Der libanesische Videokünstler Akram Zaatari, mit seinen Arbeiten bei vielen internationalen Festivals und Ausstellungen vertreten, ist zur Zeit Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Die Beschäftigung mit den Auswirkungen des Bürgerkriegs im Libanon durchzieht Zaataris gesamtes Werk. Ein Sammler von Bildern, Tönen und Objekten, fördert er archäologisch die unsichtbare Geschichte seines Landes zutage und erforscht gleichzeitig die Kodes der Repräsentation und das Bildermachen in Zeiten des Krieges. Diese Reflexion geht einher mit einer grundsätzlichen Befragung der Bedeutung von Dokumenten. Neben einigen Arbeiten (27.8.), die sich ästhetisch komplex dem Widerstand im Südlibanon während der israelischen Besatzung widmen, stellt Zaatari als Berliner Premiere seinen vielschichtigen Video-Essay THIS DAY (2003, 29.8.) über die Produktion und Zirkulation von Bildern und Ideologien im Nahen Osten vor.
"Winter's Bone" bei der Sommer Berlinale
Vom 16. - 19. Juli zeigt das Freiluftkino Friedrichshain Hightlights aus dem Programm der 60. Berlinale, die noch nicht in deutschen Kinos gestartet sind, darunter Winter's Bone von Debra Granik.
Kino der Einverleibung – Die Filme von Joaquim Pedro de Andrade
Joaquim Pedro de Andrade war eine Schlüsselfigur der brasilianischen Cinema-Novo-Bewegung. 1932 in Rio de Janeiro geboren, entwickelte Andrade während seines Physikstudiums durch den Filmclub der Universität eine Leidenschaft fürs Kino. Das zeitgenössische populäre brasilianische Kino, das hauptsächlich aus leichten Komödien bestand, war während der 50er Jahre im Niedergang begriffen. Das in diese Lücke sich hineinentwickelnde Cinema Novo hatte den Anspruch, die brasilianische Wirklichkeit nicht nur in unverbrauchter und realistischer Weise einzufangen, sondern über das Kino auch mit der Gesellschaft in einen Dialog zu kommen und diese zu transformieren. Angestrebt wurde ein in jeder Hinsicht unabhängiges Kino, das sich von allen fremden Vorbildern, vor allem denen Hollywoods, löste und seine eigene Ästhetik erfand. Das Cinema Novo reihte sich in die kulturelle und ökonomische Aufbruchstimmung ein, die Brasilien ab Mitte der 50er Jahre erfasste und deren sichtbarster Ausdruck die mitten im Urwald aus dem Boden gestampfte neue Hauptstadt Brasília war. Der Militärputsch 1964, der ein über 20 Jahre dauerndes Regime installierte, machte sich anfangs kulturell noch nicht sonderlich bemerkbar. Erst ab 1968 verstärkte sich die Repression und Zensur auch im kulturellen Bereich. Zahlreiche Regisseure mussten ins Exil gehen oder konnten, sofern sie im Land blieben, in ihren Filmen nur unter Zuhilfenahme metaphorischer Verschlüsselungen und Verschiebungen von der gesellschaftlichen Wirklichkeit sprechen. Zu dieser Zeit entstand auch der "Tropikalismus", ein metaphernreiches Kino, das sich der verschiedensten Einflüsse bediente und in seiner Bilderfülle so eindeutig wie möglich und so unangreifbar wie nötig wurde.
Moving Politics – Cinemas from India
Anlässlich der Ausstellung "Being Singular Plural: Moving Images from India" in Deutsche Guggenheim präsentieren wir die von Dorothee Wenner und Nicole Wolf kuratierte Film- und Gesprächsreihe "Moving Politics – Cinemas from India". Drei Programmblöcke mit einer Auswahl neuer Spiel- und Dokumentarfilme sowie einige Klassiker der indischen Filmgeschichte vermitteln einen Eindruck der Vielfältigkeit, mit der in Indien (Film-)Politik gemacht wird. Es geht um die visuellen Vokabeln der Macht, um die subtilen Formen, mit denen im Kino traditionelle Verhältnisse einerseits zementiert und andererseits in Frage gestellt werden. Dabei entfalten keineswegs nur die vordergründig politischen Filme enorme Reichweite. Zumindest aus westlichem Blickwinkel betrachtet, erscheint die Politik im indischen Mainstream-Kino in bisweilen sehr exotischem Gewand. Auch das unabhängige Kino und das Dokumentarfilmschaffen reflektieren ihre Entstehungszeit, Produktionsumstände und Rezeptionsgewohnheiten und entwerfen eigenwillige Formen des Politischen und des Kinematografischen.
Filmkunstpreis 2010 für "Orly"
Beim 6. Festival des deutschen Films in Ludwigshafen hat Angela Schanelecs Film Orly den mit 50.000 Euro dotierten Filmkunstpreis in der Kategorie "Bester Film" erhalten. "Orly" war im diesjährigen Forum uraufgeführt worden.
Magical History Tour: Musik, Töne & Geräusche – Sound im Kino
In Ergänzung zur Magical History Tour im März dieses Jahres zum Thema "Stimme, Sprache, Sprechen im Film" beschäftigen wir uns in diesem Monat erneut mit der wenig beachteten Tonspur des Films und ihrer suggestiven Kraft. Ob On-screen- oder Off-screen-Töne, diegetisch oder nicht, ob komplexe Audio-Arrangements, Überwältigungs-Sound oder atemlose Stille: Die Tonspur – bestehend aus Sprache, Musik und Geräuschen – ist integraler Bestandteil der Filmerfahrung. Sie produziert Atmosphäre oder Irritation, greift den Bildern vor oder widerspricht ihnen, verstärkt oder erdrückt. Sie schafft eine Welt, einen Klangraum, in den der Zuschauer, je nach Tonsystem und Audio-Ausstattung des Kinos eintauchen kann. Seit Mitte der 70er Jahre ermöglichen zahlreiche tontechnische, von der Musikindustrie übernommene Innovationen das Gestalten hochkomplexer Klangarchitekturen, an denen Sound Designer, Sound Editoren, Geräuschemacher und Tonmischmeister monatelang arbeiten. Doch auch jenseits der großen Produktionen und Budgets, jenseits von Mehrkanalton, Surround Sound und Dolby Stereo entstehen und entstanden vielschichtige, souveräne Tonspuren, die unsere Aufmerksamkeit verdienen und wichtige Fragen zum Verhältnis von Bild und Ton aufwerfen.
Gefährliches Kino?
"Filme im Konflikt mit Gesetz, Geld und Gesellschaft", lautet das diesjährige Thema des Kolloquiums der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen. Restriktive Maßnahmen wie Zensur und Altersbeschränkungen begleiten den Film seit seiner Geburtsstunde und belegen sein – tatsächliches oder vermutetes – Gefahrenpotenzial. Beispiele aus mehr als 100 Jahren Filmgeschichte geben Aufschluss über Wandelbarkeit und Kontinuität von Zensurentscheidungen mit ihren nicht zu unterschätzenden Auswirkungen auf Filmgeschichtsschreibung sowie Produktions- und Distributionspraktiken. Strafrechtliche Verbote, Jugendschutzgesetze und Zugangsbeschränkungen erweisen sich bis heute häufig genug als juristischer Ausdruck gesellschaftlicher Tabus. So legen die stets erneut aufflammenden Diskussionen darüber, was mit welchen Mitteln zu welchem Zweck dargestellt werden darf, vor allem die sich wandelnden Normen einer Gesellschaft offen. Umgekehrt ist die visuelle Provokation und Tabuverletzung ein wesentlicher Bestandteil filmischer Produktion und stellt für bestimmte Genres geradezu eine Existenzbedingung dar. Welche Funktion erfüllen diese Filme, die sich am Rande des Erlaubten und Erträglichen bewegen, und wie finden sie ihr Publikum? Wie gehen Archive mit den unliebsamen Beständen fragwürdiger und umstrittener Filme um? Wie kann der Herausforderung begegnet werden, die das Internet als neues Verbreitungsmedium von strafrechtlich und urheberrechtlich problematischen Bewegtbildern darstellt? Filmwissenschaftler, Archivare, Festivalkuratoren und Juristen werden an zwei Tagen diese und weitere Fragen zu verbotenen, beschnittenen und skandalisierten Filmen erörtern. Am ersten Kolloquiumstag werden in einem Gang durch die Geschichte Zensurpraktiken vor 1930 untersucht, die filmische Untergrundbewegung aus dem Spanien unter Diktator Franco vorgestellt, sowie das Selbstverständnis der Archive und die Rolle der FSK bei der Bewertung von Filmen thematisiert. Der zweite Tag widmet sich dann den Themen der Gegenwart, wie der Indizierung von Horror- und Gewaltfilmen, der Darstellung von Sexualität, Zensur in autoritären und multireligiösen Staaten wie Nigeria und nicht zuletzt dem Internet und seinen globalen Netzwerken.
FilmDokument: DER GOLDENE GARTEN (BRD 1953)
Ein Farbfilm über Kalifornien, und ein Versuch, die Gattung "Reportage" neu zu definieren. Mit amüsiert-ironischem Kommentar beschreibt Hans Domnick den amerikanischen Lebensstil in Los Angeles, Las Vegas und San Francisco. Er ist aber weniger an den Menschen interessiert als vielmehr an ihrem vom Auto beherrschten Lebensstil. Entsetzt schreibt ein Rezensent von einem "gefilmten Alptraum" und schauert: "Grauenhaft der Gedanke, in einer solchen Welt leben zu müssen, so durch seine Tage gepeitscht zu werden von der Hast des Lebens, von dem rasanten Tempo aller Verrichtungen." So spiegelt der Film über "dieses so völlig unkomplizierte Land" (Domnick) auch das westdeutsche Amerika-Bild, acht Jahre nach Kriegsende. (Jeanpaul Goergen).
Eine Veranstaltung von CineGraph Babelsberg in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv und der Deutschen Kinemathek. Einführung: Jeanpaul Goergen (14.6.)
TATİL KİTABI (Summer Book)
Die Schulferien haben begonnen, fröhlich strömen die Kinder in ihren blauen Uniformen ins Freie. Nur ein kleiner Junge scheint betrübt. Ein Klassenkamerad hat ihm das Schulbuch geklaut, jetzt kann er seine Ferienaufgaben nicht erledigen. In diesem Film tritt die Kamera stets einen Schritt zurück und gibt das Bild frei für Leben und Alltag einer türkischen Familie in einer anatolischen Kleinstadt. Die langen und ruhigen Einstellungen lassen Platz für ihre kleinen und großen Probleme.
Distribution start SUBSTITUTE
SUBSTITUTE (Vikash Dhorasoo, Fred Poulet, F 2006). The World Cup 2006 from the perspective of the French national player Vikash Dhorasoo and the writer and musician Fred Poulet. Both shoot with a super-8 camera: the one his everyday experiences as an increasingly frustrated substitute player for the Équipe tricolore; the other everything that happens during his travels throughout Germany and inside the stadium at all the French games. Melancholy instead of euphoria, loneliness instead of "one-for-all-and-all-for-one" rhetoric, a tragic hero instead of a glorious athlete – SUBSTITUTE is the other docu-mentary soccer film. Playing from June 3–9 daily at Arsenal.