Am 16. September 2013 zeigte das Arsenal anlässlich seines 50. Jubiläums in Anwesenheit von Harun Farocki ein Doppelprogramm mit dem Titel „Ziegelsteine“. Es liefen Farockis ZUM VERGLEICH (D 2009) sowie CHIRCALES (Ziegelarbeiter, Kolumbien 1971) von Marta Rodríguez und Jorge Silva, zwei Filme über Ziegelherstellung aus der Sammlung des Arsenals. Während Farockis Film in Indien, der Schweiz, Burkina Faso, Frankreich und anderen Orten Handarbeit, Industriearbeit und Computerarbeit beobachtet und dabei eine globale Zeitgeschichte der Ziegelproduktion erzeugt, konzentriert sich Marta Rodríguez’ und Jorge Silvas Film über sechs Jahre lang auf eine Ziegler-Familie, anhand derer exemplarisch die Ausbeutung der Arbeiter*innen deutlich wird.
„Archive außer sich“ zeigt im April beide Filme, die eine lange Geschichte mit dem Arsenal-Archiv haben, auf unserem Streamingbereich www.arsenal-3-berlin.de.
Eine 16-mm-Kopie von CHIRCALES kam aus Leipzig ins Arsenal-Archiv, wo der Film 1972 Premiere auf der Internationalen Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche feierte und eine Goldene Taube gewann. Dank einer Förderung des Hauptstadtkulturfonds zum 50-jährigen Jubiläum konnte der Film 2013 vom Arsenal digitalisiert werden. Zwei Duplikat-Negative wurden dafür von der Fundación Cine Documental bereitgestellt.
CHIRCALES ist der erste Film einer Trilogie zu Unterdrückung und Widerstand der Indigenen in Kolumbien, dessen zweiter Teil, "Planas, testimonio de un etnocidio" (Planas – Dokument einer Ausrottung, Kolumbien 1971), 1972 im 2. Internationalen Forums des Jungen Films lief und ebenfalls im Archiv des Arsenals verblieb. Aktuell wird er in Mexiko von der Fundación Cine Documental restauriert. Der dritte Teil wiederum, Campesinos, gewann 1975 bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen einen Preis, eine Kopie liegt seitdem dort im Archiv. Im Rahmen von „Archive außer sich“ ließ das Oberhausener Projekt „re-selected – Filmgeschichte als Kopiengeschichte“ 2019 eine neue 16-mm-Kopie ziehen und anschließend digitalisieren.
"Nuestra voz de tierra, memoria y futuro" (Unsere Stimme von Erde, Erinnerung und Zukunft, 1982), der ebenfalls von Marta Rodríguez und Jorge Silva stammt, befindet sich seit seiner Weltpremiere im Internationalen Forum des Jungen Films (Berlinale Forum) im Archiv des Arsenals. Er wurde 2018 im Rahmen von „Archive außer sich“ digital restauriert und 2019 wiederaufgeführt.
Auch ZUM VERGLEICH wurde als Weltpremiere im Berlinale Forum (2009) gezeigt, eine 16-mm-Kopie ging in den Verleih über. Im Zuge der Digitalisierung und Restaurierung von Harun Farockis Gesamtwerk (mit Unterstützung des Goethe-Instituts) wurde der Film 2017 durch eine Förderung der FFA digitalisiert.
CHIRCALES (Ziegelarbeiter, Marta Rodríguez, Jorge Silva, Kolumbien 1971, 42 min) erzählt von der Großfamilie Castañeda, die am Stadtrand von Bogotá für einen Hungerlohn Ziegel aus Lehm anfertigt und schließlich entlassen wird. Durch dokumentarische Beobachtung und mithilfe eines Off-Kommentars analysiert der Film den Zusammenhang zwischen entrechteter Arbeit und Armut.
ZUM VERGLEICH (Harun Farocki, D 2009, 61 min) In Afrika, Indien und Europa werden Ziegelsteine produziert, aus denen Krankenstationen, Kinderheime, Schulen und Wohnhäuser entstehen. Harun Farocki beobachtet die Arbeitsschritte bei der Herstellung des Baumaterials. Per Hand, Maschine oder Roboter wird es gegossen, gebrannt oder gepresst.
Je nach Produktionsland sind dabei ein einzelner oder viele Arbeiterinnen und Arbeiter beteiligt. Der Titel des Films teilt etwas Entscheidendes mit: Farocki bietet lediglich Material an, der Akt des Vergleichens zwischen traditioneller, früh- und hochindustrieller Gesellschaft liegt beim Publikum. Die kleinste Einheit, auf die sich der Film ausschließlich konzentriert, ist der Ziegelstein. Das verbindende Element sind Texttafeln, die knapp über den jeweiligen Ort und die Bauweise informieren. Ein weiterer Vergleich drängt sich auf: Die kleinste Einheit des 16mm-Bildes ist das Korn. Es verbindet sich mit dem Pixel, der in der Schweiz am Computer generiert wird, um einen Ziegel darzustellen, ebenso wie mit der Bleistiftzeichnung einer europäischen Architekturstudentin in Indien. Analoge und digitale Bildwelten sind mehr als Informationsträger, sie sind Teil der Produktion. (Stefanie Schulte Strathaus)
Die Nutzung von arsenal 3 kostet 11€ pro Monat. Weitere Informationen und Anmeldung hier.