(Schwarze Drachen) USA 1996 Regie: Jo Andres |
26 min., 35mm, 1:1.37, Farbe
Produktion: Open City Films, Inc. Buch: Jo Andres, nach den Sarajewo-Tagebüchern des Jahres 1992 von Alma Hajric. Kamera: Lisa Rinzler. Ausstattung: Liz Deluna. Musik: Hahn Rowe. Schnitt: Jo Andres, Malcolm Jamieson. Regie-Assistenz: Adam Greenhouse. Kamera-Assistenz: Sally Boython. Produzenten: Joana Vicente, Jason Kliot. Ausführende Produzenten: Jo Andres, Steve Buscemi. Darsteller: Mimi Goese, Lucian Buscemi, Steve Buscemi, Talia Kagan, Maryette Charlton, Lillian Kiesler, Anthony Chase, Lucy Sexton, Michael Buscemi, Jo Andres, Ira Paneth. Almas Stimme: Mira Furlan. Uraufführung: 12.9.1996, Toronto Film Festival. Weltvertrieb: Jane Balfour Films Ltd, Burghley House, 35, Fortess Road, London W5180, Großbritannien. Tel.: (44-171) 267 5392, Fax: (44-171) 267 4241. |
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Fr 14.02. 11:00 Kino 7 im Zoo Palast Fr 14.02. 16:30 Delphi Sa 15.02. 22:30 Arsenal So 16.02. 19:30 Akademie der Künste Fr 21.02. 15:00 Babylon |
BLACK KITES ist - nicht-linear, traumähnlich und gespenstisch - ein Vermächtnis an die Kunst und die Imagination und die Unversehrbarkeit der menschlichen Psyche.
Ich habe viele Jahre lang im Theater gearbeitet und abendfüllende Aufführungen mit Live-Performern und Filmprojektionen inszeniert; durch die Projektion auf verschiedene Flächen wie Stoffe, laufendes Wasser und den menschlichen Körper habe ich sie verfremdet. (...)
Ich habe viele meiner Erfindungen für die Bühne in meine Filmarbeit übersetzt. Ich würde meinen Stil als ,rezeptiven Unfug' beschreiben. Diese Technik manipuliert auf neue Art Bilder dergestalt, daß sie das Auge täuschen und eine Atmosphäre von Geheimnis und Wunder schaffen. Meine Anwendung von bestimmten formalen Tricks geht an der üblichen Wahrnehmung des Publikums vorbei und kreiert stattdessen eine intuitive, hochvisuelle, traumähnliche Logik, die sinnlich und voller Symbole ist. (...)
1988, während einer Tournee durch Spanien mit unseren Theatergruppen, lernten Alma Hajric und ich uns kennen und wurden Freunde. Zu Beginn der Belagerung von Sarajewo 1992 schickte Alma mir einige ihrer Tagebücher mit Zeichnungen und Collagen. Sie sind die Grundlage von BLACK KITES.
"In mir gibt es zur Zeit zwei widerstreitende Tendenzen... die eine ist, ums Überleben zu kämpfen, die andere zu sterben", sagt Alma, die Erzählerin von BLACK KITES. (...)
In hartem Kontrast zu den zahllosen Bildern von Soldaten, zerbombten Gebäuden und unbekannten Opfern, die das amerikanische Fernsehen zeigt, konzentriert Andres sich auf die innere Verfassung einer Frau, die gezwungen ist, in einer Art Kollektiv zusammen mit ihrer Familie und Freunden im Keller eines leerstehenden Theaters zu leben.
Mit schockierender Selbstverständlichkeit spricht Alma von ihren täglichen Hürdenläufen - davon, wie sie alte Bühnendekorationen und den Parkettboden als Brennmaterial zweckentfremdet, wie sie gelernt hat, das Geschirr mangels Wasser mit Schmutz zu waschen. Diesen verbalen Beschreibungen sind Schilderungen ihres emotionalen Traumas und ihrer Angst vor Tod und Verlust gegenübergestellt. Der Regisseurin gelingt es, die Auswirkungen des Grauens sehr persönlich, elementar und menschlich darzustellen. äIch wollte ein Bewußtsein dafür wecken, was ein Trauma ist - ohne den Zuschauer in Distanz zu rücken", sagt die in Brooklyn lebende Filmemacherin. "Ich wollte dieses Gefühl vermitteln, aber keine Schuld, und auch nicht die Aufforderung, daß wir irgendetwas tun müßten, was wir nicht tun können."
Hajric ist eine poetische Autorin, die die physischen und psychologischen Auswirkungen des Lebens in dem Kellerversteck nachdenklich und geradezu schreiend schön aufzeichnet. "Wir phantasieren oft übers Essen", schreibt sie, "frisches Gemüse, eine saftige Orange." Sie spricht von Sehnsucht (äIm Fernsehen zeigen sie Werbung mit Swimmingpools, glücklichen Menschen... all das ist völlig unerreichbar") und Angst (äIch weiß, daß das Leben selbst stärker ist als der Schrecken meiner Existenz"). (...)
Um die geschlossenen Innenräume nachzustellen, die in den Tagebüchern angedeutet sind, wurde der Film fast vollständig im Keller von Jo Andres in Brooklyn gedreht. Die Schauspieler - Mimi Goese, Andres' Ehemann Steve Buscemi und ihr dreieinhalbjähriger Sohn Lucian - spielen ruhig, aber ausdrucksvoll die alltäglichen Handlungen, die Alma beschreibt: reden, essen, kochen und schlafen. Dazwischen sind Sequenzen geschnitten, die Andres ,Lichtmalerei' nennt: farbige Schatten, die sich über die Oberfläche des Films und wie um Almas Gedanken herum bewegen, und die ein traumähnliches surreales Lebensgefühl hervorrufen. Diese Metaphorik macht, zusammen mit symbolischen Großaufnahmen und theatralischer Beleuchtung, den Stil von Andres' Interpretation der Gefühle und Erfahrungen Almas aus. Laurie Ouellette, in: The Independent Film & Video, Vol. 19, Nr. 3, April 1996
Wenn die ständigen Schlagzeilen über Bosnien den Krieg für Sie entmenschlicht haben, sehen Sie sich BLACK KITES an. Basierend auf den Tagebüchern der Künstlerin Alma Hajric erzählt dieser Experimentalfilm eine sehr persönliche Geschichte davon, wie es ist, unter einer Belagerung zu leben. Alma, ihre Kollegen und deren Kinder sind gezwungen, in einem Keller in Sarajewo zu leben. (...) In einer unvergeßlichen Szene erinnert Almas Nachbar sich an die Bombardierung einer nahegelegenen Schule und die beiden ausgehungerten jungen Katzen, die das Blut der ermordeten Kinder aufleckten. Geheimnisvolle nachgestellte Szenen vor schwarzem Hintergrund, erzählt von Mira Furlan, wechseln ab mit manipulierten Bildern. Manchmal gerät der Realismus dieser nachgestellten Szenen in Konflikt mit der experimentellen Qualität des restlichen Films. Aber die kraftvolle Erzählweise der Furlan und die erschreckende Geschichte selbst machen den Film zu einem bewegenden Statement über den modernen Krieg, über Kreativität und Überleben. Leigh Newman, in: Time Out, New York, 17.-24. April 1996
Jo Andres studierte an der Ohio University Tanz und Filmwissenschaft und begann bereits während ihres Studiums, Anfang der Achtziger Jahre, Filme zu machen. Zur Zeit arbeitet sie nicht nur als Filmemacherin, sondern auch als Tänzerin und Choreographin.
1980: Punk Poultry. 1983: Warrior. 1984: Pteronnadonnas. 1985: Light, Phantasm, Earth. 1986: As per Gaggy Rout; Vita da vida; Ghost Fish Speak. 1987: Before Your Eyes; 1988: Lucid Possession. 1989: Losing Sight, Not Vision. 1990: Dreaming Out Loud. 1992: Ancestors. 1992: What Happened to Pete. 1996: Black Kites.
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