Direkt zum Seiteninhalt springen

Wilhelm Hein war seit den Anfängen Wegbegleiter des Arsenal und des Berlinale Forum. Während des 4. Internationalen Forum des Jungen Films im Jahre 1974 sprach er in einer Diskussion im Delphi-Kino über die weitreichenden Potenziale des Experimentalfilms und die Schwierigkeiten, ihm einen Platz in der institutionalisierten Filmlandschaft zu verleihen. Die offene, unabgeschlossene Form war ihm bis zum Schluss ein besonderes Anliegen: Sein jüngstes einhundertstündiges Filmepos, „das Große und das Kleine Tohuwabohu“, das das Arsenal im September in Auszügen vorstellte, ist nach seinen Worten „der erneute Versuch, zu zeigen, wozu das subversive Avantgarde-Kino fähig ist.“ Das Versprechen, das er dazu gab: „GARANTIE FÜRS PUBLIKUM: NOT ANOTHER BORING AVANTGARDE SCHROTT.“ Bereits 2007 erschien das in jahrelanger Arbeit auf 16mm gedrehte Werk “You killed the Undergroundfilm or The Real Meaning of Kunst bleibt... bleibt....”. Eigenes Filmmaterial, Found Footage und musikalische Versatzstücke, Portraits von Freunden wie Jack Smith, Otto Mühl und Nick Zedd, Zufallsbeobachtungen, Selbstbildnisse sowie abstrakte Strukturen verdichten sich darin zu einer 15-stündigen Collage der Obsessionen, zu der auch ein Buch erschienen ist.

Gemeinsam mit seiner ehemaligen Partnerin Birgit Hein (1942-2023), mit der er bis 1988 lebte und arbeitete, begann er bereits in den 1960er Jahren strukturelle Filme aus gefundenem Material herzustellen, darunter Rohfilm (1968) und die in den 1980er Jahren entstandene Serie der Kali-Filme. Nicht nur das Kino diente ihnen als Material, sie brachten auch ihre eigenen Körper und ihre Sexualität in die gemeinsamen Filme und Performances ein. 1968 gründeten sie das Undergroundkino X-Screen in einer Baustelle der Kölner U-Bahn. 1972 und 1977 nahmen sie an der Documenta teil.

Nach den gemeinsamen Filmen Love Stinks – Bilder des täglichen Wahnsinns (1982) und Verbotene Bilder (1985), die im Berlinale Forum zu sehen waren, präsentierte Hein 1995 in seinem Work-in Progress-Film To Those Who Found No Graves eine Spurensuche nach historischen Hinterlassenschaften des Holocaust im Forum. Im Forum Expanded präsentierte er 2007 gemeinsam mit John und Tim Blue die Materialfilm-Performance: Ein 35mm Cinemascope Expanded Cinema Event. Auch außerhalb der Berlinale tauchte seine Arbeit in verschiedenen Projekten am Arsenal auf, so in der von Marc Siegel kuratierten Reihe "Underground/Übersee: Von Jack Smith und Andy Warhol bis Zanzibar" (2007) und in dem von Susanne Sachsse, Marc Siegel und Stefanie Schulte Strathaus kuratierten Festival „LIVE FILM! JACK SMITH! Five Flaming Days in a Rented World“ (2009), dem er mit Berufung auf die institutionellen Strukturen, in die es eingebettet war, aber auch mit Blick auf das dargebotene Narrativ der Geschichte des Underground kritisch gegenüber stand. In einer Hommage zu Wilhelm Heins 85. Geburtstag schrieb Daniel Kothenschulte in der Frankfurter Rundschau: „Wie kaum ein zweiter Filmemacher hat er mit den Mitteln der Avantgarde eine persönliche Erzählung des 20. und 21. Jahrhunderts geschaffen.“

Die Künstlerische Leiterin des Arsenal – Institut für Film und Videokunst Stefanie Schulte Strathaus sagt zum Tod von Wilhelm Hein: „Das künstlerische Werk von Wilhelm Hein war wie seine Persönlichkeit geprägt von tiefer Überzeugung, klarem Blick und großer Leidenschaft. In seinen Filmen, Performances und Texten, in Veranstaltungen und Gesprächen hat er immer wieder die institutionellen Grenzen des Films und des Kinos herausgefordert. Er war damit eine unverzichtbare Inspiration, für das Arsenal, aber auch für die Film Community weltweit. Wir haben einen Freund und Mitstreiter verloren.“

Gefördert durch:

  • Logo des BKM (Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien)

Arsenal on Location wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds

Die internationalen Programme von Arsenal on Location sind eine Kooperation mit dem Goethe-Institut.