Im Juli möchten wir an Shohei Imamura, einen der wohl wichtigsten japanischen Regisseure erinnern, der Ende Mai im Alter von 79 Jahren in Tokio starb. Gleich zwei Mal hat er die "Goldene Palme" in Cannes erhalten (für Nayarama Bushiko/Die Ballade von Narayama, 1983 und für Unagi/Der Aal, 1996). Für NIPPON SENGOSHI – MADAMU ONBORO NO SEIKATSU (Die Geschichte Nachkriegsjapans und das zerrissene Leben einer Barbesitzerin, Japan 1970) bat Imamura die in den 70er Jahren in die USA emigrierte Barbesitzerin Etsuko Akaza, nach Japan zurückzukommen. Sie schildert anhand alter Wochenschauaufnahmen ihre Erinnerungen an die Zeit zwischen 1945 und 1970 in der Bar Omboro in Yokosuka. Ihre Kommentare zeigen den Unterschied zwischen der Bedeutung, die man historischen Ereignissen beimisst und ihrer Bedeutung für eine Person, die sie erlebte – so entsteht ein eindrucksvolles, subjektives Zeitdokument. Imamura befragt sie auch über ihre Karriere – vor 25 Jahren hatte sie mit nichts begonnen, inzwischen hat sie ein Vermögen, während sie von einem Mann zum nächsten wechselte. Imamura interessiert sich für das Subjektive und die Ränder, das, was sich selbst als abweichend zeigt. (10.7.)
Gegenbilder
Formal wie inhaltlich ganz und gar am anderen Ende des Film-/DEFA-Spektrums angesiedelt und sich davon bewusst distanzierend, entwickelte sich Ende der 70er Jahre eine inoffizielle Filmszene in der DDR. Jenseits der staatlichen Medien von Adlershof und Babelsberg griffen Maler, Aktionskünstler, Lyriker oder Musiker auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen zur Schmalfilmkamera. Staatliche Reglementierung und Zensur wurden konsequent ad absurdum geführt, Kunst und Alltag in einzigartiger Weise dokumentiert. „Erst nach 1976, nach dem sog. ‚Biermann- Schock‘, der endlich zu einer Zäsur unter den linken Intellektuellen der DDR geführt hat, konnte es zur Bildung einer authentischen Gegenkultur kommen. Es trat eine völlig neue Künstlergeneration an die (beschränkte) Öffentlichkeit; eine Generation, die sich befreien konnte von den Verklärungen der Aufbaujahre. (…) Es waren zunächst Maler, die Ende der 70er Jahre das brachliegende Medium des Super-8-Films für sich entdeckten. (…) Filmische Artikulationen, die sich der unmittelbaren Kontrolle durch staatliche Institutionen ganz bewusst entzogen, waren in der DDR natürlich nicht vorgesehen. Einer Gruppe Unentwegter, die technische Provisorien und auch Einschränkungen in der beruflichen Entwicklung bewusst in Kauf genommen haben, ist es zu danken, dass heute Dokumente vorliegen, die eine autonome mediale Perspektive auf DDR-Wirklichkeit verkörpern.“ (Claus Löser) Wir freuen uns, am 20.8. das von Claus Löser kuratierte Programm „Gegenbilder“ mit DDR-Untergrundfilmen präsentieren zu können. Seine Auswahl von Kurzfilmen aus der Archiv-Sammlung Ex.Oriente.Lux, Berlin, ermöglicht eine Bestandsaufnahme der filmischen Gegenkultur der DDR.
Film Concerts: Hilla von Rebay und der frühe Avantgarde-Film
Die deutsche Künstlerin Hilla von Rebay (1890–1967) – eine der ersten abstrakten Malerinnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts – war die erste Direktorin des Museum of Non-Objective Painting, dem späteren Solomon R. Guggenheim Museum in New York. Neben der Förderung der gegenstandslosen Malerei war der frühe Avantgarde-Film eines ihrer wichtigsten Anliegen. Drei Filmemacher gaben entscheidende Impulse für Rebays Konzeption eines geplanten Film Centers im Museum: Hans Richter, Oskar Fischinger und Norman McLaren. Hilla von Rebay veranstaltete im Museum of Non-Objective Painting „Film Concerts“, bei denen Werke dieser und anderer Künstler gezeigt wurden. In Zusammenarbeit mit Deutsche Guggenheim und dem Filmmuseum München zeigen wir ein von ihr kuratiertes Programm. Zu sehen sind u.a. Filme von Viking Eggeling, Hans Richter, Oskar Fischinger, Hans Fischinger, Norman McLaren und Len Lye. Ein genaues Programm liegt an den Abenden aus. Die drei im Arsenal veranstalteten „Film Concerts“ finden anlässlich der noch bis zum 10. August im Deutsche Guggenheim zu sehenden Ausstellung „Art of Tomorrow – Hilla von Rebay und Solomon R.Guggenheim“ statt. (19. & 26.7. & 2.8.)
"Film als Theorie. Bildforschung bei Harun Farocki und Jean-Luc Godard"
Am 14. Juli stellen wir das vor wenigen Monaten im Verlag „transcript“ erschienene Buch „Film als Theorie. Bildforschung bei Harun Farocki und Jean-Luc Godard“ in Anwesenheit des Autors Volker Pantenburg vor. Die beiden Filmemacher werden hier erstmals ausführlich zueinander in Beziehung gesetzt – entlang ihrer Überzeugung, dass Film als eigenständige Form des Denkens aufzufassen sei. Harun Farocki hat häufig auf den Einfluss hingewiesen, den die „Nouvelle Vague“, vor allem ihr widerständigster Vertreter Jean-Luc Godard, auf ihn hatte. Beide begreifen die Kamera, vor allem aber den Schneideraum, als Instrument zur Untersuchung der Wirklichkeit, als politisches Mittel zur Analyse des komplizierten Verhältnisses von Bild und Welt. In seinem Buch „Film als Theorie“ stellt Volker Pantenburg die Gemeinsamkeit beider Filmemacher ins Zentrum, durch die Kombination von Einstellungen Theoretisches sichtbar zu machen – es nicht mit Worten an die Bilder heranzutragen, sondern im Medium selbst zu artikulieren, kurz: „Film als Theorie“ zu begreifen. Zur Buchpräsentation werden zwei Filme aus den 80er Jahren gezeigt. In Godards Passion (F/CH 1982) sieht man einen Regisseur bei der Arbeit. In einem Schweizer Studio werden Tableaux vivants nachgestellt: Bilder von Rembrandt, Goya, Delacroix, El Greco. „Merkwürdiger Film: ein Film, der die alten Bilder nachmacht. Seit es den Film gibt, nimmt er die Texte und Bilder von Jahrtausenden in Gebrauch, jetzt hat er sie im Hui verbraucht“, hat Farocki 1983 in der „Filmkritik“ dazu geschrieben. Im gleichen Jahr dreht er selbst einen Film, bei dem Fotografen, Beleuchter, Maskenbildner eine Frau wie ein Tableau vivant arrangieren, um ein Foto – das „Centerfold“ der Zeitschrift Playboy – von ihr zu produzieren. Mit dem schlichten Titel Ein Bild (BRD 1983) ist das Zentrum der Filme Godards und Farockis benannt. Was das ist, ein Bild, auf diese Frage suchen beide seit mehr als 40 Jahren immer wieder Antworten. (14.7.)
Revolutionär des Kinos – Kino der Revolution / Die Filme von Sergej M. Eisenstein
Sergej Michailowitsch Eisenstein (1898–1948) hat wie kaum ein anderer Regisseur das Kino durch seine Filme und seine zahlreichen theoretischen Schriften, wie z.B. seine berühmte, zunächst für das Theater entwickelte Theorie der „Montage der Attraktionen“ revolutioniert. Dabei kam Eisentein eher auf Umwegen zum Film. Nach einem Ingenieur-/Architekturstudium meldete sich der junge Eisenstein 1918 freiwillig zur Roten Armee und fertigte dort Plakate und Karikaturen für die Agitationszüge an. Aus der Armee entlassen, schloss er sich zunächst als Bühnenbildner und Kostümzeichner dem Proletkult-Theater in Moskau an, das unter Leitung von Meyerhold stand und sich als „Instrument für soziale Proklamationen“ verstand. Die hier und bei dem noch radikaleren Bühnenexperimentator Foregger gesammelten Erfahrungen waren für Eisenstein von größter Bedeutung. Anfang der 20er Jahre entstand nicht nur seine bahnbrechende Montagetheorie, sondern auch sein erster für eine Theateraufführung gedrehter Film, DNEWNIK GLUMOWA (Glumows Tagebuch, 1923).
Eine Frage des Formats: DEFA 70
Nein, dies ist kein Druckfehler – wir möchten mit der Überschrift DEFA 70 nicht das 70. Jubiläum der DEFA begehen (wenn, dann erst in zehn Jahren), sondern an vier Abenden im August einen Teil der DEFA-Produktion präsentieren, der ausgesprochen selten zu sehen ist: die 70mm-Filme der DEFA. Der Titel unserer Retrospektive ist dem Filmtitel des ersten von der DEFA produzierten 70-mm-Films entlehnt, der 1967 in Leipzig präsentiert wurde: DEFA 70. In diesem halbstündigen Film vermischte der Regisseur und Konrad-Wolf-Kameramann Werner Bergmann Dokumentarisches mit Spielfilmelementen, kombinierte Natur- mit Studioaufnahmen und experimentierte mit Farben und dem 6-Kanal-Ton. Abgesehen von einer überschaubaren Spielhandlung beinhaltete der Film einen Sonnenuntergang am Meer, eine Achterbahnfahrt, eine Autojagd und ein Sinfoniekonzert. Dieser cineastische Test bedeutete für die DEFA den Durchbruch auf dem Gebiet der 70mm-Filmproduktion. Fünf Jahr zuvor, 1962, gab es in der DDR lediglich zwei Abspielstätten für 70mm-Filme (Anfang der 70er Jahre hatte sich diese Zahl verzehnfacht) und die passenden 70mm-Filme mussten aus der UdSSR und den USA importiert werden. Um nicht länger nur auf ausländische Produktionen zurückgreifen zu müssen, entwickelte die DEFA 1964 eigene 70mm-Kameras und 70mm-Negativmaterial. „So stieg die DDR, nur wenige Jahre nach der UdSSR und den USA, zum dritten Staat der Erde auf, in dem die materiell-technische Basis für die 70mm-Technik komplett vorhanden war.“ Was Mitte der 60er als zweifellos technisch herausragender Erfolg gefeiert wurde, erwies sich jedoch rund zehn Jahre später als schlichtweg zu teuer. Nach sieben abendfüllenden Spielfilmen und einigen wenigen Dokumentarfilmen stellte die DEFA die Produktion von 70mm-Filmen Mitte der 70er Jahre aus finanziellen Gründen ein.
Nicholas Reys Kinolabor
arsenal experimental präsentiert an vier Abenden ein Programm von und mit Nicholas Rey im Kino Arsenal
Kristall in Cannes ausgezeichnet
Der zum Verleihprogramm von arsenal experimental gehörende Film KRISTALL (2006) von Christoph Girardet und Matthias Müller ist im Rahmen des internationalen Filmfestivals in Cannes mit dem "Grand Prix Canal+ du court métrage" ausgezeichnet worden.
12. Jewish Film Festival Berlin & Potsdam
Einen Monat früher als erwartet, dafür mit einem umfangreichen und vielschichtigen Programm präsentiert sich das Jewish Film Festival Berlin & Potsdam nunmehr zum zwölften Mal. Zwei Konzerte (selbstverständlich mit Filmbezug), die das Festival einrahmen, ein interessanter Schwerpunkt mit Filmen aus Frankreich und das wahrscheinlich erste Nahost-Musical der Filmgeschichte sind nur einige Programmpunkte des Festivals, das vom 18. – 28. Mai in gewohnter Zusammenarbeit zwischen der Jüdischen Volkshochschule und den Freunden der deutschen Kinemathek im Arsenal stattfindet.
Das filmische Porträt des berühmten New Yorker Kantors Jacob Mendelson war eines der Highlights des letztjährigen Jewish Film Festivals. Kurz nach der Aufführung entstand die Idee, Mendelson nach Berlin einzuladen, was jetzt gelungen ist: Zusammen mit der Kantorin Roslyn Barak (San Francisco) und Christoph Israel am Flügel wird Jacob Mendelson die musikalische Eröffnung des Jewish Film Festival am 17.5. im Berliner Ensemble bestreiten.
Das Kinodebüt der französischen Drehbuchautorin und Regisseurin Lorraine Lévy, LA PREMIERE FOIS QUE J'AI EU 20 ANS (The First Time I Was Twenty, 2004), wird das Jewish Film Festival im Arsenal eröffnen. Der Film spielt im Umland der französischen Metropole in den 60er Jahren. Basierend auf Susie Morgensterns autobiographischem Roman entsteht hier das wunderbare Porträt der etwas pummeligen Hannah Goldman (großartig gespielt von Marilou Berry), die sich nichts sehnlicher wünscht, als in der ausschließlich mit Jungen besetzten Jazzband ihrer Schule Kontrabass spielen zu dürfen. (18.5., in Anwesenheit von Lorraine Lévy)
Nicolas Reys Kinolabor
Ein Film, der Schwarzbild zur Leerstelle des Kinos und damit zur Projektionsfläche werden lässt, ist LES SOVIETS PLUS L'ÉLECTRICITÉ. Eine Kinoreise in drei Etappen quer durch Russland bis nach Magadan (Sibirien), jener fernen, legendären Stadt in der ehemaligen Sowjetunion, die 1941 gegründet wurde, damit Arbeitskräfte des Gulags von hier die Goldminen der Region ausbeuten konnten. Ausgehend von Fragmenten seines akustischen Tagebuchs, dokumentarischen Aufnahmen und einigen unterwegs gewonnenen autobiografischen Erkenntnissen, versucht der französische Filmemacher Nicolas Rey seiner imaginierten Herkunft auf den Grund zu gehen. (2.6.)
Gefördert durch:
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Die internationalen Programme von Arsenal on Location sind eine Kooperation mit dem Goethe-Institut.