Hauptprogramm
Abstich
R: Joachim Tschirner, Burghard Drachsel, Deutschland 1997, 35mm, 97 min.
Der Regisseur kehrt mit diesem Film zu den Hochöfen der
Maxhütte in Thüringen zurück, deren Menschen und
Maschinen er seit Mitte der 80er Jahre im Blick hat. Abstich
ist nicht nur ein Abgesang auf die Gemeinsamkeit in der Arbeit,
sondern auch ein bitterer Kommentar zur Globalisierung, die sich
rücksichtslos gegen die menschliche Existenz richtet.
Bertolt Brecht - Liebe, Revolution und andere gefährliche
Sachen
R: Jutta Brückner, Deutschland 1998, 35mm, 95 min.
Jutta Brückners Film ist ein intelligenter Essay zum Geburtstag
des umstrittenen, gefeierten, widersprüchlichen, zerrissenen,
genialen deutschen Dichters. Die Regisseurin konzentriert sich auf die
Stationen von Brechts Exil - und auf dessen Verhältnis zu den
zahlreichen Frauen seines Lebens, die er sich unterwarf und deren
Schaffen er sich ohne Skrupel aneignete.
The Big One
R: Michael Moore, USA/Großbritannien 1997, 35mm, 94 min.
Michael Moore, dessen Polit-Satire Roger and Me im Forum 1990
Furore machte, unternimmt mit seinem jüngsten Film The Big One
eine Tour d'Horizon durch die Verheerungen liberaler
Wirtschaftspolitik in seinem Land. Als geborener Stand-up-Komiker
entdeckt Moore in der bitteren Wirklichkeit stets das Groteske und
zieht mit unerschütterlichem Optimismus gegen die Managerkultur
zu Felde.
Blue Fish
R: Yosuke Nakagawa, Japan 1996-98, 35mm, 60 min.
D: Mari Ouchi, Keigo Heshiki
Der Film spielt in Südjapan auf den Okinawa-Inseln. Yosuke
Nakagawa erzählt mit beeindruckender Schlichtheit die Geschichte
eines Mädchens aus einem Friseursalon. Die 18jährige Ryoko
wird aus der Ereignislosigkeit ihres Alltag gerissen, als der
24jährige Kazuya gegenüber ein Zimmer bezieht. Kazuya geht
nicht viel aus und erzählt wenig. Trotzdem kommen sich die beiden
langsam näher. Ryoko ahnt nicht, daß Kazuya einem
Drogenschmuggelring in Shanghai angehört.
Conceiving Ada (Leidenschaftliche Berechnung)
R: Lynn Hershman Leeson, USA/Deutschland/Frankreich 1997, 35mm, 85 min.
D: Tilda Swinton, Karen Black, Timothy Leary
Eine
historische Würdigung und zugleich Zukunftsmusik ist der
Spielfilm der Avantgardistin Lynn Hershman Leeson, in dem eine
Cyberspace-Künstlerin virtuellen Kontakt mit der Vergangenheit
aufnimmt. Die britische Schauspielerin Tilda Swinton spielt in diesem
faszinierenden Film- und Videoexperiment die Gräfin Ada Byron,
die bereits im Jahre 1843 erdachte, was heute als das erste
Computerprogramm der Geschichte gilt.
Dahan (Kreuzfeuer)
R: Rituparno Ghosh, Indien 1997, 35mm, 145 min.
D: Indrani Haldar, Suchitra Mitra, Ritaparna Sengupta,
Mamta Shankar, Aditi Chatterjee, Abhishek Chatterjee, Sanjeev Dasgupta
''Die Geschichte zweier Frauen, die im Netz der Scheinheiligkeit der
Mittelklasse gefangen sind'' (Rituparno Ghosh). Der Film zeigt die
verzweigten Folgen eines Straßenüberfalls, bei dem die
Schuldigen freigesprochen werden. Dahan gewährt
überraschende Einblicke in eine Gesellschaft, die zugleich
vertraut und exotisch wirkt.
Demain et encore demain (Morgen und wieder morgen)
R: Dominique Cabrera, Frankreich 1997, 35mm, 79 min.
Die Regisseurin beweist mit diesem Tagebuch-Film, wie sich mit
geringen Mitteln ein zugleich persönlicher und innovativer,
lebendiger Film realisieren läßt, der auch im Kino bestehen
kann. Ursprünglich wurde Demain et encore demain im
Hi8-Videoformat realisiert.
Divine carcasse (Himmlisches Wrack)
R: Dominique Loreau, Belgien/Bénin 1997, 35mm, 88 min.
D: Alphonse Atacolodjou, Szymon Zaleski, Fidèle
Gbegnon, Simonet Biokou
Die belgische Regisseurin Dominique Loreau entwickelt ihre Geschichte
in Divine Carcasse vor allem aus visuellen, szenischen
Einfällen: Ein altes Auto, von seinem weißen Besitzer
verehrt wie ein Kultgegenstand, wird vorübergehend entweiht, als
es in den Straßen von Cotonou in Bénin als Taxi dient,
und zum Schluß, zerlegt und mit dem Schweißbrenner
verwandelt, wieder kultischen Zwecken zugeführt.
Frogs for Snakes
R: Amos Poe, USA 1997, 35mm, 119 min.
D: Barbara Hershey, Robbie Coltrane, Harry Hamlin, John
Leguizamo, Debi Mazar, Lisa Marie
Amos Poes jüngster Film steckt voller Zitate und
Genre-Reflexionen. Virtuos überkreuzen sich Fiktionen von Theater
und Kino. Eva gehört einer New Yorker Theatertruppe an, die als
Deckmantel für schmutzige Geldgeschäfte dient. Im Gegensatz
zum Rest der Truppe hat Eva tatsächlich das Zeug zur
Schauspielerin und die vertrackte Lage genauso über wie ihren
Aushilfsjob als Bedienung in einem Diner. In dessen Besitzer findet
sie überraschend einen Soulmate
Four Corners
R: James Benning, USA 1997, 16mm, 80 min.
Amerikanischer Wirklichkeit spürt der renommierte Avantgardist
James Benning nach. Am Vier-Länder-Eck zwischen New Mexiko,
Arizona, Colorado und Utah ist sein Film Four Corners
angesiedelt, eine erstaunliche Synthese aus Bild- und Textelementen,
die sich in Schichten überlagern und durchdringen wie die in
ihnen verwahrten Gedanken zur Historie Amerikas in Geologie,
Ethnographie und Kunstgeschichte.
Grüningers Fall
R: Richard Dindo, Schweiz 1997, 35mm, 100 min.
Richard Dindo (Ernesto Che Guevara - Das bolivianische Tagebuch
, Forum 1997) widmet sich mit Grüningers Fall einem
aufrechten Menschen, der wider das Gesetz Verfolgten half und
dafür bestraft wurde. Sein Film setzt die gerechte
Gerichtsverhandlung in Szene, die der Schweizer Grenzbeamte Paul
Grüninger nie bekam. Der St. Galler Polizei-Hauptmann hatte vor
dem Krieg mehreren hundert österreichischen Juden das Leben
gerettet, die vor den Nazis in die Schweiz geflüchtet waren. Als
die Behörden davon erfuhren, wurde Grüninger suspendiert und
erst 55 Jahre später, im Herbst 1993, rehabilitiert - nach seinem
Tode.
Guo dao feng bi (Wölfe heulen unter dem Mond)
R: Ho Ping, Taiwan 1997, 35mm, 121 min.
D: Annie Shizuka Inoh, Chang Shih, Gu Bao-ming, To Tzong-hua
Der Regisseur erzählt in diesem Film von den nächtlichen
Abenteuern einiger Autofahrer, die durch die plötzliche
Schließung einer Autobahn in alle Richtungen versprengt
werden. Das hat eine phantastische, aber auch eine sozialkritische
Komponente und beschwört auf vielfältige Weise
gegenwärtiges taiwanesisches Lebensgefühl.
Hou Hsiao-Hsien Hua Hsiang (Porträt von Hou Hsiao-Hsien)
R: Olivier Assayas, Taiwan/Frankreich 1997, 35mm, 96 min.
Olivier Assayas' Film ist eine liebevolle Hommage auf den großen
Regisseur der taiwanesischen ''Neuen Welle'', die ihn an seinen
liebsten Orten und Drehplätzen zeigt und ihn nach der Motivation
und den Bedingungen seiner Arbeit befragt. ''Ich habe im Laufe der
Zeit viele asiatische Filmemacher kennengelernt, aber nichts hat mich
so berührt wie das Kino und die Persönlichkeit von Hou
Hsiao-Hsien. Vom ersten Film an, den ich von ihm gesehen habe, war ich
betroffen von der Wahrheit seiner Inspiration, von der
Authentizität seiner Bilder, die mich an das erinnern, was ich an
Maurice Pialat bewundere.''
Invierno mala vida (Winterland)
R: Gregorio Cramer, Argentinien/Frankreich 1997, 35mm, 84 min.
D: Ricardo Bartis, Miguel Guerberoff, Susana Szperling,
Gabriel Correa, Luis Ziembrosky, Maria Dolores Villaroel de Aguirre
Von einem skurrilen, den besonderen Lebensbedingungen des
Ortes abgewonnenen Humor, ist Gregorio Cramers Invierno mala vida
getragen, ein Erstlingsfilm, der in der rauhen, verlassenen Landschaft
Patagoniens spielt. Der halbherzig verfolgte Auftrag, ein goldenes Schaf
wiederzubeschaffen, das ihm abhanden kam, führt den Protagonisten des
Films auf immer absurdere Abwege. Wie seine Beziehung zu einer Frau, deren
Auto er stehlen wollte, scheitern alle seine Bemühungen schon im Versuch.
Das Jahr nach Dayton
R: Nikolaus Geyrhalter, Österreich 1997, 35mm, 204 min.
Das erste Friedensjahr in Bosnien: beobachtet wird diese
Zeitspanne anhand einiger Menschen sowohl in der bosnisch-kroatischen
Föderation als auch in der serbischen Republik. ''Wir versuchen keine
politischen Erklärungen über Ursache und Verlauf des Krieges zu
geben. Wichtig sind uns Einzelschicksale unabhängig von ihrer
Nationalität. Es geht um ein mögliches und in vielen Fällen
auch nicht mehr mögliches Miteinanderleben.''
Junk Food
R: Masashi Yamamoto, Japan 1997, 35mm, 84 min.
D: Miyuki Ijima, Yoshiyuki, Onimaru, MIA, Ali Ahmed
In einem exzentrischen Panorama der Außenseiter und
Verirrten im nächtlichen Tokio zeichnet Yamamotos jüngster Film
Junk Food in scharfen Konturen die explosive Stimmung in einer
Gesellschaft zwischen den Extremen von Globalisierung und Tradition.
Kasaba (Die Kleinstadt)
R: Nuri Bilge Ceylan, Türkei 1997, 35mm, 85 min.
D: M. Emin Toprak, Havva Saglam, Cihat Bütün,
Fatma Ceylan, M. Emin Ceylan
Ceylans Film gleicht einer schwarzweißen
Märchenerzählung: Aus der Sicht von Kindern wird die drei
Generationen umspannende Geschichte einer Familie geschildert, die in einer
abgelegenen türkischen Stadt lebt.
A Letter Without Words (Ein Brief ohne Worte)
R: Lisa Lewenz, USA 1997, 16mm, 64 min.
Ein filmisches Tagebuch von Lisa Lewenz und ihrer
jüdischen Großmutter, Ella Arnhold Lewenz, die bereits als junge
Frau begann, ihr Leben filmisch festzuhalten: Frühe Farbaufnahmen aus dem
Berlin der 20er und 30er Jahre, Bilder eines sorgenfreien Familienlebens,
erste Anzeichen der Nazi-Bewegung. Selbst nach 1933, als private Filmaufnahmen
von den Nazis längst verboten waren, wagte Ella Lewenz sich mit ihrer
Kamera auf die Straße. Ihre Aufnahmen beleuchten ein vieldokumentiertes
Stück Zeitgeschichte aus ungewohnter Perspektive.
Mes entretiens filmés (Meine gefilmten Gespräche)
R: Boris Lehman, Belgien 1997, 16mm, 125 min.
Der Belgier Boris Lehman gehört zu den großen
Einzelgängern des europäischen Kinos, die ungeachtet aller
Marktstrukturen, die für solche Filme eigentlich keinen Platz haben, ihre
Arbeit niemals aufgeben; mit der ihm eigenen Wärme und Ironie zeigt er
sich selbst und die Arbeit an seinen Filmen in Mes entretiens filmés
.
Milk
R: Edgar Honetschläger, Österreich/Japan 1997,
35mm, 102 min.
D: Serge Pinkus, Sherri Weiner, Kudo Yukika, Oshio Hideki
Mythos Tokio. Die modernste aber gleichzeitig auch
dörflichste Mega-Metropole der Welt bietet den pittoresken Schauplatz
für ein subtiles Porträt von vier jungen Großstadtnomaden.
Milk steht für die Verwestlichung Japans, denn es waren die
Europäer, die die ersten Kühe und damit Milchprodukte auf die
japanischen Inseln brachten. Der österreichische
Performance-Künstler Edgar Honetschläger war mit einer
fotografischen Installation Gast der vergangenen Documenta; mit seinem ersten
Spielfilm Milk erforscht der in Japan lebende Künstler auf
humorvolle Weise seine Faszination für die japanische Kultur.
Münchner Freiheit
R: Harald Rumpf, Deutschland 1997, 16mm, 96 min.
Über einen Zeitraum von zwölf Jahren hat der
Münchner Dokumentarist Harald Rumpf sechs obdachlose Menschen beobachtet:
ein Film über das Älterwerden auf der Straße, eine
Liebesbeziehung, Freundschaften und Zweckbündnisse, verqueren Humor und,
trotz aller Unbill, einen ungeheuren Lebenswillen. ''Die filmische
Vorgehensweise entspricht dem Direct Cinema, das heißt, ich war
in ihrem Alltag anwesend und versuchte, so wenig wie möglich zu
stören, um die direkte, unmittelbare Anschauung zu bekommen.''
Na-Pun-Young-Hwa (Timeless Bottomless Bad Movie)
R: Jang Sun-Woo, Korea 1997, 35mm, 144 min.
Jang Sun-Woos Film sprengt alle Konventionen des
erzählenden Kinos, indem er Dokumentarisches und Fiktionales miteinander
vermischt und Jugendliche, Punks und Obdachlose sich selber spielen läßt.
Nachrichten aus dem Untergrund
R: Andreas Hoessli, Schweiz 1997, 16mm, 60 min.
An den Holocaust gemahnt Andreas Hoesslis neuester Film
Nachrichten aus dem Untergrund, in dem er noch einmal
diejenigen zu Wort kommen läßt, die vergeblich versuchten,
die Weltöffentlichkeit zu unterrichten und die Vernichtung
anzuhalten; es ist ein karges und um so eindrucksvolleres
Dokument. ''Vom Wissen, von der Kraft zur Vorstellung, und davon, wie
ein Wissen zu vermitteln ist, handelt der Film.''
Nahja no mura (Nadjas Dorf / Nadya's Village)
R: Seiichi Motohashi, Japan 1997, 35mm, 118 min.
Ein Dokumentarbericht über die Bewohner eines Dorfes in
der Nähe von Tschernobyl, die sich weigern, der verordneten Umsiedlung
nachzukommen. Die Kamera des Films hält ein genaues Gleichgewicht
zwischen distanzierter, aber genauer Beobachtung und Identifikation mit dem
Schicksal der Personen.
Nazn moksori 2 (Leise Stimmen 2 / Habitual Sadness)
R: Byun Young-Joo, Korea 1997, 35mm, 71 min.
Byun Young-Joo setzt sich in diesem Film wie schon in Nazn
moksori (The Murmuring) mit dem Schicksal der ''Comfort Women''
auseinander, die während der japanischen Besatzung Koreas zur
Prostitution gezwungen worden waren. Die Filme der jungen Regisseurin
gehören zur sozial engagierten Seite des koreanischen Kinos. Es
sind Filme besonderer Einfühlung in das Schicksal dieser Frauen,
aber sie sind auch angefüllt von gerechtem Zorn.
Ola ine dromos (Es ist ein langer Weg)
R: Pantelis Voulgaris, Griechenland 1998, 35mm, 118 min.
D: Thanassis Vengos, Giorgos Armenis, Dimitris Katalifos
Pantelis Voulgaris, einer der renommiertesten Regisseure des
neuen griechischen Kinos, erzählt hier die Lebensgeschichten von drei
Personen, die sich auf einen Wendepunkt ihres Lebens zubewegen.
A Place Called Chiapas
R: Nettie Wild, Kanada 1998, 35mm, 90 min.
Die Kanadierin Nettie Wild konnte in ihrem Film mit der Kamera
Einfluß auf die Wirklichkeit nehmen und ein Indio-Dorf wenigstens
zeitweise vor Paramilitärs und staatlicher Gewalt bewahren. ''Eigentlich
wollte ich einen Film über das Wiederaufleben der Zapatisten-Bewegung und
die charismatische Figur ihres militärischen Führers, den
Guerilla-Poeten Subcomandante Marcos, machen. Daraus wurde ein Film über
einen schwelenden Kriegsherd, der von der Revolution beinahe vergessen wurde.
Der Film spiegelt die Reise wieder, die wir gemacht haben. Mit all den
Illusionen, die wir hatten, und der anschließenden Desillusionierung.''
Radio no jikan (Radio-Zeit / Welcome back, Mr. McDonald)
R: Koki Mitani, Japan 1997, 35mm, 103 min.
D: Toshiaki Karasawa, Kyoka Suzuki, Masahiko Nishimura
In einem Rundfunk-Studio wird zu nächtlicher Stunde ein
Drama inszeniert, bei dem alles durcheinandergeht. Das ergibt eine
funkensprühende Satire auf die Kulturindustrie und auf die zwanghafte
Verwestlichung aller japanischer Strukturen. Ein einsam durch die Nacht
fahrender LKW-Fahrer begeistert sich gleichwohl für das aus den Fugen
geratene Radio-Drama. Koki Mitanis Film ist eine Komödie von bizarrem
Humor und extremem Tempo.
Sergej Eisenstein. Mexikanskaja Fantasija (Sergej
Eisenstein. Mexikanische Phantasie)
R: Oleg Kowalow, Rußland 1998, 35mm, 100 min.
Nicht zuletzt der 100. Geburtstag des großen Meisters
ist Anlaß für diesen Versuch einer Rekonstruktion des nicht
vollendeten Mexiko-Films von Sergej Eisenstein.
Shalosh ayahot (Drei Schwestern)
R: Tsipi Reibenbach, Israel 1998, 16mm, 67 min.
Die israelische Regisseurin Tsipi Reibenbach hat in Shalosh Ayahot
das Leben ihrer Mutter und deren Schwestern dokumentiert. Das Altwerden
fällt diesen Frauen um so schwerer, als sie nie eine Jugend hatten: Sie
wurde ihnen in den Lagern der Nazis geraubt.
Shivrei Tmunot Yerushalaïm (Fragments * Jerusalem)
R: Ron Havilio, Israel 1997, 16mm, 358 min.
Mit sechs Stunden Dauer, sieben Kapiteln, einer
Entstehungszeit von mehr als zehn Jahren präsentiert Ron Havilios
Shivrei Tmunot Yerushalaïm eine unvergleichliche Fülle von
historischem Bildmaterial. Die Geschichte der Stadt Jerusalem und die
wechselvolle Familiengeschichte des Regisseurs verknüpfen sich hier zu
einem exemplarischen Essay über die Antriebskräfte der Zivilisation.
Spark
R: Garrett Williams, USA 1997, 35mm, 102 min.
D: Terrence Howard, Nicole Ari Parker, Brendan Sexton III
Ein Kommentar zur latenten Gewalt in der amerikanischen
Gesellschaft ist Garrett Williams erster Spielfilm Spark, in dem ein
afroamerikanisches Paar aus Chicago durch eine Autopanne gezwungen ist,
mehrere Tage in der vermeintlich feindseligen Umgebung eines abgelegenen
Wüstennests auszuhalten.
Thirteen
R: David Williams, USA 1997, 16mm, 87 min.
D: Wilhamenia Dickens, Lillian Folley, Dan Semm
Nina beschließt an ihrem 13. Geburtstag, davonzulaufen.
Das Mädchens will weit weg, zu einem entfernt gelegenen Berg. Dazu
braucht sie ein Auto. Sie setzt sich in den Kopf, das Geld dafür zu
verdienen. Mit dem Charme und dem Selbstbewußtsein, wie sie nur ein
Teenager besitzt, versucht sie sich als Immobilienmaklerin,
Computer-Graphik-Designerin und als Model. Doch zunächst heißt es
Rasenmähen, Babysitten und Hunde ausführen. Die sensibel und
bewußt unspektakulär erzählte Geschichte einer
Dreizehnjährigen, die im Staat Virginia allein bei ihrer Mutter
aufwächst, besitzt durch ihren verhaltenen Naturalismus an der Grenze
zwischen Dokument und Fiktion eine seltene Schönheit.
Tigerstreifenbaby wartet auf Tarzan
R: Rudolf Thome, Deutschland 1997, 35mm, 118 min.
D: Herbert Fritsch, Cora Frost, Valeska Hanel, Irm Hermann,
Rüdiger Vogler
Rudolf Thomes vergnüglicher Spielfilm stellt die Frage:
Was hindert uns daran, unser Glück in die eigene Hand zu nehmen? Eine
Kunstfigur, ein mysteriöser Gast aus der Zukunft, motiviert in Thomes
spannendem, in der Konzeption an manche frühen Arbeiten erinnerndem Werk
eine Handvoll Erdenmenschen, ihre Erfüllung zu suchen.
To Sang Fotostudio
R: Johan van der Keuken, Niederlande 1997, 16mm, 33 min.
Leven met je ogen (Leben mit deinen Augen)
R: Ramon Gieling, Niederlande 1997, 16mm, 55 min.
Um Kino, Film und Fotografie geht es in dem interessanten
Film-Doppel To Sang Fotostudio und Leven met je ogen, von Johan
van der Keuken und Ramon Gieling. Der erste Film befaßt sich mit
Fotografie, der zweite zeigt die Herstellung des ersten, und man sieht oft
zwei Kameras hintereinander in einem seltsamen choreographischen Doppelspiel.
Tokyo yakyoku (Tokyo Lullaby)
R: Jun Ichikawa, Japan 1997, 35mm, 85 min.
D: Kyozo Nagatsuka, Mitsuko Baisho, Takaya Kamikawa
Schauplatz ist ein kleines Restaurant, dessen Alltag der Film
in wunderschönen, kristallklaren und stilisierten Bildern einfängt.
Koichi Hamanaka, der für einige Jahre als spurlos verschwunden galt,
kehrt plötzlich nach Tokio in sein altes Viertel zurück. Das
löst nicht nur Freude in der Nachbarschaft aus
Die Gangart des Films
ist Ruhe und Gemessenheit, der Zuschauer kann über die Personen
nachdenken und sein eigenes Verhältnis zu ihnen entwickeln.
Wang Hsiang (Homesick Eyes)
R: Hsu Hsiao-ming, Taiwan 1997, 35mm, 87 min.
Der Regisseur untersucht mit scharfem Kamera-Auge die Lage
ausländischer Arbeiter in Taiwan. Es geht besonders um Thailänder
und um philippinische Frauen; der Film entwickelt eine Reihe bewegender
Porträts und zeigt Strategien des Überlebens fern der Heimat.
War Zone
R: Maggie Hadleigh-West, USA/Deutschland 1998, 16mm, 75 min.
Mit der Kamera bewaffnet streift Maggie Hadleigh-West in ihrem
provokanten Dokumentarfilm War Zone durch Amerikas
Großstädte; titelgebend ist hier der Geschlechterkrieg, die
Filmemacherin reagiert auf männliche Anmache und Herabwürdigung, und
vor der Kamera läßt mancher Gockel Federn.
W toj stranje (In jenem Land)
R: Lidija Bobrowa, Russland 1997, 35mm, 85 min.
D: Dimitri Klopow, Wladimir Borchaninow, Anna Owsiannikowa,
Alexander Stakheew
Eine selbstbewußte Position zeigt das neue russische
Kino mit Lidia Bobrowas W toj stranje, einem Film, der auf dem Dorfe
spielt und stilistisch in die Schukschin-Tradition gehört. Seine drei
Protagonisten verkörpern verschiedene Eigenarten des russischen Temperaments.
Xiao Wu
R: Jia Zhang Ke, Hongkong/China 1997, 16mm, 108 min.
D: Wang Hong Wei, Hao Hong Jian, Zu Bai Tao
Der Regisseur Jia Zhang Ke zeigt, wie man in China
unabhängiges Kino abseits der etablierten Studios machen kann.
Erzählt wird die Geschichte zweier Freunde in einer kleinen Provinzstadt.
Während der eine zum erfolgreichen ''Businessman'' aufsteigt, bleibt der
andere ein Taschendieb. Der Film, mit Laiendarstellern für ein kleines
Budget gedreht, wirft einen erfrischenden Blick auf die heutigen
Realitäten in China.