panik, wo patriotische Ränke geschmiedet und an viktorianische Werte appelliert wird: muskelstarkes Christentum, Familie, Erziehung und Sport – an alle glorreichen und schönen Dinge. Hinter der Fassade tanzen die Kinder des Rock ’n’ Roll zum rasanten Gelaut der Dezibels, jetzt gibt es eine Disco am Ende jeder Straße: Sie heißen Dschungel, Asyl, Gruft oder Himmel, und die Musik dort ist so laut, dass niemand hören wird, wie die Welt auseinanderfällt.“ (Derek Jarman)
YOIDORE TENSHI (Drunken Angel, Akira Kurosawa, Japan 1948, 13. & 20.2.) Gangsterfilm, Milieustudie, Unterweltsdrama: Innerhalb dieser Koordinaten ringen zwei Menschen miteinander und mit sich selbst. Beharrlich drängt der heruntergekommene, alkoholabhängige Arzt Sanada (Takashi Shimura) den jungen Gangster Matsunaga (Toshiro Mifune in seiner ersten Rolle bei Kurosawa), seine lebensgefährliche Lungenerkrankung behandeln zu lassen. Den nicht geführten Kampf gegen seine Krankheit kanalisiert der Gangster in einem letzten Aufbäumen gegen seine ehemaligen Komplizen. Ein düsteres Porträt der japanischen Nachkriegsgesellschaft – in Atmosphäre, Stimmung und im Stellenwert für das japanische Kino wird Kurosawas Nachkriegswerk mit Roberto Rossellinis Paisà (1946) oder Vittorio de Sicas Ladri di biciclette (Fahrraddiebe, 1948) verglichen.
THE LODGER (Alfred Hitchcock, GB 1926, 14.2., am Klavier: Eunice Martins) Von Hitchcock selbst als erster „echter Hitchcock-Film“ bezeichnet, ist „a story of the London fog“, so der Untertitel, ein klassischer Suspense-Thriller. London wird von einem selbsternannten „Avenger“ heimgesucht, der im Schutz der Dunkelheit junge blonde Frauen umbringt. In diesem Klima der Angst löst der geheimnisvolle neue Untermieter der Familie Bunting einen schrecklichen Verdacht aus: Ist er der gesuchte Mörder? Das expressionistische Licht, die düsteren Sets, die Schatten und Spiegeleffekte verraten Hitchcocks Interesse am deutschen Film der Zeit.
WERCKMEISTER HARMONIAK (Die Werckmeisterschen Harmonien, Béla Tarr, Ungarn 2000, 15. & 18.2.) Mitten in einem schneelosen, bitterkalten Winter bricht mit Gewalt eine fremde Welt in eine Kleinstadt der ungarischen Tiefebene ein, die die gesellschaftliche Ordnung außer Kraft zu setzen droht. Ein durchreisender Zirkus erregt das Interesse der Bewohner, die sich zu Hunderten anstellen, um die Hauptattraktion, einen ausgestopften Wal, sehen zu können, hinter dem sich ein mysteriöser Prinz verbirgt. Ihr Warten mündet in einen unerklärbaren Aufstand. Eine apokalyptische Woge erfasst die gesamte Gegend, nichts und niemand wird verschont. Eine finstere Stimmung liegt über Béla Tarrs expressivem Schwarzweißfilm, einer Untergangsvision über den Kampf zwischen Barbarei und Zivilisation in Bildern von großer Intensität.
DNI SATMENIJA (Tage der Finsternis, Alexander Sokurow, UdSSR 1988, 16.2.) Lose angelehnt an den Roman „Eine Milliarde Jahre vor dem Weltuntergang“ von Arkadi und Boris Strugatzki erzählt Sokurow von einem jungen Arzt, der nach seinem Studium in die turkmenische Provinz versetzt wird. In dieser ihm gänzlich fremden Welt prasseln verwirrende Eindrücke verschiedenster Art sowie Sprachfetzen in Russisch, Turkmenisch, Armenisch und Italienisch auf ihn ein. In semidokumentarischen Aufnahmen erscheint die Stadt am Kaspischen Meer als Ort mit eigenen Gesetzen, die sich auf das Innenleben des Protagonisten auswirken. (mg/al)