Japan 1995 Regie: Katsuhiro Otomo , Koji Morimoto , Tensai Okamura |
113 min., 35mm, 1:1.85, Farbe
Produktion: Bandai Visual Co. Ltd. Buch: Sato-shi Kon (1. Episode), Katsuhiro Otomo (2. und 3. Episode). Regie: Koji Morimoto (1. Episode), Tensai Okamura (2. Episode), Katsuhiro Otomo (3. Episode, Leitung). Hauptzeichner: Toshiyuki Inoue (1. Episode), Hirotsugu Kawasaki & Morifumi Naka (2. Episode), Shuichi Ohara (3. Episode). Designer: Yuji Ikehata, Mitsuo Koseki, Akira Yamakawa, Nizou Yamakawa (1. Episode), Tatsuya Kushida (2. Episode), Katsuhiro Otomo (3. Episode). Ton: Sadayoshi Fujino. Schnitt: Takeshi Seyama. Musik: Yoko Kanno (1. Episode), Jun Miyake (2. Episode), Hiroyuki Nagashima (3. Episode). Produzent: Shigeru Watanabe. Stimmen: Tsutomu Isobe (Heinz, 1. Episode), Hideyuki Hori (Nobuo Tanaka, 2. Episode), Isamu Hayashi (Junge, 3. Episode). Uraufführung: 23. Dezember 1995, Tokyo. Weltvertrieb: Bandai Visual Co. Ltd., SEF Bld., 3-5 Matsugaya 1-chome, Taito-ku, Tokyo 111, Japan. Tel.: (81-3) 5828 3061, Fax: (81-3) 5828 3058. |
|
Fr 14.02. 24:00 Delphi Sa 15.02. 15:00 Arsenal |
Es ist das Jahr 2092, und Heinz, Miguel, Iwanoff und Aoshima arbeiten als Schrotthändler im Weltall. Sie haben ihr eigenes Raumschiff, sammeln und sortieren Schrott wie zum Beispiel nicht mehr funktionierende Satelliten und zerstörte Raumschiffe, die führerlos durchs All fliegen. Nach Beendigung einer schwierigen Aufgabe hören sie auf der Rückfahrt ein Hilfesignal aus dem Salgasso All, dem Friedhof des Alls. Sie eilen in Richtung des Signals und finden ein großes Schiff des alten Typs in Form einer Rose. Heinz and Iwanoff betreten das Schiff und stehen plötzlich erstaunt vor einer großartigen Opernbühne, die aus dem Nichts auftaucht. Jedes Zimmer des Schiffs ist vollgestellt mit Dingen der begabten Sopransängerin Elizabeth Freedel (Eva) aus dem frühen 21. Jahrhundert. Als sie ihre Suche fortsetzen, werden sie langsam in eine geheimnisvolle Welt der Illusionen hineingezogen, die durch Evas Leidenschaft ins Leben gerufen worden war und kein gutes Ende nimmt.
Das Kofu-Tal im Winter. Nobuo Tanaka, der im Labor bei der Nishibashi Pharmaceutical Company arbeitet, hat aus Versehen ein neues Arzneimittel eingenommen, in der Annahme, es sei gegen Erkältungen. Tatsächlich ist das Medikament ein Forschungsprodukt der Abteilung für bakterielle Kriegsführung, auf Wunsch der Regierung streng geheimgehalten. Das Medikament ist ein Kampfmittel, das nach dem Einnehmen Gas freigibt. Wer das Gas riecht, fällt sofort um. Nach einem kurzen Schlaf wacht Nobuo auf, das ganze Tal ist voller Gas, das von seinem Körper freigegeben wurde. Alle Menschen, Vögel und Tiere befinden sich in einer Art Totenstarre. Alle Blumen blühen plötzlich. Nobuo ahnt nicht, daß er sich in eine tödliche Waffe verwandelt hat. Er macht sich auf den Weg zum Hauptquartier in Tokyo. Die Verteidigungseinheiten Japans greifen Nobuo mit Scharfschützen, Panzern, Raketen und Kampfflugzeugen an, doch das Gas ist zu stark und überwältigt alle, was es unmöglich macht, Nobuo aufzuhalten. Am Ende setzt die US-Armee ihre neueste Waffe ein, um Nobuo lebendig zu fangen.
Ein Junge lebt in einer Stadt, die mit unzählige Kanonen bestückt ist. Mit Hilfe von Batterien werden riesenhafte Kanonen an verschiedene Plätze in der Stadt transportiert. Der Vater des Jungen arbeitet als Auflader der Batterie Nr. 17. Seine Mutter arbeitet in einer Fabrik, die Kanonenkugeln herstellt. Es gibt einen Slogan, der im Fernsehen gesendet wird: "Schieße, schieße, solange Du Energie für die Stadt hast". Diese Stadt kämpft gegen ein anderes Land, und im Mittelpunkt des Lebens aller steht die ,Kanone'. Schüler beschäftigen sich mit der Kanone, ein Thema in der Mathematikstunde des Jungen ist die Verbesserung ihrer Treffsicherheit. Die Batterien erzeugen jeden Tag ein Donnergeräusch in der Stadt. Viele der Batterien-Auflader sind mit Schweiß und Ruß bedeckt, wie auch der Vater des Jungen. Eine rituelle Handlung ist das Schießen besonders gekleideter Auflader auf den weitentfernten Feind. Im Fernsehen werden jeden Abend die Ergebnisse der Kanonenschüsse bekanntgegeben. Am Ende eines ganz normalen Tages geht der Junge zu Bett und wünscht sich, daß er eines Tages Kanonier sein wird, und kein Auflader mit harter Arbeit und niedriger Position...
Für einen spektakulären japanischen Animationsfilm haben die talentierten Macher des Welterfolgs Akira wieder zusammengearbeitet, mit diesmal noch besseren Resultaten. Die drei unterschiedlichen Geschichten bieten etwas für jeden Geschmack, vermeiden jedoch grelle Gewalt-Szenen zugunsten von subtilem, sozial-orientiertem Kommentar, erfolgversprechendem Humor und aufwendigen Action-Szenen. Bei vorsichtiger Behandlung wird sich MEMORIES lange in Repertoire-Kinos und auf der Kultfilm-Schiene halten.
Es dauerte drei Jahre, um diese ambitionierte Gemeinschaftsarbeit fertigzustellen, und das Warten hat sich gelohnt. Der ,Regisseur' von Akira, Katsuhiro Otomo, arbeitet mit einer Truppe junger Zeichner und hat drei Filme zusammengebracht, die sich radikal voneinander unterscheiden. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit sind sie aufgrund ihrer abwechselnd grellen, unheimlichen und rasend komischen Kommentare zum Thema ,Die Technologie und ihre Zukunft' miteinander verbunden.
Der erste, längste und technisch atemberaubendste Film, MAGNETIC ROSE, ist ein atmosphärischer Thriller und spielt im nächsten Jahrhundert. Eine multinationale Gruppe von Weltraum-Kaufleuten (in Wahrheit sind sie intergalaktische Müllmänner) vernimmt einen schwachen Hilfe-Ruf eines durch das All fliegenden Geisterraumschiffs, das die Form einer Rose hat. Zwei mutigere Männer der Besatzung, Miguel und Heinz, gehen an Bord des Geisterschiffs, das auf den ersten Blick verlassen aussieht. Dann sehen sie holographische Bilder einer Frau, die Scarlett O'Hara sehr ähnlich sieht. Als sich eines der Bilder auflöst, sagt Miguel, es wäre ,vom Winde verweht'.
In einer Art ,Lady-und-Tiger'-Szenarium erscheint sie in verschiedenen Verkleidungen immer wieder. Irgendwann stellt sich heraus, daß sie früher eine berühmte europäische Opernsängerin war (Teile des Films entstanden mit Unterstützung des tschechischen Philharmonischen Orchester). Heinz wird es bald zu unheimlich, sein Partner begibt sich - auch als das Schiff zusammenzustürzten droht - immer tiefer in das grabesähnliche Xanadu der mysteriösen Frau.
Die nekrophile Stimmung des ersten Teils wird im zweiten Teil durch helle Farben und einen zügigen Erzählstil schnell zerstreut, obwohl die Message von STINK BOMB nicht gerade beruhigend ist. Die Geschichte dreht sich um Tanaka, einen 08/15-Angestellten, der für ein großes pharmazeutisches Labor arbeitet. Eines Tages verspürt er die ersten Anzeichen eines Schnupfens und sucht im leeren Büro seines Chefs nach einer brandneuen Erkältungsmedizin. Dumm, daß die Flaschen nicht besser beschriftet waren. Er nimmt eine Probe, aber als er nach einem kleinem Schläfchen aufwacht, scheinen alle im Haus tot zu sein. Als er nach draußen tritt, bringen karge Bäume plötzlich Kirschblüten hervor; vorbeifahrende Autofahrer haben Unfälle.
Aus irgendwelchen Gründen bemerkt Tanaka nicht, daß grüne Gase seinem Körper entweichen, aber all das Umfallen um ihn herum beunruhigt ihn doch so sehr, daß er das mittlerweile völlig ausgestorbene ländliche Gebiet verlassen möchte. Schon bald hat er eine Honda gestartet und fährt nach Tokyo, einen Wolkenschweif von parfümiertem Gift hinter sich ziehend. In Tokyo sitzt das Militär an Plänen, wie man ihn mitsamt seiner Geheimwaffe von der Bildfläche verschwinden lassen könnte. Die Japaner werden ihrerseits vom amerikanischen Militär (angeführt von einer Colin-Powel-Gestalt) unter Druck gesetzt, die Probleme doch wie Uncle Sam zu lösen.
Die Geschichte mag ein bißchen überfrachtet klingen, aber dieser lebhafte zweite Teil ist durch und durch ausgelassen, wobei die etwas beschränkte Hauptperson nur den Hintergrund bildet für den immer wilderen Einsatz immer obskurerer Waffen - und für die schwindelerregendsten Explosionen mitten in der Luft seit Independence Day.
CANNON FODDER bildet den undramatischen Schluß . Es ist der einzige Teil, den Otomo selbst gezeichnet hat (er hat die Geschichten für die anderen beiden Teile geschrieben); dieser Teil ist ganz offensichtlich geprägt von seinen pessimistischen Ansichten über die menschliche Natur. Mit schweren Strichen gezeichnet und in sattem Rot gehalten, erinnert der Film an osteuropäische Comics zu Zeiten des Eisernen Vorhangs. Dieser Teil beschreibt eine namenlose Stadt, die existiert, um andere feindliche Städte mit einer riesigen Kanone, die dem Stil nach aus dem ersten Weltkrieg stammen könnte, auszuradieren. Die Resultate des Feuerhagels werden tagtäglich im Fernsehen verkündet, was die Einwohner - wie die Hauptperson des Films, ein kleiner, hochmilitarisierter, sechsjähriger Junge - dazu bringt, von Kampfesruhm zu träumen.
Der knappe Dialog und die Blechmusik sind als Seitenhiebe gegen die japanische Wiederbewaffnung, die politische Passivität und die Mentalität in Industriestädten gedacht. Barocke Bilder und grausiger Humor spiegeln den Tonfall von Otomos einzigem Spielfilm mit lebenden Schauspielern wieder, World Apartment Horror, der in Otomos Lebenslauf als ein ,directed actuality film' beschrieben wird. CANNON FODDER ist jedoch noch abstruser und gnadenloser, und unvorbereitete Zuschauer könnten sich nach dem amüsanten zweiten Teil über die Trostlosigkeit des letzten Teils ärgern. (...)
Technisch gesehen ist der Film ausgezeichnet. MEMORIES, der in Japan einen Monat lang im Kino lief, wird sich den ausländischen Zuschauern einprägen, egal wo sie leben. Ken Eisner, in Variety: New York, 13.-19. Januar 1997
Katsuhiro Otomos Arbeit hat sich seit seinem Debut in jeder Phase seines Schaffens verändert. Das wird durch einen Vergleich seiner Arbeiten aus den 90er Jahren mit dem frühen Werk ganz deutlich. Sein früher Zeichenstil war so dunkel, daß es so aussah, als hätte er auf schwarzem Papier gearbeitet. In den späteren Zeichentrickarbeiten verschwand das Dunkle allmählich, und stattdessen dominierten Raum und Weite. In den späten siebziger Jahren gewöhnte er sich einen Stil mit viel Weiß und großzügigen Flächen an. In den achtziger Jahren füllte er die Flächen mit verschiedenen Objekten, plazierte sie in einer Städtelandschaft, während er gleichzeitig das Weiß beibehielt.
Inuhiko Yomota kommentiert diese Veränderungen: "Wir können nicht behaupten, es gäbe keine Verbindung zwischen Otomos Übergang von einer Welt, die nicht zu Ende kommen kann, zu einer anderen entwickelt, die nach der Apokalypse. Seine Phase, in der er vom Weltende erzählt und die Metapher der Dunkelheit dazu benutzt, ist zu Ende. In Akira stellt er eine Welt dar, die nach dem Weltende enstand, und diese Welt ist vom ewig weißen Sonnenlicht erfüllt und kann nur mit einer komplexen Vielfältigkeit von Linien gestaltet werden."
(...) Das junge Publikum, das früher vom fehlenden Ende der Welt frustriert war, ist nun wiederum durch die endlose Welt nach dem Weltenende irritiert. Allerdings sind das zwei ganz verschiedene Arten von Frustration. Die jungen Protagonisten in Akira sind Teil des endlosen Horizontes.
Natürlich bedeutet das Nicht-Ende, daß es kein Entkommen gibt, dieses endlose Universum ist ganz und gar geschlossen. Viele Zuschauer gaben zu, daß sie bei Akira Klaustrophobie verspürten, daß sie sich durch den endlosen Raum eingeengt fühlten. Uns ging es so, als wir die Welt des Internets betraten und uns durch dessen Weite erdrückt fühlten.
Man entdeckt einen ehrgeizigen Versuch in CANNON FODDER (dem einzigen der drei Kurzfilme, bei dem Otomo Regie führte): Vom Anfang bis zum Ende scheint es Katsuhiro Otomos Ziel gewesen zu sein, die ganze Welt in einem Bild zu zeigen, anstatt den visuellen Raum durch eine Abfolge von Bildern zu erzeugen. Bei der Herstellung von Akira benutzte er nicht die normale Methode, Hintergrund und Figuren auf einen Filmstreifen zu zeichnen, sondern erstellte drei verschiedene Folien. Der Raum besteht aus drei Folien, und je nach dem, ob man eine hinzufügt oder entfernt, entsteht Tiefe, ganz natürlich, so wie bei einer Kamera, die sich auf einen Ort zubewegt, und sich diesen Ort nicht mit dem Zoom vor die Linse zieht. So kann die Tiefe eines Raumes vergrößert werden. Was Otomo durch Akira gelernt hat, muß in MEMORIES eingegangen sein.
Es ist wichtig, daß der Raum durch viele Lagen von dünnem und durchsichtigem Zelloluidfilm gestaltet wird. Eine Kamera kann ganz einfach in einen tieferen Raum gelangen, indem eine Lage entfernt wird, aber wir können nicht das ignorieren, was auf der nächsten Lage gezeichnet ist. Ein Net-Surfer wird zum Net-Taucher, ohne es zu merken, aber egal wie tief man eintaucht, es bleibt das Gefühl der subtilen Tiefe. Otomo muß sich gedacht haben, daß dieses subtile Gefühl der Einengung angemessen ist, weil man es mit dünnen Filmfolien hervorrufen kann, angemessen für die Welt im Film, die sich um nichts anderes bewegt und aus nichts anderem besteht als aus Ton und Licht. Yasuhito Higuchi
Koji Morimoto wurde 1959 in Japan geboren. 1980 schloß er sein Studium am Osaka Designers College ab und begann bei der Mad House Company als Verantwortlicher für Zeichnung und Animation. Seit 1984 arbeitet er freiberuflich. 1988 entstand unter seiner Regie Frankensteins Haguruma. Im gleichen Jahr übernahm er die Funktion des Regieassistenten für Dekor und Animation des Films Akira. 1991 entwickelte Koji Morimoto Drehbuch und Storyboard für den Animationsfilm Tobe! Kujira no Piku, bei dem er außerdem Regie führte.
Tensai Okamura wurde 1960 in Japan geboren und schloß 1983 sein Ingenieurs-und Wissenschaftsstudium an der Wasada Universität ab. Danach arbeitet er ebenfalls bei der Mad House Company. 1989 entwickelte er die Zeichnungen für Gokuu und führte Regie bei Yawara und Uruboshi Yatsura (Yagi-san und Cheese).
Katsuhiro Otomo wurde im April 1954 in Hazama-cho in der Präfektur Miyagi geboren. 1973 erschien sein erster Carton, ,Ju Sei', 1979 sein erstes Comic-Buch, ,Short Peace'. 1982 entstand sein erster Film Jiyu o warerani. Seitdem hat Otomo zahlreiche Comic-Bände gezeichnet und einige Filme gemacht, darunter die Welterfolge Akira (1988, Forum) und World Apartment Horror (1991, Forum 1992).
© 1997 Internationales Forum des Jungen Films. Alle Rechte vorbehalten. |