Ich wollte die Synergien unter uns Schwarzen Kolleg*innen nutzen, um zu zeigen, dass es uns gab.
War es kompliziert, Schwarze Schauspieler*innen zu finden?
IMK: Sichtbarkeit war mir wichtig, und ja, es war kompliziert, einen Schwarzen Cast zu finden, es war eine Herausforderung. Es gab damals viel zu wenig Schwarze professionelle Schauspieler*innen. Es gab auch keine Schwarzen Student*innen an den Schauspielschulen. Wenn sich etwas ändern soll, muss sich alles ändern, jeder einzelne Aspekt der Ausbildung in Deutschland.
Ich habe oft mit Leuten gearbeitet, die kaum Schauspielerfahrung hatten. Was mich aber vor allem beschäftigt hat, war die Tatsache, dass ich in Babelsberg einer der wenigen Schwarzen Studenten war. Die Schule war überwiegend weiß. Ich glaube kaum, dass sich das grundlegend geändert hat. Als ich an die Schule kam, waren da noch Alida Babel, die Montage studierte, und Guillermo, ein Student aus Peru. Wir drei waren die einzigen Schwarzen Student*innen an der Schule. Wie verschafft man sich als Teil einer so kleinen Minderheit Gehör? Diese Frage hat mich beschäftigt. Meine erste Filmübung an der Schule ist mit einem komplett weißen Cast entstanden. Irgendwann wurde mir klar, das bin nicht ich bin. Ich konnte und kann keine Filme mit einem komplett weißen Cast machen. Ich glaube an Vielfalt, ich schließe weiße Menschen auch nicht grundsätzlich aus, aber wenn man gezwungen ist, ausschließlich mit weißen Menschen zu arbeiten, erzählt man irgendwann nicht mehr seine eigene Geschichte. Also habe ich angefangen, selbst zu schreiben. Ich habe sogar versucht, französische Schauspieler*innen zu gewinnen. Aber das erwies sich als schwierig, vor allem wegen der Sprache.
Auf meiner Suche lernte ich John Daley kennen, einen Darsteller und Tänzer am Theater des Westens, der mich später mit Sheri Hagen bekannt machte. Die beiden arbeiteten mit mir an meinen Filmen, dabei konnte ich sie nicht einmal bezahlen. Ich werde den beiden ihre Solidarität nie vergessen. So jedenfalls ist mein erster Kurzfilm Fugace entstanden. Nach dem Dreh wusste ich, dass ich weiter Filme machen wollte, in Deutschland.
Und ich wollte die Synergien unter uns Schwarzen Kolleg*innen nutzen, um zu zeigen, dass es uns gab, dass auch wir uns für Kunst, Filmkunst und Filmproduktion interessierten und dass wir unsere Sache gut machen wollten. Aber es war nicht einfach.
Meine erste negative Erfahrung habe ich nach der Fertigstellung von FAKE SOLDIERS gemacht. Ich wollte eine Version mit englischen Untertiteln machen, um den Film auch international zeigen zu können, aber die Schule war der Ansicht, das sei nicht nötig. Ich war enttäuscht. Mir wurde klar, dass eine Geschichte über Schwarze Menschen nicht wichtig genug war, als dass die Schule noch mehr Geld dafür in die Hand genommen hätte.
Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Nach meinem Abschluss schrieb ich mehrere Drehbücher, die in Berlin spielten. Niemand nahm sie ernst. Ich versuchte, einen Produzenten finden, erfolglos. Ich bekam auch nicht die nötige Filmförderung, es war einfach zu schwierig. Mir wurde klar, dass ich Deutschland verlassen musste, um beruflich weiterzukommen. Ich musste weg aus Deutschland. Wenn ich erfolgreich sein wollte, war Deutschland nicht der richtige Ort für mich.
Am Anfang von FAKE SOLDIERS weiß man als Zuschauer*in nicht genau, wo man sich befindet. Ein Basketballplatz, ein amerikanisches Auto, Hip-Hop-Beats. Die Szene könnte auch in den USA spielen. Erst, wenn man genau hinhört, fällt einem auf, dass da deutscher Hip-Hop spielt.
IMK: Ja, es ging mir darum, ein Bild dafür zu finden, wie globalisiert die Welt ist, in der wir leben. Die Zuschauer*innen sollten verstehen, wie gut man in Berlin leben konnte, auch weil das Leben wirklich so ist. Aber diese Art zu leben wird von denen, die in der Position sind, darüber das zu entscheiden, was vermittelt wird, nicht unterstützt.
Und das ist bedauerlich. Die Menschen aus dem Film gibt es doch nach wie vor, oder etwa nicht? Alle Schwarzen Menschen in dem Film sind Berliner, und das, was der Film zeigt, war ihre Art zu leben. Man kann diese Dinge nicht einfach ignorieren.
Uns gefällt der Humor des Films. Wir haben vorhin Wanjuri Kinyanjuis Dokumentarfilm BLACK IN THE WESTERN WORLD erwähnt, der ebenfalls im Rahmen des Programms „Fiktionsbescheinigung“ gezeigt wird. Der Film erstand 1992, sieben Jahre vor FAKE SOLDIERS, und es geht darin um Rassismus. Könnten Sie ein wenig darüber sprechen, inwiefern Liebe und Zugehörigkeit in Ihren Filmen eine Rolle spielen? Und wie dieser Aspekt ihrer Arbeit mit Ihrer Entscheidung zusammenhängt, Rassismus nicht explizit zu thematisieren?
IMK: Die Beobachtung stimmt, aber hintergründig geht es eben doch um Rassismus: Warum versuchen die Afrikaner in FAKE SOLDIERSwie Amerikaner zu sein? Weil sie das Land, in dem sie leben, nicht anerkennt, nicht respektiert als vollwertige Menschen. Die Schwarzen Amerikaner können sich – weil sie Amerikaner sind – dem Stereotyp ein wenig entziehen. Das ist es, was der Film im Grunde zeigt. Die Entscheidung meiner Figur, sich als Amerikaner auszugeben, liegt darin begründet, dass er von der deutschen Gesellschaft als Afrikaner nicht akzeptiert wird, weil Afrikaner*innen verachtet werden. Was das Bild von Afrikaner*innen angeht, wirkt in Deutschland nach wie vor das das koloniale Erbe nach.
Am Anfang schwebte mir ein Langfilm vor. Ich hätte aus dem Stoff einen zweistündigen Spielfilm machen können, aber wegen der fehlenden Finanzierung habe ich mich für einen Kurzfilm entschieden.