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17. bis 22. September 2024
Veranstaltungsorte: Kino Arsenal, silent green Kuppelhalle, SİNEMA TRANSTOPIA, Gerichtstraße 53 und migas, a listening bar

Das zweijährig stattfindende Festival Archival Assembly wirft einen formwandlerischen Blick auf internationale Filmarchive als lebendigen Gestaltungsraum für die Zukunft des Kinos.
Die dritte Ausgabe, aufgrund des anstehenden Arsenal-Umzugs zeitlich vorgezogen, richtet den Fokus auf die Bedeutung des Tons und der Sprache bei der Archivierung und Präsentation internationaler Filmgeschichte. Das Programm will damit die Dominanz des Bildes in der Beschäftigung mit dem Medium Film hinterfragen, die auch die Auseinandersetzung mit dem Filmerbe prägt.
Im Blickpunkt stehen Live-Übersetzungen und Filmerzählungen, Sprachfassungen, Oral History, das Sprechen über Film und nicht zuletzt die Lücke, die entsteht, wenn nur der Ton oder nur das Bild eines Films im Archiv überlebt haben. Asynchronität bringt bestehende Erzählungen aus dem Gleichgewicht und lässt neue Perspektiven entstehen: Zwischen dem Auditiven und dem Visuellen öffnet sich ein Raum des Imaginären. Ein Archiv der Möglichkeiten, sich unterschiedliche Vergangenheiten und Zukünfte vorzustellen.
Das Festival präsentiert Restaurierungen und Filme zur Thematik, teilweise live übersetzt, kommentiert, oder musikalisch begleitet. Eine Ausstellung, Listening Sessions und ein Reading Room vertiefen das Thema. Ein Symposium und eine Serie von Projektpräsentationen im silent green und im SİNEMA TRANSTOPIA bieten Raum für gemeinsamen Austausch.

Ein erster Überblick über die Formate des Festivals und seine Höhepunkte:

Restaurierungen und Filmerzählungen im Kino Arsenal

Das Programm enthält Filme zur Thematik, sowie drei neue Restaurierungen, die erstmals zur Aufführung kommen: BADNAM BASTI (Prem Kapoor, Indien 1971) beschäftigt sich mit den Themen Menschenhandel und Homosexualität, was die jugendgefährdende Beurteilung durch die indische Zensurbehörde begründet haben dürfte. Die erste 132-minütige Schnittfassung gilt heute als verschollen. Überliefert sind lediglich die Schnittfassung aus dem Arsenal-Filmarchiv (83 min) und ein unvollständiges, aber längeres Bild- und Tonnegativ aus dem NFDC – National Film Archive of India. Wir zeigen die digitale Restaurierung von 112 Minuten mit einer nur im Tonnegativ enthaltenen Sequenz. Der 1970 entstandene Film YOU HIDE ME wurde vom Regisseur Nii Kwate Owoo in diesem Jahr neu bearbeitet. Diese Fassung beruht auf dem restaurierten 16-mm-Original-Bildnegativ und wurde in einer Zusammenarbeit des Arsenal, dem BFI und Nii Kwate Owoo ermöglicht. Owoo arbeitet derzeit an Tonfassungen in mehreren afrikanischen Sprachen, ergänzt durch einen zweiten Teil des Films, der vor wenigen Wochen nicht etwa bei der Rückgabe, sondern bei der leihweisen Übergabe von Artefakten durch Britische Museen an Ghana gedreht wurde.
NIGHTSHIFT von Robina Rose lief 1982 im Berlinale Forum. Der Film inszeniert die Audiokulisse während der Nachtschicht einer Rezeptionistin im legendären Londoner Hotel Portobello. Die Restaurierung wurde von Ross Lipman im Auftrag von Cinenova in London durchgeführt und läuft am Eröffnungsabend in Anwesenheit von Robina Rose.
Außerdem im Programm: Olena Honcharuk, ausführende Leiterin des ukrainischen Filmarchivs Oleksandr Dovzhenko National Centre, präsentiert die Digitalisierung von KVITKA NA KAMENI / CVETOK NA KAMNE (Flowers on the Stone) von Sergei Paradzhanov, dessen Werk sie im Juni auf Einladung von Cecilia Cenciarelli beim Festival Il Cinema Ritrovato in Bologna vorgestellt hat, und Chalida Uabumrungjit, Leiterin des Thai Film Archive in Bangkok, präsentiert den 16-mm-Stummfilm MAE NAK PHRAKANONG von Rangsi Thatsanaphayak aus dem Jahr 1959 mit Live-Synchronisierung durch einen thailändischen Sprecher und englischen Untertiteln. Der ugandische Filmerzähler VJ Junior begleitet den von ihm ausgewählten Film BLOOD DIAMOND von Edward Zwick (USA 2006) und diskutiert die Praxis des Filmerzählens anschließend mit dem Regisseur Petna Ndaliko Katondolo, der 2023 mit einer Werkschau bei Archival Assembly #2 vertreten war und dessen neuer Film KATASUMBIKA als Premiere gezeigt wird.

Ausstellung, 17. bis 22. September in der Gerichtstrasse 53

Ein Teil der künftigen Büroräume des Arsenal wird einmalig zum Ausstellungsort:
Die Installation WHOSE VOICE IS THIS? der kasachischen Künstlerin Dana Iskakova ist in enger Kooperation mit der usbekischen Künstlerin und Filmemacherin Saodat Ismailova entstanden. Ismailova ist dem Berlinale-Publikum seit ihrem Film Chilla (40 Days of Silence) bekannt, der 2014 im Forum uraufgeführt wurde. 2022 nahm sie an der Biennale in Venedig und 2023 an der Documenta 15 teil. 2024 wurde sie für eine Living-Archive-Residency mit Unterstützung des Goethe-Instituts Usbekistan ausgewählt, die sie nutzte, um gemeinsam mit Dana Iskakova die Tonspuren von 45 Filmen aus Zentralasien aus dem Arsenal Archiv zu erforschen. Synchronstimmen, Geräuschkulissen und Soundtracks von Filmen aus den 1960er bis zu den 1990er Jahren geben Zeugnis von den Auswirkungen der sowjetischen Ideologie, ihrer allmählichen Schwächung und dem Aufkommen der Perestroika.
Die Installation ORIGINAL SIN. DER GANG DER FRAU IM SOZIALISMUS der Berliner Künstlerin Susanne Sachsse verwandelt die Geschichte ihrer konfliktbeladenen Bewunderung für ihre Großmutter Luise Brand in eine Hörspiel-Roadmovie-Revue.
UMAM Documentation & Research, eine Organisation, die sich dem Sammeln von Erinnerungen und Archiven des Libanon verschrieben hat, gibt einen Einblick in die Geschichte der Baalbeck Studios, einst eine florierende Institution an der Schnittstelle zwischen dem fortschrittlichen und boomenden libanesischen Wirtschafts- und Kunstsektor.
Im Foyer des Kino Arsenal gelangt eine 2013 im Rahmen des Projekts „Living Archive – Archivarbeit als künstlerische und kuratorische Praxis der Gegenwart“ entstandene Arbeit der Komponistin und Pianistin Eunice Martins und dem Klang- und Videokünstler Andre Bartetzki zur Wiederaufführung. THE SOUNDING ARCHIVE ist eine Sonifikation des gesamten Datenmaterials des Arsenal-Filmbestandes mittels Echtzeit-Klangsynthese und algorithmischer Komposition.

Symposium, 18. bis 22. September im silent green

Wie schon in den beiden ersten Festivalausgaben ist auch diesmal wieder ein Symposium Bestandteil des Programms. Ausgerichtet wird es gemeinsam mit dem Masterstudiengang „Filmkultur: Archivierung, Programmierung, Präsentation“ an der Goethe-Universität Frankfurt. Der Titel „Resounding Archives: The Politics of Listening to the Moving Image“ ist Programm: Ins Archiv zu gehen bedeutet nicht nur, Bilder zu sichten, sondern auch sie zu hören, ja, sie abzuhorchen, wie etwa Godard die Aufgabe des Kinos selbst bestimmt („ausculter“, das Abhorchen der Welt in Bild und Ton). Zehn Panels widmen sich aus unterschiedlicher geografischer, historischer oder kuratorischer Perspektive der Frage: Wie verändert das Nachklingen der Archive Film- und Mediengeschichte und künstlerische Praxis?

Found Futures, 18. bis 22. September im SİNEMA TRANSTOPIA

Im Rahmen der Serie „Found Futures“ stellen Teilnehmer*innen Projekte, Ideen, Kenntnisse oder Fragen bezüglich prekärer Archive, Archivprojekte und Archivfunde vor und tauschen sich mit dem Publikum aus. Themen sind Radiosendungen zum Kino und Audioaufnahmen historischer und aktueller Publikumsgespräche, ARchipelago, ein Archivprojekt zu den Jugoslawienkriegen, die Vision eines AIDS-Filmarchivs in Zusammenarbeit mit Salzgeber, Oral History-Projekte aus dem Iran und Libanon, sowie Tonarchive aus Nigeria und Guinea-Bissau. Die abschließende Veranstaltung ist eine Zusammenarbeit mit „Goethe im Exil“ und widmet sich den teilweise verlorenen Filmarchiven im Sudan, in Syrien und Afghanistan.

Listening Sessions, 18. bis 22. September bei migas, a listening bar

Erstmals zählt die im Berliner Wedding neu eröffnete Listening Bar migas zu den Veranstaltungsorten. An jedem Festivaltag sind hier jeweils zweistündige Audioaufnahmen bei Getränken und Snacks zu hören: Zur Wiederaufführung gelangen Hörstücke, die Natascha Sadr Haghighian, Dani Gal und Achim Lengerer, Tony Conrad und Keren Cytter 2011 unter dem Titel „Screen Off – Action for Cinema on Air“ auf Einladung von Forum Expanded und „Klangkunst im Deutschlandradio“ für das Kino produzierten. Didi Cheeka, Filipa César und Marinho de Pina kuratieren Programme aus Audioarchiven in Nigeria und Guinea-Biassau. Ein weiteres Programm stellt Radiosendungen über das Kino vor, die Hanswolfgang Bergs zwischen 1946 und 1969 für den SWF produzierte und die nun an die Goethe-Universität Frankfurt übergeben wurden. Schließlich geht es um Aufnahmen legendärer Filmdiskussionen des Berlinale Forums, die seit den 1970er Jahren im Delphi-Kino geführt wurden, sowie um Foley-Sounds aus dem Národní Filmarchiv Prag, zusammengestellt von Jonáš Kucharský.

Archival Assembly #3 ist eine Veranstaltung des Arsenal – Institut für Film und Videokunst in Zusammenarbeit mit dem Masterstudiengang „Filmkultur“ der Goethe-Universität Frankfurt und dem Goethe-Institut und silent green, SİNEMA TRANSTOPIA, und migas Hörbar. Archival Assembly #3  wird gefördert von der Kulturstiftung des Bundes.

Gefördert durch:

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