(Lernen glücklich zu sein) Schweiz 1996 Regie: Peter von Gunten |
155 min., 16mm, 1:1.66, Farbe
Produktion: Cinov AG Bern. Buch: Peter von Gunten. Regie-Assistenz und inhaltliche Begleitung: Heidi Rieder. Kamera und Schnitt: Peter von Gunten. Ton und Mischung: Peter von Gunten. Ton: Andreas Litmanowitsch, Remo Belli, Attila Boa, Andreas Schneuwly. Filmmusik: Simsimiyya Ensemble, Abu Simbel Ensemble. Mitwirkende: Vier sudanesische Familien, Marcel Marcus, Peter und Heidi Zuber, Schweizerinnen und Schweizer u.v.a. Uraufführung: 16. August 1996, Locarno Film Festival. Weltvertrieb: CINOV AG Filmproduktion, Gerberngasse 27, Postfach 107, CH-3000 Bern 13, Tel./Fax: (41-31) 311 40 39. |
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Do 20.02. 12:00 Akademie der Künste Sa 22.02. 16:00 Delphi So 23.02. 21:00 Kino 7 im Zoo Palast Mo 24.02. 14:30 Arsenal |
Nach einigen Monaten, in denen erste lose Kontakte zu Flüchtlingen aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa geknüpft waren, kam es in Chiasso und in Genf zur ersten Begegnung - und zu einem ersten Gespräch zwischen den sudanesischen Familien und dem Filmteam. Nach diesem Gespräch beschlossen wir, zusammen diesen Film zu wagen. Die ersten Bilder wurden bereits eine Stunde später gedreht.
Aus der vorsichtig angegangenen und schwierigen Anfangsphase entwickelte sich zwischen den vier Familien und dem Filmteam eine auf starkem gegenseitigen Vertrauen und Respekt aufgebaute partnerschaftliche Beziehung.
Der Film zeigt den schwierigen, beschwerlichen, psychisch bis an die Grenze des Ertragbaren führenden Weg durch das Schweizerische Asylverfahren. Wir sehen nicht nur den entmündigenden Weg durch die Befragungen und den belastenden Aufenthalt in den Lagern, die wir zurückhaltend Flüchtlingszentren nennen, von Station zu Station, wir erleben auch die privaten Ängste und Nöte der Beteiligten. Wir sehen aber auch den hoffnungsvollen Versuch, immer und immer wieder aus dem Status ,Flüchtling' herauszutreten und ein ,menschliches Wesen' zu bleiben, wenn auch die Umstände eher den Eindruck hinterlassen, daß Mann und Frau nur noch eine Nummer im Zentralcomputer der 480.000 gespeicherten Fingerabdruckbögen sind.
Peter von Gunten war sich bewußt, welch großes Risiko dieser Film für alle Beteiligten bedeutete; was das hieß, mit dem Bundesamt für Flüchtlinge einen Vertrag zu haben, der davon ausging, daß unabhängig von der Filmarbeit der Entscheid (Ablehnung des Gesuches, Ausschaffung und Deportation der Flüchtlinge) getroffen werden konnte.
In erster Linie deswegen dauerte die Suche nach den Mitwirkenden Monate. Der Autor suchte nach Flüchtlingen, die nach seiner persönlichen Einschätzung und auf Grund der ,Allgemeinen Menschenrechtserklärung' der UNO und der Europäischen Menschenrechtskonvention das Recht haben sollten, hier bei uns bleiben zu können. Und diese Einschätzung mußte in der ersten Stunde der Begegnung gemacht werden. Daß sich dabei die Meinung des Autors nicht zwangsläufig mit dem Entscheid des Bundesamtes für Flüchtlinge decken mußte, war Teil des großen Risikos, das alle Beteiligten eingingen. Durch die unausgesprochene moralische Verpflichtung, die der Autor mit seiner Entscheidung übernahm, wurde klar, daß sich auch das Filmteam zu einem persönlichen Engagement verpflichtete, das für alle Beteiligten weit über die Filmarbeit hinausreichte.
"Wir, unser Staat, die im Verfahren engagierten Menschen, die Betreuerinnen und Betreuer in den Zentren, geben uns alle Mühe, mit den Flüchtlingen ,korrekt' und ,nett' zu sein, und vertuschen damit, daß wir alle maßlos überfordert sind. Wir haben heute ein Asylverfahren, das darauf aufgebaut ist, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln herauszufinden, wer unserer Meinung nach kein Recht auf Asyl in unserem Land hat und nicht, wer ein Recht auf Asyl hat. Damit werden die Asylsuchenden in erster Linie als BetrügerInnen, LügnerInnen oder GlücksspielerInnen betrachtet, die uns hintergehen wollen.
Wer am meisten darunter leidet sind diejenigen, die nach unserer Definition den Status ,Asyl' verdienen und die wir respektieren und schützen sollten. Diejenigen, die durch Menschenrechtsverletzungen, Verfolgung, Folter, Gefängnis und deren Folgen Jahre, manchmal bis ans Lebensende zu leiden haben: die von uns oft diskriminierend als ,echte' Flüchtlinge bezeichneten Menschen!" (Peter von Gunten)
Als Peter Arbenz, damals Direktor des Bundesamtes für Flüchtlinge, das Filmprojekt zur Erteilung einer umfassenden Drehgenehmigung beurteilte, ermöglichte er die Dreherlaubnis mit dem Satz: "Ich glaube, wir müssen das wagen."
Seit September 1988 gibt es innerhalb der Universität Bern eine Videostelle, die sich in einer dreijährigen Versuchsphase die Aufgabe stellte, in eigenen Videoproduktionen Forschungsprojekte in allgemeinverständlicher Form darzustellen und damit an die Öffentlichkeit zu gelangen.
Pro Jahr war vorgesehen, ein bis drei Videofilme zu realisieren, und im Laufe der Zeit sollte die Abteilung zu einem bescheidenen Universitätsfernsehen ausgebaut werden. Da aber die personellen Möglichkeiten wie auch die finanziellen Mittel für die Erfüllung dieses Zieles nicht ausreichten, wurde Ende 1990 nach einer anderen Konzeption gesucht.
In Zusammenarbeit mit Peter von Gunten wurde ein neues Konzept entwickelt und die Voraussetzungen 1991 neu definiert.
Dieses Konzept basiert auf der Idee, daß einzelne Forschungsprojekte die theoretischen und praktischen Grundlagen für die Erarbeitung von Film- oder Videoprojekten liefern können. In Zusammenarbeit mit der Universität kann ein Forschungsprojekt zu einem Film- oder Videofilm-Projekt weiterentwickelt werden.
Als erstes Projekt wurde das Exposé ,Weg der Schweiz' von Peter von Gunten entwickelt.
Die Cinov Filmproduktion erarbeitete anschließend die Produktionsvoraussetzungen. Die theoretische und praktische Zusammenarbeit mit der Universität Bern führte zum Film THEY TEACH US HOW TO BE HAPPY, der nun als unabhängige Autorenproduktion realisiert werden konnte.
Ein weiteres Projekt mit den gleichen Produktionsvoraussetzungen ist in Arbeit.
Ein Staat hat das Recht, Asyl zu gewähren, und der Verfolgerstaat muß die Aufnahme seiner Staatsangehörigen durch einen anderen Staat hinnehmen. Er darf also nicht versuchen, sich gegen den Willen des Asylstaates des Flüchtlings zu behändigen.
Ausgehend von der nationalen Souveränität hat jeder Staat das Recht, nach eigenem Belieben Flüchtlinge aufzunehmen oder abzuweisen. Das heißt, daß es für den Flüchtling grundsätzlich die Möglichkeit eines sicheren Aufenthalts gibt und er die Einräumung einer privilegierten Rechtsstellung erreichen kann.
Einen völkerrechtlichen Anspruch des Einzelnen auf Asyl gibt es aber nicht. Dieses Recht ist nicht als Menschenrecht anerkannt. Artikel 14.1. der ,Allgemeinen Menschenrechtserklärung' der Vereinten Nationen garantiert bewußt nur das Recht, "in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und" - einmal erhalten - äzu genießen", nicht aber, es zu erhalten.
Immerhin werden den Flüchtlingen mit dem Rückschiebeverbot sowohl durch die Flüchtlingskonvention wie auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gewisse Rechte zugestanden. Es besteht ein Rückschiebeverbot bei drohender Ermordung, Folter oder einer besonders schwerwiegenden Verletzung fundamentaler Menschenrechte. Damit haben die Flüchtlinge immerhin das völkerrechtlich garantierte Recht, dem Zugriff des Verfolgerstaates entzogen zu bleiben und nicht gegen ihren Willen dorthin zurückkehren zu müssen. (...)
Von den Biertischen bis hinein in die Parlamente bedienen sich Menschen oft umfangreicher Statistiken und feuriger Erklärungen, als ginge es beim Thema Asylpolitik um Milchkontingente oder um grassierende Seuchen. Zahlen und Thesen verleiten zu Distanz und Wahrheitsverlust und stellen die Wahrnehmung der Wirklichkeit auf den Kopf. Indem Peter von Gunten dem Wesentlichen den ihm zustehenden Platz zurückgibt, von dem er durch parteipolitische Diskussionen und den Verwaltungsapparat verdrängt wurde, stellt er die Asyldiskussion wieder auf die Füße. Im Mittelpunkt seines neuesten Films steht der Mensch mit seiner individuellen Not und seinen Gefühlen, wobei von Gunten den präzisen Blick auf die behördliche Mechanik nie aus den Augen verliert. Und er gibt die Einsicht zurück, daß jedes System, jeder von Menschenhand gebaute und geformte Apparat einzig dem Menschen und seiner Würde zu dienen hat. (...) Robert Richter, in: Zoom, Nr. 8, Zürich 1996
(...) "Nun ist die Dritte Welt zu uns gekommen. Das ist das Thema meines neuen Films", sagt Peter von Gunten. Seine Dokumentarfilme in Lateinamerika sei er, im Sinn der kulturellen Einmischung, immer zurückhaltend angegangen. In der Schweiz dagegen, wo Spielfilme wie Kleine frieren auch im Sommer und Pestalozzis Berg entstanden sind, habe er seinen Hang zu spielerischen Formen ausleben können. (...) Er versteht Film als gesellschaftliches Element, weiß aber auch, daß sich die Gesellschaft verändert. "Gegenwärtig sind wir selbst in einer ,Krise'. Und sozialkritische Filme sind ein Luxusprodukt - die Leute wollen sie nur sehen, wenn es ihnen gut geht." Von Gunten will mit seinen Filmen "Angebote zur Diskussion" leisten: "Das mache ich auch in der Politik. Nur ist da der Zugang direkter." Matthias Lerf, in: Berner Zeitung / Locarno Extra 1996
Peter von Gunten, 1941 in Bern geboren, ist gelernter Graphiker und Photograph. Seit 1969 arbeitet er als Autor, Regisseur, Kameramann und Produzent von Kurz-, Dokumentar- und Spielfilmen.
1967-70: Blumengedicht; Die Vorstellung; Im schönsten Wiesengrunde; Mein persönlicher Beitrag zur Aktion Gesundes Volk; 21 Schweizer Künstler. 1971: Bananera-Libertad (Forum 1971). 1974: Die Auslieferung (Forum 1974). 1976: El grito del pueblo. 1978: Kleine frieren auch im Sommer. 1980: Terra Roubada - Geraubte Erde. 1982: Bis das Leben uns scheidet: Barbaras Briefe. 1983: Bis das Leben uns scheidet: Rogers Geschichte. 1986: Vozes da Alma - Stimmen der Seele. 1989: Pestalozzis Berg. 1992: Terra Prometida - Gelobtes Land (Forum 1993). 1996: THEY TEACH US HOW TO BE HAPPY - LERNEN GLÜCKLICH ZU SEIN.
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