Mit sechs Welturaufführungen
deutscher Spiel- und Dokumentarfilme setzt das Internationale Forums des
Jungen Films 1999 bewußt einen Schwerpunkt. Die ausgewählten
Arbeiten zeigen, daß im deutschen Film jenseits von Lustspielen und
marktgerechter Massenware auch weiterhin experimentierfreudige, engagierte
und persönliche Werke entstehen.
Mit einer beeindruckenden
formalen Strenge und Geschlossenheit, die bisweilen an Robert Bresson erinnert,
porträtiert der Berliner Regisseur Thomas Arslan in seinem dritten
langen Spielfilm DEALER einen jungen Türken, dessen Versuche,
aus der Drogenszene von Berlin-Schöneberg auszubrechen und sein persönliches
Glück zu finden, zum Scheitern verurteilt sind. Der Schauplatz Berlin
steht auch im Mittelpunkt des experimentellen Spielfilms.
KILLER.BERLIN.DOC von
Bettina Ellerkamp und Jörg Heitmann, in dem sich junge Bewohner der
künftigen Hauptstadt auf ein mysteriöses "Mörderspiel" einlassen,
um Alltagstrott und Lebensekel zu begegnen.
Der Filmregisseur Didi Danquart
hat das Theaterstück VIEHJUD LEVI des früh verstorbenen
Dramatikers Thomas Strittmatter verfilmt. Die allegorische Schilderung
des aufkeimenden Nationalsozialismus in einem Schwarzwalddorf, aus dem
Ignoranz, Opportunismus und Feigheit den vormals wohlgelittenen Viehhändler
Levi vertreiben, ist mit Darstellern wie Martina Gedeck, Ulrich Noethen
und Eva Mattes hochkarätig besetzt.
Der renommierte Dokumentarist
Volker Koepp hat sich mit seinem jüngsten Werk HERR ZWILLING UND
FRAU ZUCKERMANN nach Galizien begeben, in die Stadt Czernowitz in der
heutigen Ukraine, die vor dem Holocaust Zentrum jüdischen Lebens war.
Der zweieinhalbstündige Film geht den Überresten jüdischer
Kultur nach, fragt nach ihrer Zukunft, und porträtiert zugleich Menschen,
die den Verfolgungen getrotzt und ihre bewundernswerte Eigenheit bewahrt
haben.
SZENEN AUS DEM ABENDLAND
hat Viola Stephan das Porträt ihrer Freundinnen genannt, die, "Überwiegend
erfolgreich, unabhÄngig, schön", ihren Berufen nachgehen, sich
für die Kinder aufopfern, den persönlichen Luxus pflegen, den
Ennui bekämpfen. Der Film spiegelt, mit den Worten der Regisseurin,
"das schillernde Resultat von 30 Jahren Befreiung (sexuell, gesellschaftlich
etc.), Selbstverwirklichung, Eigenverantwortung und Berufstätigkeit."
37 Jahre währt nunmehr
die Langzeitbeobachtung der "Kinder von Golzow", die Barbara und Wilfried
Junge auch nach dem Ende der DEFA weiterführen. BRIGITTE UND MARCEL
- GOLZOWER LEBENSWEGE ist eines der traurigsten und vielleicht auch
bewegendsten Kapitel dieser Chronik, denn Brigitte, die "lustige Dicke
mit den blonden Zöpfen" starb 1984 mit 29 Jahren an einer Herzschwäche.
Der Film dokumentiert auch das Erwachsenwerden ihres Sohnes Marcel, der,
im Sozialismus aufgewachsen, 1991 als Rekrut den Eid auf die Bundesrepublik
Deutschland leistet.
8. Januar 1999
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