Der Streamingbereich www.arsenal-3-berlin.de präsentiert vom 1. Mai bis 8. Juni eine Werkschau mit den Filmen der Autorin, Regisseurin, Produzentin und Aktivistin Tatjana Turanskyj. Sie arbeitete erst in kollektiven Zusammenhängen im Bereich Performance und Theater, hat mit Hangover Ltd. Videos gedreht und Performances inszeniert und die OK-GIRL$ Gallery mitbegründet. Danach gründet sie eine Produktionsfirma, um feministische Autor*innenfilme zu produzieren. Ihre seitdem entstandenen Spielfilme, beginndend mit EINE FLEXIBLE FRAU, setzen sich in lustvoller und spielerischer Weise mit Diskursen um Geschlechterverhältnisse und neue Arbeitswelten auseinander. Untrennbar mit ihrer künstlerischen Arbeit verbunden ist ihr Engagement in der feministischen Filmpolitik, sie ist Mitbegründerin der Initiative Pro Quote Regie.
EINE FLEXIBLE FRAU (Tatjana Turanskyj, 2010, 97 min)
Greta, 40, Architektin, Mutter eines zwölfjährigen Sohns, getrennt lebend, verliert ihren Job. Sie beginnt in einem Callcenter zu arbeiten, wird aber schon bald wieder gekündigt. Sie versucht mit aller Kraft, sich nicht unterkriegen zu lassen, fängt an zu trinken und treibt durch die Stadt – zwischen Anpassungsdruck und Widerspruchsgeist. A Woman Under the Influence – in Berlin zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Im sogenannten neuen Berlin, von den Brachen hin zu den Townhäusern. Im globalisierten, flexiblen Kapitalismus. Im Post-Feminismus. Mit dem jeweils dazugehörigen Vokabular: Theorie-Bruchstücke, Floskeln, Modeworte, Zitate. Eine Frau mit einer Vision, vom urbanen Raum, von sich, von ihrem Beruf, von ihrem Leben mit ihrem Kind. Doch die Verhältnisse sind nicht so. Greta auf Partys, im Callcenter, beim Bewerbungs-Coach, mit ihrem Sohn, mit Exkolleg*innen, im Jobcenter, in Kneipen, bei Stadtspaziergängen. Kämpferisch, hysterisch, eigensinnig, wie in Trance, widerspenstig, hemmungslos, überschwänglich und todtraurig. Situationen, Begegnungen, Performances. Mehr Trip als Plot. Momentaufnahmen einer zeitgenössischen, brüchigen weiblichen (Arbeits-)Biografie. (Birgit Kohler)
TOP GIRL ODER LA DÉFORMATION PROFESSIONNELLE (Tatjana Turanskyj, 2014, 94 min)
Helena, 30, alleinerziehende Mutter einer elfjährigen Tochter, ist als Schauspielerin nur mäßig erfolgreich und verdient ihren Lebensunterhalt mit Sexarbeit in einem Escort-Service. Zu ihrer Mutter, einer Gesangslehrerin, hat sie ein angespanntes Verhältnis. Auch von ihrem Job ist Helena zunehmend genervt. Als sie David kennenlernt, bietet sich ihr eine Chance. Momentaufnahmen einer zeitgenössischen, brüchigen weiblichen Arbeits-Biografie, Teil 2: Helena in Latex, Lack, Leder, Netzstrumpfhosen, mit langen Wimpern und Sexspielzeug bei der Arbeit. Männliche Kunden mit diversen sexuellen Vorlieben. Ein Casting, bei dem sie eine “notgeile“ Frau spielt. Ein postfeministischer Vortrag zu Körper, Alter, Schönheitsoperationen. Und immer wieder: Sex als Performance. Ökonomisierte Beziehungen. Körper-Bilder im Diskurs. Die Mutter steht für eine Zeit, in der “weibliche Selbstverwirklichung“ noch anders buchstabiert wurde. Die kleine Tochter sagt ein Gedicht von Heine auf. Schließlich denkt Helena sich eine neue sexuelle Dienstleistung aus, und als die Jagd beendet ist, die Frauen erlegt sind, die Männer triumphieren, steht sie da, streng, schön und unerbittlich. Wie eine absolute Herrscherin. (Birgit Kohler)
ORIENTIERUNGSLOSIGKEIT IST KEIN VERBRECHEN (Marita Neher, Tatjana Turanskyj, 2016, 76 min)
Lena (Nina Kronjäger) ist eine Journalistin in der Krise, die zunächst in Berlin zum Thema „Europäische Sicherheitspolitik“ recherchiert und sich dann auf den Weg in den Norden Griechenlands macht, nach Thrakien, dem Grenzland zwischen Bulgarien und der Türkei. Ihr Ziel: der neue Sicherheitszaun, der Griechenland von der Türkei trennt. Zufällig begegnet sie Amy (Anna Schmidt), einer Aktivistin, die teils aus Langeweile, aber auch aus Neugier, Lena bei ihren Recherchen begleitet. Es ist die Geschichte einer Begegnung zweier Frauen, die beide mit unterschiedlicher Ambitionen in Griechenland unterwegs sind. Aus der Reibung ihrer beiden Perspektiven entspringt ein Road Movie durch die griechische Provinz, auf der Suche nach unsichtbaren Grenzen und einer Haltung zur Gegenwart. (Grandfilm)
girls & boys in history I– EMANZIPATION (Tatjana Turanskyj, 2000, 7 min)
girls & boys in history II– MÄNNERHORRORFRAUEN (Tatjana Turanskyj, 2001, 7 min)
girls & boys in history III – REAL EXISTIERENDE GESCHLECHTERVERHÄLTNISSE (Tatjana Turanskyj, 2001, 7 min)
Die Serie girls & boys in history ist ein surreales Zeitdokument. „Seit 20 Jahren hat sich wenig oder nichts in Sachen Gleichberechtigung in Deutschland geändert. Bildet Banden!“ (Tatjana Turanskyj)
PETRA (Hangover Ltd. (Christine Groß, Sophie Huber, Ute Schall, Tatjana Turanskyj, Claudia Splitt), 2003, 70 min)
„Ein Badezimmer dient als Bühne für 70 Minuten lustvolles Delirium, zwischen Reminiszenzen an Petra von Kant und lesbische Pornos.“ (Elisabeht Lequeret, Cahiers du Cinéma)
REMAKE (Hangover Ltd. (Christine Groß, Sophie Huber, Ute Schall, Tatjana Turanskyj, Claudia Splitt), 2004, 20 min)
REMAKE ist ein Remake von Faces (John Cassavetes, USA 1968) und versucht, dieses Geschlechterpsychogramm der 1960er Jahre auf unsere Zeit zu übertragen: ein Abend in der Bar, vier Frauen, ein Mann, Wodka und Musik.
I’M A DANCER (Tatjana Turanskyj, 2008, 6 min)
Ein Tanzvideo: Ein verkleideter Faun trifft auf einen gut gelaunten Tänzer im Wald. Es ist Neujahr und Du hast drei Wünsche frei.
JANE, GENDER COACH (Tatjana Turanskyj, 2012, 3 min)
Gendercoach Jane agitiert von einer dunklen Bühne herab das nicht sichtbare Publikum. Studie für Corporate, den 3.Teil der Frauen- und Arbeittrilogie.
Mit Dank an Filmgalerie 451, Neue Visionen Filmverleih, Grandfilm.
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