"Diese einzigartige Frau hat unter so verschiedenen Regisseuren wie Howard Hawks, William Wellman, G.W. Pabst und Augusto Genina gespielt. Überall findet man die gleiche Präsenz, den gleichen Magnetismus, die gleiche skandalöse Schönheit wieder. Wenn sie erscheint, zerreißt die Leinwand, das weiße Tuch wird zur Leinwand des Wahnsinns. Sie hat blendenden Glanz." (Ado Kyrou) Die Elogen dieser Art, mit denen die große amerikanischen Schauspielerin seit Jahrzehnten bedacht wird, stehen im krassen Gegensatz zur Haltung der Filmkritiker der 20er Jahre. Auch die beiden Filme, die die 1906 in einem amerikanischen Provinznest geborene Louise Brooks unter der Regie von G.W. Pabst drehte, wurden von der deutschen Filmkritik nicht immer favorabel bedacht. Ihren Kultstatus als herausragende Filmikone der späten 20er Jahre erkannte – knapp 30 Jahre später – als einer der ersten Henri Langlois und widmete ihr eine umfangreiche Retrospektive in der Cinémathèque Française in Paris. Anlässlich ihres 100. Geburtstages (am 14.11.) widmen wir ihr, wenn auch keine große Retrospektive (obwohl es angemessen wäre), so doch zwei Abende.
FilmDokument
1963/64 entstand in der DDR ein ungewöhnlicher Dokumentarfilm: DEUTSCHLAND – ENDSTATION OST (1964). Der belgische Dokumentarist Frans Buyens interviewte Straßenpassanten in Ost-Berlin und Dresden, Fabrikarbeiterinnen und Technische Zeichnerinnen der Warnow-Werft in Stralsund, Kleinunternehmer in Chemnitz, LPG-Bauern auf dem Lande, ausländische Studenten am Gottfried-Herder-Institut in Leipzig und Industriearbeiter in Magdeburg und Eisenhüttenstadt. "Die DDR, mit den Augen eines Ausländers gesehen", so lautete der ursprüngliche Filmtitel. Wenige Jahre nach dem Bau der Mauer dokumentierte Buyens Zustimmung, ablehnende Stimmen, auch Ängste der Befragten. Er befragte Grenzsoldaten nach dem Schießbefehl, hielt Zögern und forsche Haltungen fest (Kamera: Hans Eberhard Leupold). Gleichwohl ist es der Film eines Sympathisierenden mit der DDR. Anfänglich von Spitzenfunktionären der SED, des Kulturministeriums und des FDGB gefördert, geriet die Produktion ins Ränkespiel im Vorfeld des so genannten "Kahlschlag"-Plenums 1965. Nur mit Mühe gelang es Buyens, den Film am Rande des Leipziger Dokumentarfilmfestivals zu zeigen. Danach fiel er bis zum Ende der DDR dem Vergessen anheim. – Eine Veranstaltung von CineGraph Babelsberg mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv. (24.11., Einführung: Thomas Heimann, Medienhistoriker)
Fernando Pérez und der kubanische Film
Im Wintersemester 2006/07 wird Fernando Pérez, der renommierteste und bekannteste Regisseur Kubas, als Samuel-Fischer-Gastprofessor an der FU Berlin eine Reihe von Veranstaltungen und Seminaren geben. Wir freuen uns, dass er im (fast) wöchentlichen Turnus immer donnerstags im Arsenal eine Reihe seiner eigenen, aber auch andere kubanische Filme präsentieren wird. Pérez wurde 1944 in Havanna geboren und begann bereits 1962 während seines Sprach- und Literaturstudiums an der Universität von Havanna als Produktionsassistent und Übersetzer im kubanischen Filminstitut ICAIC (Instituto Cubano de Arte e Industria Cinematográficos) zu arbeiten. Pérez drehte zahlreiche Dokumentarfilme, bevor 1987 sein erster Spielfilm entstand. Seine beiden letzten Filme LA VIDA ES SILBAR (Das Leben, ein Pfeifen, 1998) und Suite Habana (2003) zählen zu den Meilensteinen des kubanischen Kinos. Neben seiner Tätigkeit als Regisseur lehrt er an der kubanischen Filmhochschule und an der Universidad de la Habana.
Buchpräsentation
Jörg Schweinitz stellt sein im Akademie-Verlag erschienenes Buch "Film und Stereotyp. Eine Herausforderung für das Kino und die Filmtheorie. Zur Geschichte eines Mediendiskurses" vor. Das Stereotype – die Neigung zum Formelhaften und zu wiederkehrenden Erzählmustern – des Films war seit den 1920er Jahren Gegenstand von Filmkritik und -theorie. Jörg Schweinitz zeichnet die Geschichte dieses Diskurses nach und beschreibt in detaillierten Filmanalysen, wie Filmemacher mit dem Stereotyp umgehen – von früher ironischer Reflexion (bei Alexander Granowski), bewusster Abwendung (bei Roberto Rossellini), kritischer Dekonstruktion (bei Robert Altman in den 70er Jahren) bis zur Verklärung (bei Sergio Leone oder den Coen Brüdern). Im Anschluss zeigen wir DIE KOFFER DES HERRN O.F. (Alexander Granowski, D 1931), in dem 13 geheimnisvolle Koffer ohne Besitzer, nur mit den Initialen O. F. versehen, dem verschlafenen Städtchen Ostend zu einem beispiellosen Aufschwung verhelfen. (21.11.)
Japanischer Filmclub
GEKASHITSU (Das Operationszimmer, Tamasaburo Bando, 1992) basiert auf einem Roman von Kyoka Izumi, einem herausragenden Schriftsteller der Meiji-Zeit und erzählt die Geschichte einer ungelebten Liebe, die in einem dramatischen Moment in einem Operationszimmer kulminiert. Der berühmte japanische Kabuki-Darsteller Bando schafft in seinem Regiedebüt mit minutiös langsamen, konzentrierten Bewegungen eine Atmosphäre, die Raum und Zeit auszulöschen scheint. "Alles bleibt Andeutung in diesem Film. In der meditativen Erinnerung eines Künstlers, der Zeuge beider Ereignisse war, wird ein Zusammenhang impliziert, aber nicht von filmischer Logik erzwungen. Die üppige Pracht des bunten Gartens steht im Kontrast zur kühlen, fahlen Strenge des Operationsraumes, wie die Liebe zum Tod. Der lyrisch schweifende Blick durch die blühende Krone eines Kirschbaumes, das Geheimnis einer weißen Schlange, die musikalischen Töne von Wasserrauschen und Vogelzwitschern, die naturhaften Klänge von Harfe, Violine und Piano: alles scheint zu verharren in traumhafter Imagination." (Anke Sterneborg) Dazu zeigen wir den kurzen HOSO-TAN (Die Geschichte von den Pocken, Shuji Terayama, 1975), der versucht, das Bild als ein Stück Haut zu begreifen. (27.11., mit Einführung)
Kinostarts für Forumsfilme 2006 (Update)
Zahlreiche Filme aus dem Forumsprogramm 2006 hatten im Laufe des Jahres ihren Start in deutschen Kinos, zuletzt Montag kommen die Fenster. Gegenwärtig bringt der Verleih der Freunde der Deutschen Kinemathek weitere Filme in die Kinos: John & Jane und Lenz starten demnächst.
Preise für Forumsfilme auf internationalen Festivals
Die beim Forum 2006 ausgezeichneten Filme 37 Uses for a Dead Sheep und Babooska haben weitere Preise auf internationalen und nationalen Filmfestivals gewonnen. Darüber hinaus erzielten auch die Forumsfilme Là-bas und John & Jane wichtige Auszeichnungen.
ATOS DOS HOMENS
Am 11.01.2007 startet ATOS DOS HOMENS (Acts Of Men) im Verleih von arsenal distribution. In der Nähe von Rio, in Baixada Fluminense, drehte Kiko Goifman seine Aufnahmen von der Verarbeitung eines Massakers, das dort im März 2005 verübt wurde. 29 Menschen wurden von Todesschwadronen getötet. In vier Teile gegliedert berichtet der Film von den Bewohnern wie auch den Killerkommandos der Gegend.
Wer sagt denn, dass Beton nicht brennt, hast Du's probiert? West-Berlin 80er Jahre
Die über 30 Programme und Veranstaltungen umfassende Filmreihe "Wer sagt denn, dass Beton nicht brennt, hast Du's probiert?" zeigt Filme, die zwischen dem Ende der 70er Jahre und der Öffnung der Mauer in West-Berlin entstanden sind. Filme aus und über West-Berlin in einer Zeit, in der über den Potsdamer Platz die Mauer lief und die Fahrt über die Stadtautobahn die große Freiheit bedeutete. Das von der Bundesrepublik subventionierte "Schaufenster des freien Westens" war zu einer Insel für all diejenigen geworden, die sich ohne ökonomischen Druck selbst erfahren und mit allen Mitteln ausdrücken wollten. Man verschrieb sich nicht länger der Weltrevolution, sondern drang auf die Verwirklichung alternativer Lebensformen zwischen Endzeit und Konsumverzicht, Anti-Reagan-Demos und Häuserkampf, Schwulsein und Queerness, Punk, New Wave und Drogen. Im Spiel mit anderen Körperbildern spiegelte sich der Versuch, unterschiedliche Feminismen und indifferente Geschlechterrollen zu praktizieren. "Die Zukunft nicht als düster, sondern gar nicht begreifen", so beschreibt der Filmemacher und Maler Christoph Doering sein Lebensgefühl im West-Berlin der frühen 80er Jahre. Unvoreingenommen loszulegen, auszuprobieren, zu machen, nicht gestern oder morgen, sondern im Hier und Jetzt. Diese Auffassung des Alles-ist-erlaubt war das, wenn auch nur für wenige Jahre währende, Credo der sich damals um Musik, Malerei und Super-8 gruppierenden Szene. Super-8 ermöglichte, mit nur geringen Kosten unabhängige Filme zu produzieren, auch wenn dies den ständigen Ärger mit den technischen Unzulänglichkeiten des Mediums bedeutete. Die Filme wurden in Bars und Cafés gezeigt, aber auch im Rahmen des Forums der Berlinale, hinzu kamen Tourprogramme für Westdeutschland und eigene Festivals (interfilm 1, 1982).
Kinolektüren: Filmische Rekonstruktionen mit Walter Benjamin
"NOW – Das Jetzt der Erkennbarkeit. Walter Benjamins intellektuelle Topografie in Kultur, Kunst und Wissenschaft der Gegenwart" ist ein vom 17. – 22. Oktober stattfindendes Festival mit Ausstellungen, moderiertem Filmprogramm, einem Performance- und Musiktheaterprogramm sowie einer wissenschaftlichen Tagung, organisiert durch das Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin in Kooperation mit dem Archiv der Akademie der Künste, dem Museum für Gegenwart – Hamburger Bahnhof, dem Deutschen Rundfunkarchiv, der Staatsoper unter den Linden, der Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin und den Freunden der Deutschen Kinemathek. Jede Generation und jede Kultur scheint sich ihren Benjamin anzueignen. Trotz der Fülle vorhandener Werke und Publikationen, die seinem Denken gewidmet sind, zieht die Auseinandersetzung mit ihm immer weitere Kreise: durch Übersetzungen in andere Sprachen und Übertragungen in andere Ausdrucksformen und Medien. Ausgangspunkt des Festivals ist die Erkenntnis, dass Benjamins Schriften oft auf Fragen antworten, die überhaupt erst durch gegenwärtig drängende Herausforderungen deutlich werden. Auch der Umgang mit seinen Ideen ist von dem je besonderen historischen Index geprägt.