(Carlota Joaquina, Prinzessin von Brasilien) Brasilien 1995 Regie: Carla Camurati |
100 min., 35mm, 1:1.66, Farbe
Produktion: Elimar Produções Artísticas, Carla Camurati, Bianca de Felippes. Buch: Carla Camurati, Melanie Dimantas. Kamera: Breno Silveira. Musik: André Abujamra, Armando Souza. Ausstattung: Emilia Duncan, Tadeu Burgos. Schnitt: Marta Luz, Cézar Migliorim. Ton: Aloísio Compasso. Darsteller: Marieta Severo (Carlota), Marco Nanini (D. João), Maria Fernanda, Ludmila Dayer, Brent Hieatt, Marcos Palmeira, Eliana Fonseca, Norton Nascimento, Beth Goulart, Aldo Leite, Antonio Abujamra, Bel Kutner. Uraufführung: 17. Januar 1995, Rio de Janeiro. Weltvertrieb: Elimar Produções Artísticas. Nina Rodrigues 49/ 102, 22.461-100 Rio de Janeiro/ Brasilien. Tel.: (5521) 537 03 30. Fax: 259 09 61. |
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Fr 21.02. 11:00 Delphi So 23.02. 18:30 Kino 7 im Zoo Palast |
Portugal 1808. Der portugiesische Hof wird vom Heer Napoleons und dem Expansionsbestreben der englischen Krone bedroht. Nachdem Don João das Landesvermögen verschleudert und seinen gesamten Hofstaat auf einige Karavellen verfrachtet hat, überquert er den Atlantik und gelangt nach Brasilien. Die königliche Familie reagiert bestürzt auf die Verschiedenheit der Rassen, die ohne Vorurteile südlich des Äquators zusammenlebt, und es fällt ihr schwer, die Autorität des europäischen Königtums in den neuen Besitztümern durchzusetzen. In diesem Ambiente wachsen die Erben der Dynastie Bragança heran. Don João führt sich wie ein Monarch auf. Dona Carlota erlebt, trotz ihrer Rassenvorurteile, eine glühende Romanze mit einem jungen Schwarzen und bekommt einen Nachkommen nach dem andern.
Jahre später kehrt Don João mit seinem inzwischen verdoppelten Besitz nach Portugal zurück.
Wenn Monty Python versucht hätte, die brasilianische Geschichte des 18. Jahrhunderts nachzuerzählen, wäre der Film CARLOTA JOAQUINA, PRINCESS OF BRAZIL entstanden. Diese surreale historische Komödie, in der Art eines Märchens erzählt, widersetzt sich im Grunde jeder Kategorisierung; in Brasilien gehört er zu den erfolgreichsten Kinofilmen. Selbst wenn dieser Film für das große internationale Publikum zu abseitig ist, könnte bei behutsamem Vorgehen auch im Ausland der Funke überspringen. Festival-Besucher mit Freude am Experiment werden bestimmt begeistert sein.
Regisseurin, Co-Produzentin und Co-Drehbuchautorin des Films ist die junge brasilianische Schauspielerin Carla Camurati. Die Rahmenhandlung liefert ein bizarrer Erzähler, ein junger Mann im Schottenrock, der - auf einem Felsvorsprung in Schottland sitzend - der zehnjährigen Yolanda eine Geschichte über Prinzessinnen erzählt. Der erste Eindruck, daß es sich bei diesem Film um einen Kinderfilm handelt, hält sich lange, ist aber trotzdem falsch, wie einige lustvolle Sex-Szenen später im Film beweisen.
In Wahrheit ist dieser Film eine scharfsinnige, ironische Geschichtslektion für Erwachsene. Mit unterhaltsamer Exzentrik wird hier die traurige Wahrheit über die Königsfamilie verbreitet, die das Fundament für ein modernes Brasilien legte. (...)
1808 marschiert Napoleon in Portugal ein und schlägt die Königsfamilie mitsamt dem königlichen Schatz in die Flucht über den Atlantik. Ihre verschreckten Untergebenen müssen zusehen, wie sie zurechtkommen. Nach drei grauenvollen Monaten auf See erreicht die Königsfamilie ihre reiche südamerikanische Kolonie. Mit anmaßender Arroganz gegenüber den Eingeborenen hält Don João von nun an Hof in Rio de Janeiro. Carlota, mittlerweile eine Frau mit Damenbart und Hinkefuß, setzt ihre wilden Affären auch in tropischer Umgebung fort. Don João seinerseits läßt die Liebhaber seiner Frau von der Bildfläche verschwinden, indem er ihnen Besitztümer zuweist, die sich in entlegenen Ecken des Landes befinden.
Obwohl Carlota unerträglich rassistisch denkt, verliebt sie sich in einen umwerfenden Schwarzen, Fernando Leão. Don João spannt ihr auch diesen Mann aus und ernennt ihn zum Präsidenten der Brasilianischen Bank. Verzweifelt erschießt Carlota daraufhin Fernandos Ehefrau.
Auch Carlotas Traum, Königin des Amazonas zu werden, scheint sich in Luft aufzulösen, da ihr Mann Angst hat, ihr zuviel Macht zu übergeben. Als das Königspaar endlich nach Portugal zurückfährt, erklärt Carlotas Sohn Pedro das Land für unabhängig und wird zum ersten Herrscher Brasiliens. (...)
Obwohl es keine wirklichen Helden und Heldinnen in dieser derben Chronik von Macht und Meuchelei gibt, schimmert - trotz ihres lächerlichen Verhaltens und ihrer zügellosen Leidenschaften - dennoch ein wenig Grandeur der ersten Herrscher Brasiliens durch.
Perfekt abgestimmt mit dem sarkastischen Erzählstil des Films ist Severos Darstellung der Joaquina als grausame, dominante Carlota, die auf wundersame Weise das Mitgefühl der Zuschauer für sich verbuchen kann. Nanini und die restlichen Schauspieler spielen in ihrem Schatten. Die stilisierten Aufnahmen, Requisiten und Kostüme allein sind bereits einen Lacher wert. Deborah Young, in: Variety, New York, 20.5.1995
Carla Camurati war seit 1982 als Schauspielerin in zahlreichen Film-, Theater- und Fernseh-Rollen zu sehen, u.a. in Pagu von Norma Bengell (1987) und Lamarca von Sérgio Rezende (1993). 1988 entstanden ihre ersten Kurzfilme. CARLOTA JOAQUINA ist ihr erster abendfüllender Spielfilm.
1988: A Mulher Fatal Encontra o Homem Ideal (Kurzfilm). 1990: Bastidores (Kurzfilm). 1995: Carlota Joaquina, Princesa do Brazil.
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