(Süße Mächte) Brasilien 1996 Regie: Lúcia Murat |
98 min., 35mm, 1:1.66, Farbe
Produktion: Taiga Filmes e Video, Riofilme. Buch: Lúcia Murat. Kamera: Ant"nio Luiz Mendes. Schnitt: César Migliorin, Vera Freire. Musik: Sacha Amback, Adriana Calcanhoto. Ausstattung: Sergio Mendes. Ton: Heron Alencar, Chico Bororo. Darsteller: Marisa Orth, Ant"nio Fagundes, Tuca Andrada, Sergio Mamberti, Otávio Augusto, José de Abreu, Cláudia Lira, Luiz Ant"nio Pilar, Vicente Barcelos. Uraufführung: 27. September 1996. Weltvertrieb: Media Luna, Ida Martins, Friesenwall 83, D- 50672 Köln. Tel.: (49-221)139 22 22 / 137 787. Fax: (49-221) 139 22 24 / 135 474. |
|
Fr 14.02. 18:30 Kino 7 im Zoo Palast Sa 15.02. 11:00 Delphi Sa 15.02. 20:00 Arsenal |
Im Mittelpunkt der Geschichte steht das Verhältnis von TNA zur Wahlkampagne in Brasilia. Der bisherige Studiochef leitet die Kampagne eines konservativen Gouverneurskandidaten, der seine populistische Haltung durch ein modernes Vokabular zu verschleiern versucht. Die Opposition unterstützt einen schwarzen Kandidaten, dessen Wahlkampf von Chico Silva organisiert wird, einem angesehenen Abgeordneten der Linken, den Bia einmal geliebt hat. Die Journalistin fördert die Aktivitäten von Alex, einem jungen Reporter, der die politischen Manipulationen aufklären will, dabei jedoch vor allem seine Fernsehkarriere im Auge hat. Zwischen Bia, Chico und Alex entsteht ein Dreiecksverhältnis, in dem sich persönliche und politische Konflikte mischen.
Wir leben in einer Welt, in der zynische Vernunft und utopische Vernunft keinen Gegensatz mehr bilden. Der Film Doces Poderes zeigt dieses Phänomen aus verschiedenen Blickwinkeln: aus dem der Massenmedien, dem der politischen Macht und aus der individuellen Optik von Medienspezialisten. Die Bedeutung des Films liegt darin, daß er dieses Phänomen am Beispiel Brasiliens konkretisiert, einem Land, in dem die junge Demokratie mit einem perversen Kapitalismus koexistiert.
Der Film will die Form enthüllen, mit der die politische Macht all ihre Kräfte ins Spiel um eine Wahl bringt - eine Form, die extrem wichtig ist , um das Land zu begreifen, in dem wir leben. Die riesigen Geldsummen, die in Wahlkampagnen fließen, machen es selbstverständlich, daß sich Werbeleute, Redakteure, Reporter, Filmemacher und Regisseure dieses Marktes bedienen. Dabei gelten für sie lediglich finanzielle Kriterien bei der Auswahl der Kandidaten, denen sie als Fachleute zuarbeiten wollten. Vom berlebenskampf getrieben, verloren in ihren ausgeträumten Träumen, scheint sich die Frage der Ethik für sie in etwas Unzeitgemäßes verwandelt zu haben. Der Film zeigt die Schizophrenie und die Brutalität dieser Beziehungen.
Dem Zuschauer bietet dies Gelegenheit, sich zu engagieren und über die brasilianische Wirklichkeit nachzudenken, und zwar ohne jeden Manierismus. Mürbe Mächte oder süße Mächte? An diesem konfusen Ende des Jahrhunderts stellt der Film die Frage: Wie kann man all diese Widersprüche überleben, gibt es keinen Mythos mehr am Ende des Tunnels? DOCES PODERES reiht sich unter die Filme ein, die wieder eine Beziehung zum brasilianischen Zuschauer aufbauen wollen, in dem dieser als jemand respektiert wird, der kritisch sein kann und soll. Außer der Aufdeckung des politischen Machtgeflechts in Brasilien behandelt der Film Fragen, die die ganze Welt betreffen: den Monetarismus der menschlichen Beziehungen, die neue Rolle der Medien, die Krise der Ethik. (Lúcia Murat, September 1996)
Die Idee, das Musikstück 'Dona de Castelo' von Wally SalomÆo und Macalé als musikalisches Thema zu verwenden, kam von dem Team, das die Tonbearbeitung des Films machen sollte. Der Film ist auf die Geschichte Bias ausgerichtet, der Figur, die von Marisa Orth gespielt wird. Und Dona do Castelo (die Schloßherrin) spricht metaphorisch von einer gespaltenen Persönlichkeit, die die ganze Zeit versucht, sich und andere zu täuschen. Es war die ideale Musik, von der eine Originalfassung für den Film übrigblieb, die dessen femininen Touch verstärkte. Diese Arbeit machten Adriana Calcanhoto und Sacha Amback. Das Resultat ist einer der Höhepunkte in DOCES PODERES.
(Tárik de Souza)
Lúcia Murat wurde 1949 in Rio de Janeiro geboren. Sie ist als Journalistin für einige der wichtigsten Fernsehsender und Tageszeitungen tätig. Für das Fernsehen hat sie in den neunziger Jahren vor allem Bildungsprogramme gemacht über brasilianische Geschichte und Literatur sowie über die Frau im brasilianischen Film. Bereits in den Achtzigern entstanden ihre ersten Filme: O Pequeno Exército Louco (1984), ein mittellanger Dokumentarfilm über den Bürgerkrieg in Nicaragua und ihre eigene Geschichte als Aktivistin während der Militärdiktatur und Que Bom Te Ver Viva (1988), ihr erster Spielfilm über gefolterte Frauen während der Militärdiktatur.
© 1997 Internationales Forum des Jungen Films. Alle Rechte vorbehalten. |