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Eines der Partnerarchive von „Archive außer sich“ ist die Cimatheque – Alternative Film Centre in Kairo. Das Angebot umfasst Vorführungen, Workshops, eine Bibliothek, ein Labor und das Archiv, das neben Manuskripten, Fotografien und Zeitschriften auch 35-mm-Kopien und Material zu wichtigen filmischen Werken aus der Region und darüber hinaus enthält. Auch weniger bekanntes filmisches Erbe ist enthalten: ephemeres Material, Found Footage, Amateur- und Werbefilme, Newsreels, experimentelle Dokumentarfilme oder Zeugnisse von B-Movies und Kurzfilmen.

Das Archiv der Cimatheque ist ein besonderes: Filmschaffende hinterlegen hier ihr Werk, wissend, dass es nicht nur in sicheren Händen ist, sondern auch an einem öffentlichen Diskurs teilhaben kann. Die erste von ihnen war Atteyat Al Abnoudy (1939–2018), die 2011, kurz nach der Revolution, einen Großteil ihrer Filme dem Team der Cimatheque anvertraute, in der Hoffnung, sie würden dort erhalten und wieder zugänglich gemacht.

Die Cimatheque digitalisierte nicht nur einige ihre Filme, sondern auch nie öffentlich gezeigte Outtakes und Aufnahmen von Dreharbeiten. 2018 widmete sie der Dokumentarfilmemacherin eine Retrospektive, die anschließend auch im Arsenal zu sehen war und nun auf www.arsenal-3-berlin.de wiederholt wird.

Am 20. Mai fand um 20 Uhr eine Online-Diskussion mit Asmaa Yehia El-Taher, der Tochter Atteyat Al Abnoudys, und Tamer El Said, Filmemacher und Mitbegründer der Cimatheque, statt. Sie kann auf dem YouTube-Kanal des Arsenals gesehen werden.

1939 im Nildelta als Tochter einer Arbeiterfamilie geboren, arbeitete Al Abnoudy zwischenzeitlich als Schauspielerin, um ihr Jurastudium in Kairo zu finanzieren. An der Universität lernte sie den Journalisten und Dichter Abdel-Rahman El Abnoudy kennen, den sie heiratete und der sie in einen Kreis von Künstler*innen und Schriftsteller*innen einführte. Sie entschloss sich zu einem Filmstudium am Cairo Higher Institute of Cinema, wo sie Anfang der 1970er begann, als erste Frau in Ägypten Dokumentarfilme zu drehen.
Bekannt als Filmemacherin, die sich Themen wie Armut, sozialer Ungleichheit und der Unterdrückung von Frauen widmete, hat ihr persönlicher Stil („Kein Drehbuch, keine Schauspieler*innen, keine Regieanweisungen, die Kamera folgt dem Subjekt“) das dokumentarische Schaffen in Ägypten nachhaltig geprägt.

HORSE OF MUD (Atteyat Al Abnoudy, Ägypten 1971, OmE, 12 min) ist einer von Al Abnoudys frühesten Filmen und widmet sich der Armut in Kairo. Die Herstellung von Ziegelsteinen wird als rhythmische Choreografie gefilmt. Die Bewegungsabläufe gehen eine subtile Verbindung mit den persönlichen Geschichten der Arbeiter*innen ein.

SAD SONG OF TOUHA (Atteyat Al Abnoudy, Ägypten 1972, OmE, 12 min) ist ein weiterer früher Film Al Abnoudys. Er zeichnet ein traumartiges Porträt von Künstler*innen, die das Straßenbild in Kairo prägen. Die unaufdringliche Kamera begleitet Feuerschlucker, kindliche Schlangenmenschen und andere Darsteller*innen. Erzählt wird die Geschichte der Gemeinschaft  von der eindringlichen Stimme des Dichters Abdel Rahman El-Abnoudy.

THE SANDWICH (Atteyat Al Abnoudy, Ägypten 1975, OF (kaum Dialog), 12 min) Der experimentelle Kurzfilm erkundet die ländliche Provinz „El Abnoud“. Im Mittelpunkt steht eine Gruppe spielender Kinder in einem Dorf, in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Der Film verbindet dokumentarische und fiktionale Momente und ist einer der wenig bekannten frühen Filme Al Abnoudys.

INTO THE DEPTH (Atteyat Al Abnoudy, Ägypten 1979, OmE, 39 min) Der selten gezeigte Film Al Abnoudys porträtiert eine Landschule und die Herausfoderungen, mit denen sich Schüler*innen und Dorfbewohner*innen konfrontiert sehen.

SEAS OF THIRST (Atteyat Al Abnoudy, Ägypten 1980, OmE, 44 min) Mit SEAS OF THIRST bewegt sich Al Abnoudy weg von ihren Erkundungen des ägyptischen Südens und in den Norden des Landes. Dort zeigt sie das Leben der Menschen nahe der Salzseen in El Borrolos während einer Dürreperiode. Der starke Kontrast zwischen der reichen Vielfalt der lokalen Charaktere und der unwirtlichen Umgebung erzählt von einer Klasse, die mehr und mehr im Verschwinden ist.

PERMISSIBLE DREAMS (Atteyat Al Abnoudy, Ägypten 1983, OmE, 31 min) Der Film porträtiert Oum Said, eine Landwirtin in der Suezkanalzone. Sie spricht – direkt in die Kamera – über soziale Ungerechtigkeit, ihre Benachteiligung als Frau und ihren starken Wunsch nach einer Ausbildung. Formell hebt sich der Film von Al Abnoudys restlichem Werk ab, meidet aber in typischer Manier ideologische Fallen oder eine Verklärung der ärmeren Schichten Ägyptens.

RHYTHM OF LIFE (Atteyat Al Abnoudy, Ägypten 1988, OmE, 58 min) ist ein zentrales Werk in Al Abnoudys Schaffen. In einer Art Symphonie des ländlichen Lebens in vier Sätzen zeigt sie in typischer, unaufdringlicher Manier das Alltagsleben der Bäuer*innen.

AMAL DONQOL – THE TALK OF ROOM NUMBER 8 (Atteyat Al Abnoudy, Ägypten 1990, OmE, 26 min) Amal Donqol spricht über seine Arbeit, Glück und Politik, sein Gefühl von Entfremdung in einer zunehmend materialistisch geprägten Gesellschaft sowie seinen Kampf gegen eine Krankheit. Ihre Nähe zum Protagonisten macht den Film zu einem von Al Abnoudys persönlicheren Filmen und zu einer Hommage an einen der wichtigsten Dichter der arabischen Welt.

BUYERS AND SELLERS (Atteyat Al Abnoudy,  Ägypten 1992, OmE, 27 min) stellt Schicksale derjenigen, die haben, denjenigen, die nicht haben, gegenüber. Die frühen 90er Jahre waren von einer rasanten Übernahme neoliberaler Wirtschaftspolitik geprägt. Der Film erforscht die Beziehung der ägyptischen Bevölkerung zum Suezkanal und lässt dabei die gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen erahnen, die die beiden letzten Jahrzehnte von Mubaraks Präsidentschaft mit sich bringen sollten.

RUSHES (Ägypten, späte 70er bis frühe 90er Jahre, stumm, 15 min) Nach ihrem Tod fanden sich im Nachlass Al Abnoudys Outtakes sowie Aufnahmen, die sie selbst mit ihrem Team bei der Arbeit zeigen. Als Produzentin ihrer Filme hatte sie alles sorgfältig archiviert. RUSHES zeigt eine Auswahl dieser Fundstücke.

Die Nutzung von arsenal 3 kostet 11€ pro Monat. Weitere Informationen und Anmeldung hier.

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Arsenal on Location wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds