USA / Deutschland 1996 Regie: Percy Adlon |
74 min., Video, Farbe
Produktion: Pelemele FILM/LEORA FILMS Production (über Futura/Filmverlag) mit BR Fernsehen, Benigna von Keyserlingk, SFB, ORF und ARTE. Buch: Percy Adlon. Kamera: Judy Irola, ASC. Ausstattung: Anina Diener, Nanci Roberts. Kostüme: Maria Schicker. Musik: Salon Orchester Berlin, Tailed Comedians, Madeleine Lienhard. Schnitt: Ila von Hasperg. Herstellungsleitung: Jamie Beardsley. Produzent: Eleonore Adlon. Ausführende Produzentin, Redaktion: Benigna von Keyserlingk. Darsteller: Felix Adlon (Louis Adlon jr.), Eva Mattes (Pola Negri). Uraufführung: 1. Januar 1997, Arte. Weltvertrieb: Futura Film Weltvertrieb im Filmverlag GmbH, Rambergstr. 5, D-80799 München, Tel. (49-89) 381 70030, Fax: (49-89) 381 70020. |
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Fr 21.02. 17:30 Arsenal |
Doch als er in Berlin ankommt, ist das Hotel abgebrannt. Russische Soldaten haben es in den ersten Tagen nach Kriegsende in Brand gesetzt. Der Schock geht tief. Als der junge Mann seine Fassung wiederfindet, beginnen die Erinnerungen aus seiner Kindheit und Jugend auf ihn einzustürmen. Er nistet sich in einem Personalraum im stehengebliebenen Nebentrakt an der Wilhelmstraße ein und beginnt zu schreiben...
Ein Tanztee, eine Liebesaffäre, ein Austernessen; Familiengeschichte, Scheidung, Schulden, Skandal. Vieles zum Greifen nah, vieles verblichen, nur noch auf Photos festgehalten, in stummem Filmmaterial, in Erzählungen eines alten Kellners, einer Telefonistin: Gäste - Richard Tauber, Josefine Baker, Thomas Mann, Charlie Chaplin, Marlene Dietrich. Hautnah sieht er seinen Großvater, der zur Audienz zu Wilhelm II. geht, um diesen davon zu überzeugen, daß Berlin ein Welthotel haben muß; dann die hilflos stolpernden Lackschuhe seines Vaters, von dem er sich nicht mehr verabschieden konnte.
Die Räume des Hotels mit ihren Marmorsäulen, poliertem Messing, Mahagoni, Seide, weiten Durchblicken, freskengeschmückten, gewölbten Decken haben in seiner Erinnerung eine zarte Farbigkeit: Sie sind von einer schwebenden Eleganz und eigentlich schon vergangen.
Louis Adlon jr. starb kurz nach seiner Rückkehr nach Los Angeles an gebrochenem Herzen. Er war neununddreißig Jahre alt. Er liegt auf dem Hollywood Cemetery zwischen seinen Freunden aus der Welt des Films.
Im Frühjahr 1997 wird in Berlin ein neuerbautes Hotel Adlon am Pariser Platz in der Nähe des Brandenburger Tors, also an derselben Stelle, an der das weltberühmte Hotel meines Urgroßvaters und Großvaters stand, eröffnet werden. Sicherlich ein internationales, von allen Medien stark beachtetes Ereignis.
Aus diesem Anlaß hat mich meine langjährige Redakteurin Benigna von Keyserlingk vom Bayerischen Fernsehen, die meinen ersten Spielfilm Célèste und einige andere meiner Filme betreut hat, zu einer Filmerzählung zum Thema Hotel Adlon angeregt, also zu einer Arbeit mehr oder weniger über meine eigene Familie. Ob das wohl gutgehen könne, wurde Benigna bei ihrer Programmsitzung gefragt. "Ist er nicht zu nah dran?" Auch ich stellte ihr diese Frage immer wieder. Sie aber blieb dabei, daß sie das von mir wolle.
Ich habe eine Mischform aus Spiel- und Dokumentarfilm gewählt, bei der mein Sohn Felix die - stumme - Hauptrolle, nämlich seinen Großonkel Louis Adlon jr. spielt. Das Authentische, das bei meinen Filmen eine wichtige Rolle spielt, konnte ich so am besten bedienen. Und ich glaube, nachdem ich nun alles auf Film habe, daß sich diese Entscheidung gelohnt hat.
Für die Erinnerungen der Augenzeugen habe ich mich vor allem auf die früheren Angestellten konzentriert. Das hat sicher auch seinen Grund darin, daß Louis, die Hauptperson, als Kind vor allem mit Angestellten und nicht mit Gästen zu tun hatte. Auch wollte ich die Erinnerung an berühmte Gäste lieber mit ihren damaligen Gesichtern verbunden sehen.
Es ist viel Musik im Film. Musik hat im Adlon immer eine große Rolle gespielt. Es hat ständig Auftritte der beliebtesten Orchester und Solisten gegeben.
Eine Besonderheit sind die Aussagen von Louis' Zwillingsbruder Carl Adlon, der, heute achtundachtzig Jahre alt, in den USA lebt.
Eine Hotelgeschichte? Auch. Die Tragödie eines Menschen? Auch. Zeithistorie? Auch. Wenn es eine Fernseh-Dokumentation in Kinoqualität gibt, dann hat Percy Adlon sie geschaffen. (...)
So elegant jenes Hotel war, so elegant ist Adlons Film. Die Facetten jener Welt und Scheinwelt treten leichtfüßig und unaufdringlich hervor, die Photos, das stumme Filmmaterial, die Erzählungen der Gäste und Angestellten fügen sich harmonisch mit Spielszenen aus Hotel-Historie und Adlons Biographie. Leuchtend, vielleicht zu leuchtend ist die "glanzvolle Welt des Hotel Adlon" ausgemalt. (...) (Joachim Huber, in: Der Tagesspiegel, Berlin, 2. Januar 1997)
Percy Adlon wurde am 1. Juni 1935 in München geboren. Er studierte Kunstgeschichte, Germanistik und Theaterwissenschaft, machte sein Schauspieldiplom und spielte drei Jahre lang in festen Engagements. 1961 wurde Percy Adlon ständiger freier Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks als Bearbeiter und Sprecher literarischer Sendereihen. Ab 1970 drehte er erste Reportagen und Dokumentarfilme für das Bayerische Fernsehen. 1973 gelang ihm mit dem Fernsehporträt Tomi Ungerers Landleben sein erster großer Erfolg.
1970-1984: 150 Dokumentarfilme für das Deutsche Fernsehen. 1978: Der Vormund und sein Dichter (TV). 1979: Herr Kischott (TV). 1981: Célèste (erster Spielfilm). 1982: Fünf letzte Tage. 1983: Die Schaukel. 1984: Zuckerbaby. 1985: Herschel und die Musik der Sterne (TV). 1987: Out of Rosenheim/Bagdad Cafe. 1989: Rosalie goes shopping. 1991: Salmonberries. 1993: Younger & younger. 1996: IN DER GLANZVOLLEN WELT DES HOTEL ADLON.
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