USA / Frankreich 1996 Regie: Robert Altman |
72 min., 35mm, 1:1.85, Farbe, engl. OV
Produktion: Sandcastle 5 Productions, Inc., CIBY Pictures, Inc., London. Kamera: Oliver Stapleton. Ausstattung: Richard Johnson. Schnitt: Brent Carpenter, Dylan Tichenor. Musik-Produzent: Hal Willner. Musik-Supervisor: Sue Jacobs. Musik-Coproduzent: Steven Bernstein. Dirigent: Butch Morris. Toningenieur: Eric Liljestrand. Mit: Jesse Davis, David 'Fathead' Newman (Alt-Saxophon), Ron Carter, Christian McBride, Tyrone Clarke (Baß), Don Byron (Klarinette, Bariton-Saxophon), Russell Malone, Mark Whitfield (Gitarre), Victor Lewis (Percussion), Geri Allen, Cyrus Chestnut (Klavier), James Carter, Craig Handy, David Murray, Joshua Redman (Tenor-Saxophone), Curtis Fowlkes, Clark Gayton (Posaune), Olu Dara, Nicholas Payton, James Zollar (Trompete), Kevin Mahogany (Gesang), Harry Belafonte (Erzähler). Uraufführung: Juli 1996, TV-Festival, Montreux. Weltvertrieb: CIBY Sales, 10 Stephen Mews, London W1 P 1PP, Tel.: (44-171) 336 4664, Fax: (44-171) 333 8878. |
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Do 20.02. 00:15 Delphi Mo 24.02. 22:45 Arsenal |
Die Musiksessions wurden mit drei 35mm-Kameras gleichzeitig in der Ausstattung von Kansas City aufgenommen, die die Stadt um 1934 darstellt. Viele dieser Sessions finden sich - gekürzt - in dem Film Kansas City wieder; in JAZZ '34 aber sind sie in voller Länge zu sehen und zu hören. Zu den Höhepunkten des Films gehört ein Ausschnitt der legendären 'cutting session' mit Lester Young und Coleman Hawkins, bei der auch der vierzehnjährige Charlie Parker, der aus Kansas City stammt, mit dabei ist. Altmans Musiker arbeiteten während einer dreiwöchigen Jam-Session im 'Hey-Hey-Club', dem Hauptschauplatz des Jazz in diesem Film, miteinander - eine Konstellation, die als das Jazz-Ereignis der Dekade bezeichnet wurde.
Zu den Mitwirkenden gehören unter anderem Joshua Redman, Ron Carter, Cyrus Chestnut, Christian McBride, James Carter, Don Byron, Mark Whitfield, Nicholas Payton und Craig Handy; außerdem David Murray, Jesse Davis, David 'Fathead' Newman, Olu Dara, James Zollar, Curtis Fowlkes, Clark Gayton, Victor Lewis, Geri Allen, Tyrone Clarke, Russell Malone und der Sänger Kevin Mahogany.
Die zweiundsiebzigminütige Fassung präsentiert fünfzehn Musiknummern. Harry Belafonte spricht den Kommentar, und zusätzlich läßt Altman in wiederholten Einschüben Einwohner und Musiker aus Kansas City von ihren Erinnerungen an jene Zeit berichten.
In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts war Kansas City Mittelpunkt wirtschaftlicher Aktivitäten für einen großen Teil Amerikas und Treffpunkt für die besten Musiker, die durch Texas, Oklahoma, Nebraska, Kansas und Missouri reisten.
Für die frühen New-Orleans-Jazz-Giganten wie Louis Armstrong, King Oliver und Sidney Bechet, die 1917 in der Hoffnung auf bessere Möglichkeiten nach Chicago zogen, gehörte Kansas City nicht zu den erfolgversprechenden Anlaufstellen. Außerdem war es den Einflüssen der New Yorker Verleger und Plattenfirmen entzogen, die das Musikgeschäft beherrschten. Der Jazz in Kansas City war also von Anfang an eine unabhängige Bewegung; seine eigentliche Basis waren die Afro-Amerikaner von Kansas City, die in den dreißiger Jahren zehn bis fünfzehn Prozent der Bevölkerung, d.h. etwa 500.000 Einwohner, ausmachten. Für schwarze Amerikaner in den Städten der zwanziger und dreißiger Jahre waren Jazz und Blues kein Luxus, sondern eine kulturelle Notwendigkeit, und die Männer, die diese Musik machten, waren ihre eigenen Leute.
In dieser Situation tauchte ein Mann auf, der ganz unerwartet zum Förderer der Jazz-Szene wurde, obwohl er selbst kaum je Musik hörte. 'Boss' Tom Pendergast herrschte zwischen 1926 und 1936 in Kansas City - sowohl in der Politik als auch im Gangstermilieu, das von John Lazia angeführt wurde. Obwohl er nie nach neun Uhr abends schlafen ging, sorgte Pendergast dafür, daß Kansas City nicht zur Ruhe kam. Die Stadt war voll von Dancehalls, Nachtclubs, Honkey-tonks und Bars. Die Gangster, die die Clubs und Bordelle führten, respektierten den Jazz, weil sie die Anziehungskraft erkannt hatten, die er auf die Gäste ausübte. In den besten Zeiten gab es zwischen fünfzig und hundert Nachtclubs in der Stadt - so viele wie nirgendwo sonst an einem Ort in Amerika.
Durch Pendergasts Politik florierte die Wirtschaft trotz Prohibition, dem Börsenkrach und der Großen Depression. In ganz Mittelamerika gab es großartige Jazzorchester, aber in Kansas City gab es das beste: Bennie Moten's Orchestra, die führende Band weit und breit seit ihrer ersten Platte von 1923. Motens Erfolg ermöglichte es ihm, so unsterbliche Musiker wie Lester Young, Jimmy Rushing und Bill Basie (später 'Count' genannt) zu engagieren. In den harten Zeiten, die zur Schließung der meisten amerikanischen Jazzclubs geführt hatten, kamen all die großen Musiker von damals im '18th and Vine' (dem berühmten Vergnügungsviertel von Kansas City) zusammen. In der Stadt tobte das Leben!
Das Zusammenkommen dieser großartigen Musiker mit den Künstlern aus Kansas City führte zu einer Jazz-Renaissance, die vergleichbar ist mit den Gründerjahren von New Orleans. Der Blues bekam einen städtischen Touch, die Melodien wurden in zündende Riffs verwandelt, und der Beat wurde auf den neuesten Stand des Swing gebracht. Diese leichtere, lockerere, elegantere Variante des Big-Band-Sounds setzte Maßstäbe für eine ganze Ära der Unterhaltungsmusik. Wer heute von Mainstream-Jazz spricht, meint in Wirklichkeit Kansas-City-Jazz.
Eine Spezialität von Kansas City war die Jam Session mit den nächtelangen 'cutting contests'. In keiner anderen Stadt wurden diese Sessions mit solcher Begeisterung und solchem Sportsgeist gefeiert, wobei viele Jams in Runden erster, zweiter und dritter Klasse unterteilt waren - wie sportliche Wettkämpfe. Für Musiker wie Lester Young und den in Kansas City geborenen Charlie Parker wurden die 'After-hour Jam Sessions' zu einer Lebensform. Oft waren ihre bezahlten Jobs nur ausgedehnte Aufwärmübungen für die eigentliche Arbeit des Abends, die begann, wenn ihre normalen Gigs zu Ende waren.
(Produktionsmitteilung)
(...) Sozusagen die Olympier der Jazzmusik versammelten sich für Altmans Ode an die swingende Stadt seiner Jugend. Der Film liefert die ungekürzten Fassungen vieler Instrumentalversionen, die man in Kansas City zu hören und zu sehen bekam. Der Film erklärt uns wiederholt, daß Kansas City im Jahre 1934 die Stadt zum Leben war, und wenn man nach den zwölf Musikstücken urteilt, die hier in ihrer sprühenden Ganzheit lebendig werden, dann kann das niemand bezweifeln, der Ohren hat.
Eingeführt durch Harry Belafontes Kommentar und im Ambiente des hervorragend restaurierten '18th and Vine', das sich einst der dichtesten Konzentration von Nachtlokalen in ganz Amerika rühmen konnte, skizziert der Film auf subtile Weise den Verlauf einer einzigen, sehr langen Jazz-Nacht.
Das geschickte Geben und Nehmen zwischen den Musikern ist genial, ebenso die unauffällige, wie suchende Kameraarbeit. Dieses Suchen und Unterbrechen paßt sich der jeweiligen Stimmung der Nummern sehr differenziert an - mal ehrfürchtig und melancholisch, dann wieder ausgelassen und draufgängerisch. Der Regisseur benutzte drei 35mm-Kameras, machte den Schnitt auf einem Recorder und stellte die endgültige Fassung her, indem er das Band auf 35mm überspielte. Die schwer erkennbaren, verwischten und wackligen Bilder lassen den Film ein wenig jenseitig wirken, aber durchaus so, daß die traumartige, rauschhafte Atmosphäre sich noch stärker vermittelt.
Die Tonqualität ist augezeichnet. Offensichtlich sind die Musiker nicht nur darauf aus, ihre Kollegen zu immer weiteren Höchstleistungen anzustacheln, sondern sind auch bereit, ihre großen Vorgänger ein bißchen nachzuahmen. Kleidung im Stil der dreißiger Jahre - samt eng taillierten Hosen, Strapsen, Westen, Schlipsen und vor allen Dingen Filzhüten, die man auch drinnen aufbehält, tragen zu der nostalgischen Atmosphäre bei. (...)
(Lisa Nesselson, in: Variety, New York, 23.-29. September 1996)
Robert Altman, geboren am 20. Februar 1925 in Kansas City (USA), ist Regisseur, Drehbuchautor und Produzent. Seine Lehrzeit begann 1947 in seiner Heimatstadt Kansas City bei der 'Calvin Company', einer großen Produktionsfirma für Industriefilme. Von 1957 bis 1965 arbeitete Altman in Hollywood, wo unter seiner Regie zahlreiche Fernsehsendungen entstanden, darunter Combat, Alfred Hitchcock Presents und Bonanza.
1957: The Delinquents; The James Dean Story. 1968: Countdown. 1969: That cold day in the park. 1970: Brewster McCloud; M*A*S*H. 1971: McCabe and Mrs. Miller. 1972: Images. 1973: The long good-bye. 1974: California Split; Thieves like us. 1975: Nashville. 1976: Buffalo Bill and the Indians, or Sitting Bull's history lesson. 1977: 3 Women. 1978: A Wedding. 1979: H.E.A.L.T.H.; A Perfect Couple; Quintet. 1980: Popeye. 1982: Come back to the five and dime, Jimmy Dean, Jimmy Dean. 1983: Streamers. 1984: Secret Honor. 1985: Fool for love. 1987: Beyond therapy; O.C. & Stiggs. 1988: Aria. 1990: Vincent & Theo. 1992: The player. 1993: Short Cuts. 1994: Ready to wear/Prêt-à-porter. 1996: Kansas City; Robert Altman's Jazz '34.
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