Das Neue Bauen – selbstmörderische Sachlichkeit (6.4., mit einer Einführung von Kathrin Peters)
"Aus schierem Protest gegen die Jugendstil- und Fachwerkpracht der elterlichen Villa hatte er sich selber mit einer geradezu selbstmörderischen Sachlichkeit eingerichtet …", schrieb Gertrud Basse über ihren Mann, den Dokumentaristen Wilfried Basse. Die unter dem Begriff des "Neuen Bauens" bekannt gewordene Architektur der 20er Jahre prägte lange Zeit die Debatten um die moderne Architektur. Wir rekonstruieren ein historisches Filmprogramm gleichen Titels vom 31. Januar 1932. Hans Richter zerlegt in DIE NEUE WOHNUNG (CH 1930) wortwörtlich die "gute Stube", mit Hilfe beißender Ironie in den Zwischentiteln und kleinen Spielszenen. Den nutzlosen Porzellanfiguren auf dem Vertiko und anderem Zierrat des Jugendstils stellt er moderne, sachlichnüchterne, zweckmäßige Einrichtung von Wohnung und Küche entgegen. Hier läuft (mit Hilfe von Stopptrickaufnahmen) alles wie von selbst, räumen sich die Klappmöbel wie von Zauberhand aus dem Weg. Ella Bergman-Michels WO WOHNEN ALTE LEUTE? (D 1931) engagiert sich für ein alternatives Wohnprojekt in Frankfurt/Main: ein Seniorenheim mit funktionaler, lichtdurchfluteter Architektur. Die großflächige Verwendung von Glas ermöglicht der Kamera tiefgestaffelte Durchblicke, während die stets im Himmel endenden Schwenks den bekannten Dreiklang "Licht – Luft
– Sonne" beschwören. Wegklappbare Falttüren der Gemeinschafträume – sichtbar gemacht durch animierte Grafiken – demonstrieren die Multifunktionalität der Räume und fördern die Geselligkeit der Bewohner.